Alice Schwarzer schreibt

Und der Sexismus? Merkt das jemand?

Berlin 2.2.2025: Mindestens 160.000 demonstrieren gegen das geplante restriktive Asylgesetz und Rassismus. Foto: Imago/Achille Abboud
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Es war am 20. Januar in seiner zweiten Antrittsrede, im Vorraum, vor Fans. Hinter ihm klatschte Vize J.D. Vance – Im Auge behalten! Der Präsident ab 2028? – mehrfach höflich, um anzudeuten, der frisch gekürte Präsident solle nun endlich zum Schluss kommen. Aber der dachte nicht daran. Er schwadronierte weitschweifig, wie sehr man ihm Unrecht getan habe, und dass man nun schon sehen werde, was für ein ganzer Kerl er sei.

Gegen Ende seiner Rede wandte Trump seinen Kopf kurz zu der rechts von ihm, leicht nach hinten sitzenden Melania. Die präsentierte sich, elegant wie immer, mit einem nachtblauen Wagenradhut mit weißem Band. Sie hätte den Kopf nur ganz leicht senken müssen, um ganz hinter dem Hut zu verschwinden. Doch selbst das konnte sie nicht schützen vor dem, was jetzt kam.

Donald Trump: Du schaffst das, Darling, es sind ja nur 500 Meter!

Trump lobte via Mikrophon seine „Melania Darling“. Wofür? Dafür, dass sie es trotz ihrer wehen Füße noch geschafft hatte, auf ihren Highheels bis hierher zu kommen. „‘Du schaffst das, Darling. Es sind ja nur 500 Meter!‘, habe ich zu ihr gesagt.“ Und Darling schaffte es. „Großartig!“

Es ist zu befürchten, dass es dem Ehemann selbst nicht klar war, welches Ausmaß an Herablassung der selbsternannte Heilsbringer Amerikas und Retter der Welt seiner First Lady damit öffentlich zumutete.

Ist das das öffentlich an der Spitze der Weltmacht eingeleitete Ende der Gleichberechtigung der Geschlechter?

Die Clintons waren anno 1992 noch angetreten mit dem Wahlslogan „Two for one“. Wählen Sie einen und Sie kriegen zwei (wie sehr Bill später Hillary und deren feministischen Freundinnen demütigen würde, war da noch nicht klar). Bush senior und junior präsentierten die traditionelle, respektable Ehefrau an ihrer Seite. Die Obamas sprachen es nicht aus, aber auch sie waren wieder „Two for one“, ein gleichberechtigtes Ehepaar an der Spitze des Staates (und sie würde sich nie so demütigen lassen von ihm, das war klar). Das Ehepaar Biden war dann noch einmal das Bush-Modell. Nun also Trump. Während er mit Siebenmeilenstiefeln die Welt durchmisst, lobt er seine Frau dafür, dass sie es geschafft hat, 500 Meter zu gehen. Größer könnte die Verachtung nicht sein.

Derweil ließ Mark Zuckerberg, einer der Kings des Silicon Valley, verlauten, er wünsche sich „mehr männliche Energie“ in den Konzernen. Zuckerberg war vor 20 Jahren als Softie und Nerd gestartet und ist heute der Herr von Meta (Facebook, Instagram und Whatsapp) mit 70.000 Angestellten. Er habe seine Meinung revidiert, plauderte er im Januar in einem Podcast, seit er Kampfsport mache. Die Wahl von Kämpfer Trump im November dürfte die Meinung bei Zuckerberg befördert haben, „mehr männliche Energie“ müsse her – was immer das sein mag. An Frauen jedenfalls, und seine Ex-Führungskraft Sheryl Sandberg zum Beispiel, denkt man dabei nicht spontan.

Trumps Inauguration mit "Lob" für die First Lady für das Laufen auf hohen Schuhen.
Trumps Inauguration mit "Lob" für die First Lady für das Laufen auf hohen Schuhen.

War’s das also? 50 Jahre wütender und stolzer Kampf für die Emanzipation der Frauen – und schon ist es wieder da, das Patriarchat. Krude und offen.

Wie konnte das passieren?

Selbstverständlich ist es eine Illusion zu glauben, man könne 5.000 Jahre Patriarchat innerhalb von 50 Jahren abschaffen. Schließlich ist das zwar mehr als ein halbes Menschenleben, aber doch nur ein Wimpernschlag in der Menschheitsgeschichte. Denn die Strukturen und Sitten, die verändern sich langsamer als die Gesetze. In uns Frauen stecken noch unsere Mütter und Großmütter, ja Urgroßmütter, und in den Männern die Hausherren und Patriarchen.

Aber wir haben doch an den Fortschritt geglaubt – und in der Tat zunächst sehr viel erreicht. Doch dann fielen auf unserem langen Marsch zur Gleichberechtigung ab Anfang der Nuller Jahre unsere Enkelinnen zurück, auf ihren Highheels und mit ihren schwach gehungerten Körpern. Sie ließen sich wieder mal einreden, unser Kampf sei nur ein „Nebenwiderspruch“ und längst überholt. Auch sei das Gendern mit Unterstrich und Sternchen wichtiger als der Widerstand gegen die Männergewalt und für zum Beispiel eine humane Rente auch für Frauen. Und überhaupt: „Frauen“ gäbe es doch gar nicht mehr, eine Frau könne jeder Mensch sein. Frauen seien nichts als „Menschen mit Uterus“ bzw. Flintas (ein Sammelbegriff für: „Frauen, Lesben, Intersektionelle, Nichtbinäre, Trans und agender Personen“ - also alles, außer Männer). Das jedenfalls verkündet die woke Ideologie, die an den Universitäten grassiert, kräftig gefeatured von linken und liberalen Medien.

Die Amerikanerinnen hatten 2024 also die Wahl zwischen Pest und Cholera, zwischen einem enthemmten weißen Macho und einer woken schwarzen Frau. Bei ihm wusste man, woran man war. Bei ihr auch. Mit ihrer Zustimmung zu der abstrusen Transideologie hatte die einstige Feministin den Schutz und die Rechte von Frauen verraten. Wen also wählen? So manche amerikanische Feministin ging gar nicht erst zur Urne.

Die Frauen allerorten haben die Wahl zwischen Pest und Cholera

Ganz ähnlich ist die Lage in Deutschland, wenn auch (noch?) nicht so krass. Auch hier haben wir Frauen die Wahl zwischen den woken Grünen einerseits (mit den ihnen beflissen folgenden Sozialdemokraten im Schlepptau) und den gestandenen Mannsbildern der Konservativen andererseits. Ganz zu schweigen von der Perversion einer rechten Macho-Partei, an deren Spitze eine bekennend lesbische Frau steht.

Bis Ende des 20. Jahrhunderts waren die Frauen der westlichen Demokratien in der Offensive (gleichzeitig rüsteten die alarmierten Männer in den autokratischen und islamischen Ländern auf). Doch nun hängen unsere Töchter und Enkelinnen (zwischen 12 und 17 Jahren) tatsächlich zweieinhalb Stunden täglich an den gebotoxten Lippen der Influencerinnen, die ihnen für Konsum und äußerliche Selbstoptimierung „Glück“ versprechen.

Noch alarmierender sind die Ergebnisse der aktuellen Shell-Jugendstudie: Die Ansichten der jungen Männer und Frauen zwischen 15 und 25 zur sogenannten „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, also zur Berufstätigkeit von Frauen, sind erschreckend unterschiedlich und rückständig. 45 Prozent aller jungen Männer wollen Vollzeit arbeiten, aber nur sechs Prozent der jungen Frauen. (Von einer voll berufstätigen Frau träumen auch sechs Prozent aller Männer. Das passt immerhin.) Die jungen Frauen wollen zu 43 Prozent halbtags arbeiten, was nur 13 Prozent aller jungen Männer anvisieren. Kein einziger Mann will „gar nicht“ berufstätig sein, aber jede zwölfte Frau. Das Ideal – eine 30-Stunden-Woche für Männer und Frauen, solange die Kinder schulpflichtig sind – kommt kaum vor, nicht einmal in den Zukunftsträumen der Jugend von heute. Im Gegenteil: Das Lebensmodell ihrer Großeltern ist wieder angesagt.

Was auch das Resultat eines von innen ausgehöhlten Feminismus ist. Dem könnte der patriarchalische Rammbock von außen jetzt mit einem leichten Stoß den Rest geben. Denn es ist nachvollziehbar, dass Männer einen „Feminismus“, der Frauen als „Menschen mit Uterus“ bezeichnet und das Gendern mit Unterstrich und Sternchen wichtiger findet als eine echte Gleichberechtigung für Frauen, nicht ernst nehmen muss. Während die sogenannten „Neofeministinnen“ sich so selber marginalisieren, verteilen die Männer Wissen, Geld und Macht. 

Frauenrechte und Gleichberechtigung? Kaum Thema in diesem Wahlkampf.

ALICE SCHWARZER

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