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Imane Khelif : Gold im Frauenboxen

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Imane Khelif kann nichts dafür. Sie ist vor 25 Jahren in einem südalgerischen Dorf am Wüstenrand geboren. Die Familie ist streng muslimisch, der Vater Schweißer, die Mutter Hausfrau. Wir dürfen uns das so vorstellen: Die Hebamme des Dorfes, vielleicht die Nachbarin, entdeckt an dem Kind weder einen klassischen Penis, noch Hoden. Vielleicht eine etwas groß geratene Klitoris. Die Hebamme teilt mit: Es ist ein Mädchen. Was die Eltern nicht unbedingt gefreut haben dürfte. Denn in ihrer Kultur zählen die Mädchen nur halb.

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Den Begriff „intersexuell“ (bzw. DSD, Differences of sex development, wie es heute heißt) hat die Frau, die in diesem Dorf als Hebamme fungiert, noch nie gehört. Wie sollte sie auch. Diese Fälle sind sehr, sehr selten: Dass ein biologischer Mann mit XY-Chromosomen aufgrund einer ­Testosteron-Störung nur schwach ausgebildete äußerliche Genitalien hat, dass dieses Baby also keinen Penis hat, aber dennoch männlich ist. Imane wird als „Frau gelesen“, wie man heutzutage sagen würde.

Das Kind wird größer und immer kräftiger. Es platzt vor Kraft und spielt Fußball, was die Eltern gar nicht gerne sehen und worüber die Nachbarn sich wundern. Denn das tut ein Mädchen in einem algerischen Dorf nicht. Schließlich wird sie, so erzählt sie es selber in Fernseh-Interviews, aufgrund ihrer geschickten Bewegungen von einem Boxer entdeckt. Imane beginnt zu boxen. Das hat gerade noch gefehlt. Boxunterricht kann sie nur im nächsten Städtchen nehmen, aber die Familie gibt ihr kein Geld für den Bus. Imane hat schon gelernt zu kämpfen. Sie verkauft gesammelten Schrott, um damit den Bus bezahlen zu können.

Inzwischen hat sie eine „männliche Pubertät“ durchlaufen, wie es der vom Spiegel interviewte schwedische Physiologe Tommy Lundberg formuliert. Für ihn ist sowohl bei Intersexuellen wie bei Transsexuellen das entscheidende Kriterium: die Pubertät. Entwickelt der Körper sich in dieser Phase „männlich“ oder „weiblich“? Imanes Körper hat sich männlich entwickelt, sehr männlich. Auch Lundberg findet es falsch, dass man Imane in einer Kraftsportart wie Boxen bei Frauenwettbewerben zulässt. Denn ihr Körper ist unübersehbar männlich. Imane kommt, dank ihrer Konstitution, sehr schnell voran im Frauenboxen. Von 50 Wettkämpfen gewinnt sie 41.

Am 9. August 2024 dann Imanes finaler Triumph. Vor 14.000 ZuschauerInnen, in großer Zahl jubelnde AlgerierInnen, schlägt sie die chinesische Weltmeisterin und gewinnt Olympia-Gold. Großer Jubel. Vor allem in ihrer Heimat Algerien, wo im 21. Jahrhundert ein steigender fundamentalistischer religiöser Druck Mädchen und Frauen wieder unter das Kopftuch zwingen will.

„Ich bin sehr stolz auf das, was ich erreicht habe. Ich habe alles gegeben, was ich hatte.“ Das hatte Imane nach dem Viertelfinale erklärt. Ihre Gegnerin Angela Carini hatte bereits nach 46 Sekunden aufgegeben. „In diesem Moment musste ich auch mein Leben schützen“, sagte Carini nach dem Kampf. So wuchtig waren Khelifs Schläge. Denn Imane ist nicht nur rein körperlich einer Frau überlegen, sie scheint auch besonders wütend zu sein. Mit Grund.

Was will man eigentlich von ihr? Erst will man ihr im Namen des Frauseins das Fußballspielen und das Boxen verbieten. Und jetzt soll sie auf einmal gar keine Frau sein und darum nicht gegen Frauen boxen dürfen? Zumindest nicht in Frauen-Wettbewerben, weil ihr Körper Frauen weit überlegen ist. Und ihre Wut.

Nach einer beginnenden Karriere als Boxerin war sie bei der Box-Weltmeisterschaft 2023 vom Internationalen Boxverband (IBA) ausgeschlossen worden. Man hatte herausgefunden, dass Khelif keinen XX-Chromosomensatz, sondern XY-Chromosomen hat, also biologisch ein Mann ist. Ein Jahr später entschied das Olympische Komitee (IOC) anders. Zum Bedauern nicht nur der Tennis-Legende Martina Navratilova. Die erklärte: „Die Frau verliert so oder so. Wenn man kämpft, kann sie sich schwer verletzen. Oder sie kämpft aus Protest nicht, und viele Jahre des Trainings sind verloren. Es ist zum Kotzen! Und das ist das Olympische Komitee schuld.“ Und die deutsche Box-Weltmeisterin Regina Halmich sagte nach dem Kampf gegen Carini auf Instagram: „Lasst den Scheiß!“

Nicht nur der Physiologe Lundberg sieht das kritisch. Er ist irritiert über die „ungenügenden Kriterien“ des IOC, die aus seiner Sicht keinen „ausreichenden Schutz für Frauen“ bieten. Ohne die aktuell im Westen tobende Transideologie hätte das in seinen Statuten neuerdings sehr woke tönende Olympische Komitee („weiblich gelesen“ etc.) vermutlich auch nicht so entschieden und wäre der Fall nicht eskaliert. Doch in Ländern wie Deutschland kann dank der neuen Transgesetze von nun an jeder Mann – und vice versa jede Frau – zum Standesamt gehen und schlicht erklären: Ich fühle mich als Frau, ergo bin ich eine Frau. Rückfragen oder gar Zweifel bei Strafe gesetzlich verboten. Und nach einem Jahr könnte er erneut zum Standesamt gehen und erklären: Ich bin wieder ein Mann. Und so weiter und so fort. Je nach Feeling bzw. Vorteilen der jeweiligen Geschlechtszugehörigkeit.

Aber der Fall Khelif liegt anders. Imane ist nicht transsexuell. Sie ist intersexuell, also sozial als Mädchen aufgewachsen – doch der Körper hat nicht mitgespielt. Sie ist in der Pubertät körperlich eindeutig männlich geworden. Hier ist ein Mensch also zwischen die Räder der Geschlechterschubladen geraten. Dennoch: Nachdem Imane nach der Pubertät so männlich geworden ist, hätte sie von Frauenwettkämpfen, in denen die körperliche Kraft entscheidend ist, ausgeschlossen werden müssen. Das ist eigentlich selbstverständlich. Und auch die Auffassung von Physiologen wie Lundberg.

Trotz alledem freut sich Imane natürlich über das erkämpfte Olympia-Gold. Und ganz Algerien freut sich mit. Auch meine feministischen algerischen Freundinnen. Ausgerechnet das Land, das im Alltag so strikt zwischen Männern und Frauen unterscheidet, jubelt. Zweimal Gold für Algerien! Nationalstolz geht anscheinend über Fairness zwischen den Geschlechtern.  

 

 

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