Ein Tag bei EMMA!

74 EMMA-LeserInnen und 9 EMMA-Macherinnen vor dem Bayenturm.
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Das Gewölbe des Bayenturms platzte aus allen Nähten. 74 EMMA-AbonnentInnen plus neun EMMAs plus Buffet-Tisch und Kölschfass – das alles passte nur knapp in den Kellerraum des ­mittelalterlichen Wehrturms am Rhein, in dem auch die EMMA gemacht wird. Stühle und Bänke reichten nicht ganz, ein rundes sportliches Dutzend lehnte sich also an Theke und Wände, als es losging.

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„Ihr seid selbst schuld, dass ihr so viele seid“, begrüßte Alice Schwarzer die Gäste. „Denn ihr habt uns so hinreißende Briefe geschrieben!“ Da hatte sie Recht.

Ursprünglich hatten wir den Tag mit erheblich weniger EMMA-AbonnentInnen (bzw. EMMA-Abo-VerschenkerInnen) geplant. „Liebe Leserin, lieber Leser“, hatten wir in der Hausmitteilung geschrieben, „damit wir euch und ihr uns noch besser kennenlernen, laden wir zwölf ausgewählte LeserInnen in die Redaktion ein: Beim EMMA-Machen dabei sein! Mit der Redaktion über das letzte Heft disku­tieren! Themenvorschläge für das nächste Heft machen! Franziska Becker beim Live-Zeichnen zusehen! Alice Schwarzer sagen, was auf der Seele brennt! Den FrauenMediaTurm mit seinem legendären Frauenarchiv bis hinauf zu den Zinnen besichtigen! Den Tag ausklingen lassen bei einem Imbiss plus Kölsch oder Wein!“ Also: „Schreibt uns jetzt! Lasst uns wissen, warum ihr EMMA hautnah kennenlernen wollt!“

Alice: „Wir können niemanden ausladen. Sie müssen alle kommen!“

Was dann virtuell in unserem E-Mail-Eingang und analog in unseren gelben Postkisten anbrandete, hat uns so begeistert und berührt, dass wir unseren Plan über den Haufen warfen.

Nachdem sich Alice Schwarzer gemeinsam mit Verlagsleiterin Anett Keller durch über hundert Mails und Briefe gewühlt hatte, erklärte Alice: „Wir können niemanden ausladen. Sie müssen alle kommen!“

Und so kamen sie am 22. August eben alle, von einigen Verhinderten abgesehen: die Hebamme und die Vermessungs­technikerin, die Hausfrau und die Insolvenzverwalterin, das Pfarrerinnen-Ehepaar ­(jawohl, mit kleinem i) und die Psychologie-Studentin, die Bilanzbuchhalterin und die Opernchorsängerin, die Winzerin und die Filmemacherin. Sie kamen aus München und Hamburg, aus Mönchengladbach und Gera. Und aus Wien, Zürich und Brüssel.

Ganz bewusst hatten wir in unserem Aufruf das Wort LeserInnen mit großem I geschrieben, denn natürlich wollten wir auch unsere männlichen Abonnenten (die gibt’s!) einladen und kennenlernen. Tatsächlich traten drei den Weg in die Höhle der Löwinnen an: Markus, der Opernchorsänger; Mathias, der Töpfer; und ­Tobias, der Sozialarbeiter – und Ehemann von Abonnentin Shiva. Tobias wurde mit einem Extra-Applaus bedacht. Er ist nicht nur EMMA-Leser, sondern auch Zéro­macho, also einer der Männer, die in Deutschland das Netzwerk von Männern gegen Prostitution ins Leben gerufen haben (siehe EMMA 4/14).  

Schon als die ersten EMMA-LeserInnen eintreffen, ist die Stimmung herzlich bis bombig. „Duzen wir uns?“ – „Ja klar. Ich bin die Alex.“ – „Ach, du hast die tolle Pascha-Reportage geschrieben!“ 

Dann geht es los mit dem Programm. Das erste Drittel der Gruppe wird von ­Jasmin Schenk vom FrauenMediaTurm zu einer Turmführung abgeholt. Die beginnt ganz oben im vierten Stock, wo die Schätze des Archivs lagern: von der Suffragetten-Zeitschrift aus dem 19. Jahrhundert über die Tagebücher von Minna Cauer bis zur „Chronik der Neuen Frauenbewegung“ in mehreren Metern Aktenordnern. Höhepunkt der Führung: Der Gang aufs Turm-Dach mit Blick bis zum Dom.

Während Gruppe 1 den FMT besichtigt und Gruppe 2 im Gewölbe Bekanntschaft schließt, zeigen die EMMA-Redakteurinnen Chantal Louis und Angelika Mallmann der dritten Gruppe die EMMA-Redaktion. Noch hängen die Überbleibsel der letzten Heft-Produktion an den Wänden: Der Heftplan, bestehend aus 116 Kästchen für 116 EMMA-Seiten, in den jeder Artikel in seinem jeweiligen Stadium eingezeichnet wird. „Mit Bleistift“, erklärt Angelika, ihres Zeichens Chefin vom Dienst, „weil sich bei Aktualität der Plan dreimal am Tag ändert“. Auch der Titel ist noch als Farbausdruck mit Tesafilm an die Wand geklebt.

Und schon geht es los mit den Fragen: „Wie entscheidet ihr, was auf den Titel kommt?“ Genau dieser Titel, erklärt Chantal, ist ein gutes Beispiel für den Diskussionsprozess, der stattfindet, bis der Titel schließlich feststeht. Die finnische Schriftstellerin Sofi Oksanen, die jetzt tiefgründig vom Cover blickt, war ursprünglich gar nicht vorgesehen. Sondern das Gesundheits-Dossier. Aber wie bebildert man das? Mit einem reinen Schrifttitel. Aber dann hatte die Fotoredaktion für die Geschichte über Finnland auf der Buchmesse die tollen Oksanen-Fotos besorgt und plötzlich war klar: Die isses!

Wie findet ihr eure Themen? Wie oft macht ihr Konferenzen?

Weil das Foto so intensiv war, sollte ­eigentlich ansonsten nichts auf den Titel. Obwohl einige Kolleginnen fanden, dass wir mehr Themen präsentieren sollten. Dann brandete plötzlich, durch den Skandal mit dem thailändischen Down-Syndrom-Baby, das Thema Leihmutterschaft hoch. Dann, durch die geplante Gesetzes­änderung, die Prostitution. Und die Gesundheit war ja auch noch da. Was jetzt? Alice befand: „Wir machen es einfach dem Spiegel nach!“ Also ein Querstreifen unten. Plus ein gelber Button für die Gesundheit.

Weiter geht’s mit den Fragen. „Wie findet ihr überhaupt eure Themen?“ – „Wie oft macht ihr Konferenzen?“ – „Seid ihr wirklich so wenige?“ – „Wie schafft ihr das überhaupt?“

Ja, wie schaffen wir wenigen das? Als die Führungen vorbei und alle wieder im ­Gewölbe versammelt sind, gilt es, diese ­berechtigte Frage konkret zu beantworten. Das EMMA-Team stellt sich vor. Allen voran die Dienstälteste, Cartoonistin Franziska Becker, die schon von der ersten Ausgabe an dabei ist. Margitta Hösel, Büroleiterin von Alice Schwarzer, das heißt Allroundkraft und ausgestattet mit Nerven wie Drahtseilen, ist nun auch schon seit 32 Jahren dabei, bei EMMA angefangen hat sie im zarten Alter von 19 Jahren. Folgt ­Fotografin Bettina Flitner, die vor allem ­eigene Fotoprojekte macht, aber seit 1986 die feste Fotografin des Hauses ist.

Chantal hat in diesem Jahr ihr 20-jäh­riges Dienstjubiläum und Angelika Mallmann ihr 15-jähriges. Sie kennt etliche der EMMA-AbonnentInnen, wenn auch (noch) nicht persönlich: Angelika ist unter anderem zuständig für die LeserInnen-Briefe und hat schon so manches Lob und so manche ­Kritik an EMMA, so manches frustrierende oder ermutigende Erlebnis, auch der heute Anwesenden, im Heft platziert.

Alexandra Eul, seit vier Jahren bei EMMA, ist Online-Redakteurin und plant einen Anschlag auf die Anwesenden: Sie will Filmclips über die AbonnentInnen auf EMMAonline stellen und fragt: „Wer hat Lust, mir heute vor der Kamera auf die Frage zu antworten: „Warum lest ihr die EMMA?“ Das Ergebnis ist auf EMMAonline zu sehen.

Und dann ist da noch Anett Keller, seit 2002 Verlagsleiterin und daher originär zuständig für die für EMMA so lebenswichtigen Abos. „Ich wollte euch nochmal sagen, wie wichtig ihr für uns seid!“ sagt Anett denn auch prompt und bittet die AbonnentInnnen, noch mehr Abos zu werben. Viel mehr!

Und schon sind wir mitten in der Diskussion. Denn jetzt wollen auch wir was von unseren LeserInnen wissen: Welche Themen wünscht ihr euch mehr in EMMA? Was machen wir gut? Was könnten wir besser machen?

Viele Hände heben sich. Lisa, 20 Jahre jung und Psychologie-Studentin, trägt eine schwarze Nietenhose und wünscht sich einen Artikel über Frauen in der Heavy Metal-Szene. „Gibt’s die?“ fragt Chantal überrascht. Und ob, versichert Lisa. Sie kennt gleich mehrere weibliche Metal-Bands und möchte darüber in EMMA lesen. Nächster Vorschlag: Töchter, die den Familienbetrieb vom Vater übernommen haben. Frauen auf Arktis-Expeditionen. Wir notieren alles fleißig und haben für weitere Themenvorschläge eine Box aufgestellt.

Nun wird die Debatte grundsätzlicher. „Wir brauchen mehr Ermutigendes!“ fordern gleich mehrere. „Seht ihr, das sage ich ja die ganze Zeit!“ sagt Alice mit vorwurfsvollem Blick auf die Redaktion. Wir erklären: Wir wissen selbst, dass die EMMA oft zu schwer ist. Dass wir unseren LeserInnen viel zumuten. Das liegt natürlich daran, dass wir es uns nicht so leicht machen wie die Schwesternblätter, die die harten und unbequemen Themen gern dem kommerziell zuträglichen Wohlfühl-Faktor opfern. Dennoch: Auch wir selbst wünschen uns die EMMA oft ermutigender.

„Wir brauchen Rollenvorbilder, die näher am eigenen Leben sind“, findet Shiva. „Ich wünsche mir Porträts von der Frau von nebenan, von der Alltagsheldin.“ Wünschen wir uns auch. Wir beschließen ad hoc, dass wir ab sofort eine Alltagsheldinnen-Serie starten. Schon aber kommt auch Einspruch: „Ich finde, EMMA sollte ruhig die Messlatte hochhängen und auch weiterhin Spitzenfrauen vorstellen“, sagt Miriam. Wir finden: Das eine schließt das andere nicht aus.

Mehr Rollen- vorbilder und mehr Er- mutigendes!

Jetzt sind wir bei einem noch grundsätzlicheren Thema: „Wenn man im Spiegel mit ein, zwei Artikeln einverstanden ist, ­findet man das viel“, sagt Alice. „Wenn man sich in EMMA über ein, zwei Artikel ärgert, findet frau das empörend – und schon wird gleich das Abo abbestellt.“

Klar, zu EMMA hätten die Leserinnen oft ein viel engeres, emotionaleres Verhältnis. EMMA ist eben nicht zur Zeitschrift, sondern auch Freundin. Darüber freuen wir uns. Aber wie in einer guten Freundschaft wünschen wir uns, dass man Meinungs­verschiedenheiten auch mal aushält und austrägt. Unsere BesucherInnen nicken.

Langsam wird es Zeit, zum gemüt­lichen Teil des Abends überzugehen. Und der wird in der Tat ausgesprochen gemütlich. Dazu tragen nicht nur das Päffgen-Kölschfass und diverse Flaschen Weißwein bei, sondern auch die Tatsache, dass auch die EMMA-LeserInnen großen Spaß daran haben, sich miteinander zu vernetzen. Kein Wunder. Viele Abonenntinnen, gerade die auf dem Land, sind mit ihrem unbequemen feministischen Gedankengut oft allein auf weiter Flur.

Am sehr späten Abend spricht sich herum: Barbara aus Köln, gestern noch 36, hat heute Geburtstag und kann „sich kein schöneres Geschenk vorstellen als heute hier zu sein“. Das verlangt nach einem ­Geburtstags-Ständchen, was, nicht zuletzt Dank der Gesangskünste der beiden anwesenden OpernchorsängerInnen Silke und Markus, durchaus hörenswert gerät.

Als wir dann gegen ein Uhr nachts das letzte Kölschglas in den Karton gesteckt und die letzte Bierbank zusammen­geklappt haben, sind sich alle EMMAs einig: Es war ein großartiger Tag!

Wir finden: Es war ein groß- artiger Tag in Köln!

Am Montagmorgen trudeln die ersten E-Mails ein: „Liebe EMMAs, ein riesengroßes DANKESCHÖN für die Einladung zum Redaktionstag! Es war ein toller und spannender Tag bei euch, besonders eure Gastfreundschaft und dass Ihr euch alle so viel Zeit für uns genommen habt, hat mich beeindruckt! Ich habe viele Informationen und gute Vibrations mitgenommen“, schreibt Vera. „Liebe EMMAs, Alice Schwarzer hatte ich mir komischerweise als eiserne Lady vor­gestellt. Stattdessen traf ich eine warmherzige, lustige Frau“, mailt Louisa.

„Ihr lieben, klugen und schönen EMMA-Frauen, es war so schön bei euch und so interessant. Ich glaube auch, dass es für jede von uns Abonnentinnen wichtig war zu sehen, was für viele tolle Frauen das sind, die eins gemeinsam haben, nämlich unser EMMA-Abo. Das war schon überwäl­tigend“, schreibt Barbara, die Winzerin. Und es geht noch weiter. „Ich lade euch ein, mich im nächsten Jahr hier in Bad Dürkheim auf dem Weingut zu besuchen. Wir würden dann mit einem Traktor und Anhänger rausfahren und natürlich den Wein trinken, der auf diesem Boden wächst.“ Hört sich super an.

Der nächste EMMA-AbonnentInnentag ist schon in Planung.

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Alice Schwarzer schreibt

Die Rache einer gedemütigten Frau

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Präsident Hollande hat schon länger Probleme. Zuletzt wollten nur noch 17 Prozent aller Franzosen ihn wieder wählen. Die Veröffentlichung des Buches seiner Ex-Lebensgefährtin Valérie Trierweiler über die gemeinsamen acht Jahre und deren abruptes, bitteres Ende machen diese Probleme nicht kleiner. Die ersten 175.000 gedruckten Exemplare von „Merci pour ce moment“ (in etwa: Vielen Dank erstmal. Oder: Vielen Dank für diese Zeit) waren innerhalb von vier Tagen ausverkauft. Als Hauptzielgruppe ortete der Buchhandel „Frauen zwischen 40 und 50“; also die Frauen, die sich mit der Betrogenen und Verlassenen identifizieren.

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Nach der Enthüllung am 11. Januar 2014 durch ein Klatschmagazin, dass Hollande eine Geliebte hatte, erklärte Valérie Trierweiler, 48, zunächst, sie sei „bereit ihm zu verzeihen“. Doch spätestens mit dem ersten Satz seiner öffentlichen Erklärung zwei Wochen nach dem Eklat dürfte der erste Baustein für die Bombe Buch gesetzt worden sein. Am 26. Januar erklärte Hollande öffentlich: „Ich habe mein gemeinsames Leben mit Valérie Trierweiler beendet.“ Ich. Beendet.

Das dürfte der 1. Baustein für die Bombe Buch gewesen sein.

Unsere Kultur kennt etliche Varianten für so einen Fall: Wir haben uns auseinander gelebt... Wir bedauern, jetzt nach vielen glücklichen gemeinsamen Jahren getrennte Wege... Wir... Hauptsache Wir. Aber nicht Ich. Denn schließlich sollte wenigstens das Gesicht der Betrogenen und Verlassenen gewahrt bleiben.

Doch darauf legte der Präsident – der sich vor der Arbeit in seinem Palast auf dem Motorrad mit frischen Croissants zu seiner jüngeren Geliebten, einer Schauspielerin, zu schleichen pflegte – keinen Wert. In den Kreisen von François Hollande scheinen solche Konventionen nicht mehr zu gelten.

Doch welche Kreise sind das? Es sind die Kreise der Parti Socialiste, die 2013 Dominique Strauss-Kahn zum Präsidenten machen wollten. Ein Mann, von dem seine Entourage seit vielen Jahren wusste, dass er unter Frauen wütete wie ein Tier, und der aktuell in Frankreich der „bandenmäßigen organisierten Zuhälterei“ angeklagt ist (der Prozess soll Anfang nächsten Jahres eröffnet werden).

Denn hätte nicht ein bis dahin namenloses schwarzes Zimmermädchen in New York Anklage wegen Vergewaltigung gegen den damaligen IWF-Direktor erhoben – der just auf dem Weg zur Präsidentschaftskandidatur in Frankreich war – säße heute zweifellos nicht Hollande, sondern Strauss-Kahn im Élysée-Palast. Seine eigene Partei jedenfalls hatte den brutalen, korrupten und durch das Rotlicht-Milieu erpressbaren DSK nicht etwa aus Skrupeln an der Kandidatur gehindert, sondern hätte diesen Mann auf Schultern in das höchste Staatsamt getragen.

Gewisse linke Männer scheinen noch immer der Überzeugung, dass alles erlaubt sei.

So gesehen ist François Hollande das kleinere Übel. Es geht schlimmer.

Die Medien verreißen überwiegend die Bestseller-Bekenntnisse ihrer Kollegin als "indiskret". Überraschend ergriff jetzt der Schriftsteller Patrick Besson die Partei von Trierweiler. Er ist der Auffassung, dass "relativ wenig" über Hollande in dem Buch stehe und das Ganze eigentlich "ein großer Liebesroman" sei. Scheinheilig nennt eine Journalistin von Libération die Klage der Linken Alain Finkielkraut („Dieses Buch ist ein Verbrechen“) und Daniel Cohn-Bendit („Das ist der moralische Selbstmord von Valérie Trierweiler.“). Die konservativen Männer haben sich immerhin daran gewöhnt, dass man ihre Doppelmoral kritisiert. Gewisse linke Männer scheinen noch immer der Überzeugung, dass alles erlaubt sei. Zumindest für sie. 

Im Wahlkampf hatte der so bieder wirkende Hollande sich alternativ zu DSK als „Monsieur normal“ angepriesen. Der Mann von nebenan. Da hatte er die Trennung von Ségolène Royal bereits vollzogen, direkt nach deren gescheiterter Präsidentschaftskandidatur 2007. Er verließ die langjährige Lebensgefährtin und Mutter seiner vier Kinder für Valérie Trierweiler, mit der er zu dem Zeitpunkt bereits seit Jahren ein Verhältnis hatte.

Trierweiler wiederum verließ für Hollande, in den sie sich „rettungslos verliebt“ hatte, ihren Ehemann und drei Kinder. Und als sie mit dem Geliebten in den Élysée-Palast zog, gab die Journalistin auch ihren Job als politische Reporterin bei der Illustrierten Paris Match auf. In ihren Bekenntnissen gesteht Trierweiler nun, sie sei rasend eifersüchtig auf ihre Vorgängerin gewesen und habe dem Präsidenten jeglichen öffentlichen Umgang mit seiner langjährigen Gefährtin, auch in der Politik, untersagt. Royal ist inzwischen Ministerin im Kabinett des Präsidenten.

Alles nicht schön. Und keineswegs sonderlich privat, denn es wurde ja öffentlich vorgeführt und wirkt sich politisch aus.

Trierweiler enthüllt nun die genauen Umstände der Trennung. Und man darf davon ausgehen, dass die nackten Fakten stimmen: Das Manuskript wird vor Druck von einer Crew von Juristen gegengelesen worden sein.

Es war also so: An dem Tag, an dem seine Geliebte publik wurde, schluckte die Lebensgefährtin vor seinen Augen eine Handvoll Tabletten, um zu sterben (oder zumindest, um Mitleid zu erregen). Sie wurde in die Psychiatrie eingewiesen, wo Hollande sie erst nach über einer Woche besuchte. An einem der Tage in der Psychiatrie habe sie trotz des Dramas einen Termin wahrnehmen wollen, schreibt sie, zu dem sie als Première Dame jedes Jahr gegangen sei. Doch das medizinische Personal hätte ihr auf Weisung des Präsidenten so schwere Schlafmittel verabreicht, dass sie nicht aufstehen konnte. Bisher wurde diese Ungeheuerlichkeit – die den strafrechtlichen Tatbestand der Körperverletzung und Freiheitsberaubung erfüllen würde – nicht dementiert.

Nicht dementiert hat Hollande auch Trierweilers Behauptung, er habe ihr nach dem Crash – und wohl auch nach dem Rückzug der neuen Geliebten – wieder gesimst, oft vielfach am Tag, um sie zurückzugewinnen. Was nur soll man von einem emotional so beliebigen und taktisch so einfältigen Staatschef halten?

Ebenfalls nicht dementieren, zumindest nicht direkt, konnte François Hollande die Behauptung seiner Ex-Lebensgefährtin, er, der sozialistische Präsident, mache sich lustig über die Allerärmsten und nenne sie les Sansdents: die Zahnlosen. Auch das erregt seit Tagen das Land.

Einer Frau wird nicht verziehen, wenn sie aus der Schule plaudert.

Trierweiler kommt aus einer kinderreichen, bitterarmen Familie. Ihr Aufstieg zur Première Dame de France muss ihr wie ein Märchen vorgekommen sein. Doch aus dem Märchenschloss wurde sie nach Bekanntwerden der Affäre ihres Lebensgefährten abrupt verstoßen. Sie durfte nach dem Aufenthalt in der Psychiatrie nicht zurück in den Élysée-Palast, stand also wohnungslos sozusagen auf der Straße. Denn sie war mit Hollande ja noch nicht einmal verheiratet, also rechtlos.

Die Mittellosigkeit von Trierweiler dürfte mit dem Bestseller über das Präsidenten-Drama zunächst einmal behoben sein. Doch wird es einer Frau erfahrungsgemäß nicht verziehen, wenn sie aus der Schule plaudert. Zumindest nicht von den Mächtigen, und das sind auch in Frankreich immer noch Männer.

Eine andere Frau jedoch müsste sich eigentlich bei Trierweiler bedanken. Es ist Marine le Pen, die Frontfrau der rechtspopulistischen Front National. Ihre Politik richtet sich: gegen Globalisierung, gegen „Überfremdung“ – sowie gegen die Korruptheit der politischen Eliten, von rechts bis links. Die Enthüllungen von Trierweiler dürften der alleinerziehenden Mutter und Juristin, die schon jetzt als Siegerin aller Sonntagsfragen da steht, weitere Stimmen zutreiben – zusätzlich zu denen der traditionellen Nationalisten jetzt auch die so mancher betrogenen, gedemütigten Ehefrau. Und das sind nicht wenige in Frankreich.

Alice Schwarzer

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