Alice Schwarzer schreibt

Drei Filme über die Sehnsucht der Frauen

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Es beginnt in „Paradies: Liebe“ mit der 50-jährigen Teresa. Die Behinderten-Betreuerin und alleinerziehende Mutter ist – oder glaubt sich – zu dick, um in ihrer Heimat noch einen Liebhaber zu finden. Sie fährt nach Kenia, denn dort, so hat sie von Freundinnen gehört, können weiße Frauen sich schwarze Lover kaufen.

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Genauer: Sie können Männer dafür bezahlen, „tatschi tatschi“ zu machen, aber Begehren lässt sich nicht kaufen. Denn Frauen haben gelernt, Begehren vorzuspielen, Männer hatten das nie nötig. Auch nicht, wenn sie so arme Schweine sind wie diese Schwarzen, die sich für ihren Lebensunterhalt prostituieren. Gekaufte Männer verachten ihre Kundinnen dafür – gekaufte Frauen werden von ihren Kunden verachtet. Seidl entschuldigt jedoch keineswegs die Sextouristinnen und verschweigt auch nicht ihre rassistischen Züge – doch er versteht sie.

Das gilt auch für Teresas Schwester Anna Maria. Die Röntgenassistentin ist in „Paradies: Glaube“ auf der Suche nach Liebe, auch ihr Paradies wird zur Hölle. Die frenetisch gläubige Katholikin liebt Jesus und will nicht nur ganz Österreich bekehren, sondern auch den eigenen Mann. Der, ein gemäßigter Muslim, sitzt seit einem Unfall querschnittsgelähmt im Rollstuhl, will sich aber nicht bekehren lassen. Das lieblose Ehepaar liefert sich tragisch-komische Schlachten in vier Wänden, bei denen er die Kruzifixe mit dem Krückstock von der Wand schlägt und sie ihn mit Weihwasser besprüht.

Die dritte im Bunde ist Teresas 13-jährige Tochter Melanie. Wie ihre Mutter hält sie sich in diesen Zeiten des Schlankheitswahns für zu dick und sucht ihr Glück in einem Diätcamp. „Paradies: Hoffnung“ ist der vielleicht traurigste, aber auch komischste Teil der Trilogie.

Ulrich Seidl hat eine ganz eigene Arbeitsmethode. Er dreht mit SchauspielerInnen und Laien und bezieht in seine Spielfilmszene das reale Umfeld mit ein, arbeitet also semidokumentarisch. Es gibt kein vorgeschriebenes Drehbuch, die einzelnen Szenen werden am Set mit den DarstellerInnen ­erarbeitet. Was das Äußerste von allen Beteiligten fordert. Doch wenn es ­gelingt, kommt eben auch das Äußerste dabei heraus. Filme, die ganz dicht an den Menschen sind, ganz dicht an ihren Hoffnungen und Ängsten – und ganz weit weg von den Moden der Filmindustrie. Seidls nächster Film ist schon im Kasten: „Der Keller“. Wir ahnen.

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