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Elke Fett: „Gell, `s Leben is wieder da!“

Um ihren „Duftschmankerl“-Stand zu bekommen, schrieb Elke Fett alle zehn Tage an die Stadtverwaltung. - Foto: Thomas Dashuber
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So, Frau Fett, dann wollen wir mal. Ganz locker, Sie können es sich danach ja nochmal anschauen, das Interview.
Will ich gar nicht. Wenn ich was erzähl, dann können Sie das schreiben. Wie Sie das dann schreiben, ist Ihr Problem. Und wenn mir es nicht passt, ist es mein Problem.

Wir fangen in Ihrem Leben ganz vorne an.
Geboren bin ich 1944 in Bregenz am Bodensee. Da hab ich meine ersten 20 Jahre verbracht. Mein Vater war auf Märkten unterwegs, mit Gemüsehobeln, sowas in der Art, meine Mutter hatte ein Kiosk. Ich hab die Matura gemacht, dann lernte ich meinen Mann kennen, in Lindau in einer Disko. Den wollt ich unbedingt, den hab ich auch gekriegt. Mit dem bin ich dann nach Braunschweig, da war er Niederlassungsleiter in einer Firma für Industriereinigungsanlagen. Weil ich noch nicht wusste, was ich werden wollte, machte ich ein Praktikum bei der Braunschweiger Zeitung, daneben war ein Buch­laden. Da hab ich meine gesamte Freizeit verbracht. So interessante Leute! Mich quatscht man ja überall hin. Schönheit bringt’s bei mir nicht, sondern ­Intellekt und Quatschen. Als der alte Buchhändler aufgehört hat, hab ich dort mit einem Geschäft für Teenagermode angefangen. Ich war so erfolgreich, dass mein Mann irgendwann bei seiner Firma ­aufgehört hat und bei mir eingestiegen ist.

Welche Talente braucht man, wenn man ein Geschäft führt?
Man muss entschlusskräftig sein und kreativ im Kopf, was anderes zulassen. Und ein Augenmensch muss man sein. Die Optik eines Geschäfts, eines Stands ist das Allerwichtigste. Es geht alles über die Seele, übers Gefühl, über die Sinne. Auf dem Markt erlebe ich das immer wieder. Die Leute kommen, schaun, laufen vorbei, kommen zurück. Man merkt, wie es bei denen rattert. Die kommen das dritte Mal, dann sag ich: Simmer wieder hier gelandet! Dann sagen die: Sie harn den schönsten Stand. Dann sag ich: Manche brauchen ein bisschen länger, um’s zu kapieren. Ich bin halt auch ein bisschen zynisch-bös, weil das macht’s auch aus. Die müssen mich als Marktfrau aushalten.

Das ist ja wie in der berühmten Münchner Bar „Schumann’s“, wo der Chef auch manchmal grob mit den Gästen umspringt.
Viele suchen das, ohne dass sie es wissen. Ich kann aber auch wahnsinnig charmant sein. Ein Sahnestückchen, wenn es vorbeigeht, egal welchen Alters …

Machen Sie dann ein Kompliment?
Aber selbstverständlich.

Was sagen Sie?Bis jetzt haben Sie den schicksten Hund! Oder: Ihre Schuhe sind nicht von der Stange. Oder: Ein Friseur wär aber mal nötig!

Ohne, dass Sie die Leute kennen?
Ja klar, ist doch Markt.

Wenn ein Mann einer Frau sowas sagen würde …
Gibt’s ja nicht mehr. Die Kerle haben ja alle Schiss.

Was machen Sie, wenn ein Mann Ihnen am Stand Komplimente macht?
Dann sag ich: Endlich hat’s mal einer erkannt!

Kann man das Äußere auch zur Verkaufsförderung einsetzen?
Ich setz alles ein, wenn es um mein Geschäft geht. Immer schon. Ich bin ja eine Ur-Grüne, war zwar nie in der Partei, aber habe mit der Jutta Ditfurth Demos gemacht. Damals war Tschernobyl, mir war ganz klar, ich bin fürs Leben. Das war am ehesten in den Broschüren von den Grünen zu finden. Ich hab dann immer einen Infotisch in Obergiesing gemacht, auf meinem ersten Flugblatt stand: Wie können Sie Strom sparen im Haushalt? Wenn ich da im Dirndl hin bin, haben mir die Kerle in den Ausschnitt geschaut und mit mir geredet. Ich war mal eine spannende Frau!

Sind Sie noch!
Wenn ich aber in meinem Lotterpulli hin bin, dann ham’s g’sagt: Statt Infostand gehst lieber arbeiten. Das Äußere macht viel aus.

Auch bei Männern?
Klar! Da kommen halt die Weiber. Zum Klaus Witte zum Beispiel, dem Weiberer von Fisch Witte.

Wieso Weiberer?
Der ist halt der schönste Mann auf dem Viktualienmarkt. Macht was aus. Find ich, gehört auch dazu.

Täuscht es, oder sind die Umgangsformen am Markt etwas handfester als draußen?
Tausend Prozent. Wir sind einfach nah am Leben. Da passiert alles. Da kannst du auch heulen. Dann nimmt dich einer in den Arm.

Die politische Korrektheit hat noch nicht Einzug gehalten?
Die, die das jetzt einführen wollen, die tun sich schwer, die Jungen.

Gibt’s da welche?
Gab es schon. Auch unsere Kommunalreferentin hat das drauf. Aber die prallt ab bei uns.

Womit kommen die Jungen daher?
Reden und nichts sagen. Das Übliche. Man redet und redet und denkt: Komm doch endlich zum Punkt, kannst du dir alles sparen, den Schmarrn. Sag, was willst, und dann sag ich dir, ob ich will oder nicht.

Mögen Sie es, wenn Kunden mit Ihnen plaudern wollen, egal, wie viel andere dahinter warten?
Die Ratscher. Die kriegen bei mir sofort ihr Fett weg. Da sag ich: Siehste, was hier los ist? Ich brauch’s Geld in der Tasche, und dein Schwätzen kannst du dir sparen. Oder wenn einer gar nicht weiß, was er will, sag ich: In der Zeit, wo du jetzt hier aussuchst, kauf ich ein Haus. Es liegt alles am Standler. So wie der Standler ist, so ist die Kundschaft.

Wenn einer handeln will?
Sag ich: Wissen’s was, wir drehen den Spieß um. Ich nehm Trinkgeld. Dann schauen sie erst, und dann runden sie manchmal das Zehnerl auf.

Auf dem Markt treffen sich viele Nationalitäten. ­Welche ist Ihnen die liebste?
Den Trump habe ich ja gehasst. Aber ich liebe die Amis. Wir alle lieben sie. Weil der Dollar steht so gut. Das Geschäft machen wir im Moment nur mit Amis. Auch während der Wiesn: nur Amis. Die Italiener sind so laut, bis die einen Artikel rausgesucht haben, haben schon zehn Familienmitglieder mitgeredet, und dann wird er noch fünfmal umgetauscht. Dann gibt es die, die nie was finden. Die Schweizer. Oder die, die nur Fotos machen: Chinesen. Die Amis kaufen schnell. Die kaufen nicht eines, sondern sagen: ten oder twenty. Ohne die wären wir jetzt am Arsch, die ganze Stadt.

Um wie viel Uhr öffnen Sie Ihr Standl?
Um zehn. Früher lohnt sich nicht. Die Touristen nützen da noch ihre teuren Hotelzimmer aus, das schöne Frühstück.

Wann müssen Sie dann aufstehen?
Ich kenne meine Zulieferer und die Leute, mit denen ich arbeite, schon so lange. Das läuft. Da reicht es, wenn ich um neun aufstehe. Ich bin nachts aber auch lange wach. Ich mag den Schlaf nicht. Wenn andere erzählen, ich hab Schlafstörungen, denk ich: Du bist so bescheuert, ich bin froh, wenn ich nicht schlaf. Ich bin wach.

Und was machen Sie abends?
Ich lese jetzt grade zum dritten Mal das Buch „1913“ von Florian Illies. Ich liebe es!

Was gefällt Ihnen daran?
Alles! Ich mag diese ganze Kunstszene, die Schreibenden, die Intellektuellen, der Viktualienmarkt kommt auch darin vor!

Ja?
Ja, der Hitler war da! Hat immer den Markt gemalt. 1913 ist er ja nach München gekommen. Ich lese immer wieder in dem Buch. Wenn ich ein bisschen Zeit hab, setz ich mich in meinen Lieblingssessel, Eierlikörchen, und dann denk ich, nehm ich mir heut den Juni vor, aber eigentlich ham wir Oktober, also les ich den Oktober.

Ich mag das Buch auch, weil es einerseits so ein bisschen Klatsch ist  …
Illies ist Klatsch, aber mit Fakten!

Und die Atmosphäre …
Da steh ich drauf! Ist wie Markt! Aber viel höher angesiedelt.

Man spürt im Buch aber auch, was 1913 am Horizont dräute.
Der Krieg. Spürt man jeden Tag. Das ist ja auch das, was mir so gut tut, dass ich mir denke, so viele Leute haben schon Kriege überlebt, meine Oma zwei. Ich meine, wir werden das, was jetzt ist, auch überleben.

Bekommen Sie denn mit, wie die Stimmung im Land ist?
Klar. Auf dem Markt sind ja alle da. Die, die mit dem Butterbrot kommen, und die mit dem Chauffeur. Wenn man jetzt hier rumfragen würde, hat jeder ein kleines Angstgefühl. Vor allem vor dem Atomkrieg. Ich kenne nur fünf, die sagen, mir alles scheißegal, ich tanke und fresse und mache weiter wie bisher. Die wohnen im „Seven“, dem Münchner Luxusturm.

Ihr Stand bietet einen angenehmen Kontrast zur Gegenwart, alles so hell!
Ich mag alle Farben, solange sie schwarz oder weiß sind. Am Stand: nur weiß. Aber wenn es weiß sein soll, muss es auch weiß sein – und nicht grau.

Die Stände müssen also gepflegt sein.
Auf jeden Fall. Jeder Stand hat irgendwann so Gruschelecken. Da geh ich dann immer vorbei und nörgel. Das ist nicht gut für meine Augen. Der Markt darf keine Gruschelecken haben. Da geht es ums Gesamtbild.

Sie motzen dann die Leute an?
Erst mal geh ich hin, persönlich, und sag: Das sieht jetzt schon scheiße aus. Ich biete aber auch meine Hilfe an. Meistens ist da irgendwas im Busch, privat. Wenn du ne private Geschichte hast, dann sind dir irgendwelche Kisten wahrscheinlich gerade scheißegal. Und die Mäuse auch. Dann braucht man Hilfe. Drum ist man aufm Markt.

Die Marktleute konkurrieren zum Teil um dieselbe Kundschaft. Freut man sich da nicht auch ein bisschen, wenn es beim anderen nicht läuft?
Nie! Konkurrenz belebt unser Geschäft. Die Metzgerzeile geht doch nicht umsonst so gut. Wär da nur ein Metzger, würde er nicht gehen. Aber weil es neun nebeneinander sind, geht jeder. Das heißt aber auch für jeden, dass er nie einschlafen darf.

Hatten Sie selbst schon eine Phase, in der es Ihnen nicht so gut ging?
Ja. Corona. Ich durfte ja mein Standl nicht auf­machen, konnte meine Mitarbeiter dann trotzdem bezahlen, aber es war katastrophal. Ich bin vereinsamt.

Was haben Sie ohne Markt gemacht?
Frust. Irgendwann hab ich einen Termin beim Zahnarzt gemacht, drüben im Bayerischen Hof. Nur damit ich rauskomme. Schon beim Rüber­gehen musste ich heulen, weil kein Mensch auf der Straße war, alle Läden zu. Für eine Marktfrau ist das ganz schlimm. Ich bin halt ein Kriegskind und ein Nachkriegskind, bin gewohnt, dass man aus nix was macht. Aber wenn man nicht darf? Ich hab mir gedacht: Jetzt bin ich alt, jetzt ist’s vorbei. Es kam anders. Ich freu mich wahnsinnig. Alle freu mer uns. Wir laufen rum und schauen uns an: Gell, ’s Leben is wieder da! Das erste große seelische Highlight nach Corona waren diesen Sommer die European Championships in München, da bin ich dran gesundet. Junge Leute, alle zaundürr, würden durch den Gulli passen, aber die haben alle diese Jugend ausgestrahlt, nix Rollator. Ich bin schon ne halbe Stunde zu früh am Standl gewesen, ich bin länger geblieben – ich war glücklich!

Machen Sie auch mal Urlaub?
Zwischen Dreikönig und Aschermittwoch, da ist es kalt und tot.

Vermissen Sie in der Zeit den Markt?
Erst mal gar nicht. Weil dann ist die stressigste Zeit, Weihnachten, vorbei, dann bin ich unterwegs, dann lass ich’s krachen. Alter Spruch am Markt: Wenn nichts reinkommt, muss was raus!

Skifahrerin sind Sie aber nicht?
Nicht mehr. Zu gefährlich. Après-Ski mach ich noch.

Gastronomie wäre nichts für Sie?
Um Gottes Willen! Da sitzen immer die Gleichen und sind besoffen. Ich kann nur nüchterne Leute ertragen, die ihren Geist im Griff haben, oder ihren Nicht-Geist, ist mir auch recht, kann einer strohdoof sein, aber er soll sein, wie er ist. Besoffen schaff ich nicht. Da geh ich lieber selber einen saufen.

Sie müssen noch erzählen, wie Sie von der Teenagermode zum Markt gekommen sind.
Das ist eine traurige Geschichte. Mein Mann lernte nach fast 20 Jahren Ehe jemanden kennen, ein Mädchen, jünger als unsere Tochter. Ich kam drauf durch den BMW-Händler. Als ich das Auto abgegeben hab, hat der mir gesagt: Also ich muss Ihnen sagen, wie Ihr Mann mit Ihrer Tochter zurechtkommt, das muss er mir mal erklären, weil ich hab mit meinem Teenager daheim nur Stress. Dann sag ich: Unsere Tochter ist grad in Spanien. Dann war das also dieses junge Mädchen. Irgendwann hab ich dann zu meinem Mann gesagt, weißte, wir müssen jetzt reden. Du lebst das jetzt aus. Ich geb dir genau ein halbes Jahr. Das ist wie ne schwere Grippe, dachte ich, die geht vorbei. Wir hatten tolle Jahre. Er war meine große Liebe. Drum hab ich auch den Namen behalten, Fett. Ein halbes Jahr lang hab ich ihm gezeigt, wie toll ich als Frau bin, hab nie geheult, keine Szene ­gemacht. Er hat jedes Wochenende mit ihr eine andere Weltstadt besucht. Und ich immer die ­Abrechnungen von American Express bekommen. Nach einem halben Jahr sagte er: Ich lieb euch ­beide. Da hab ich gesagt, dann müssen wir uns trennen. Kein Mensch ist das Eigentum des anderen. Wenn das sein Leben ist, dann ist es seins.

Wie sind Sie dann nach München gekommen?
Ich hab meine Modeläden, inzwischen drei, verkauft, und das Geld mit ihm geteilt. Ich hatte eine Freundin in München, eine Goldschmiedin, der half ich bei einer Ausstellung. Ich bin ein Augenmensch, ich kann sowas. Dann ham wir das gemacht – und dann kommt da ein Typ zur Tür rein, und ich denk: Wahnsinn! Und ruf meine Tochter an, und die sagt zu mir, du bist ne anständige Frau, du gehst heute heim. Aber ich wollt ihn abschleppen, unbedingt. Da sagt die: Du gehst heim. Dann bin ich wirklich heimgefahren, nachts um vier aber erst, und am nächsten Morgen waren wir schon zum Frühstück verabredet. Das war mein zweiter Ehemann, ein Richter.

Was ist aus dem geworden?
Der ist fremdgegangen. Da hab ich zu ihm gesagt, du hörst auf, oder ich gehe. Da sagte er: Wo willst denn du hin! Dir geht’s doch so gut bei mir. Ich: Du wirst dich wundern. In der Zeit hab ich halbtags noch beim Philologenverband gearbeitet.

Beim konservativen Philologenverband? Passt gar nicht zu Ihnen.
Die haben immer gesagt, wegen mir hänge das Schild vorne am Gebäude links etwas runter, weil ich habe damals eingeführt, dass auch die Leute, die mit dem Radi kommen, Kilometergeld kriegen. Ich hab da die Buchhaltung gemacht, die hatten so viele Tote in ihrem Mitgliederstamm – und so viele Beitragsaußenstände, über eine Million Markl, und nach eineinhalb Jahren haben die alle gezahlt, bevor die Fett ständig bei ihnen anruft. Wir hatten dann eine Million Guthaben – ich bin halt ne Kauffrau.

Wann entstand der Wunsch, auf dem Markt zu arbeiten?
Den gab es immer schon. Als ich noch meine Textilläden hatte, waren wir immer zur Münchner Modewoche hier. Einen Nachmittag saßen wir dann immer im Biergarten am Viktualienmarkt. Und immer hab ich gesagt zu meinem Mann: Fahr du schon mal, ich bleib noch einen Tag. Der hat immer gesagt, mach kein Theater, komm mit. Ich: Bitte lass mich noch einen Tag hier, nur noch einen Tag. So ein, zwei Jahre durfte ich dann einen Tag länger bleiben, nur am Markt, um die Atmosphäre zu genießen.

Wollten Sie überhaupt auf einen Markt oder speziell auf den Viktualienmarkt?
Nur auf den. Gibt kein anderen.

Die Kleinmarkthalle in Frankfurt finde ich kulinarisch höherstehend.
Da gibt es Tausende, die höherstehend sind, aber das Gefühl, die Lage, diese ganze bayerische Art, das gibt es nicht nochmal.

Wurde Ihnen denn mal unter die Nase gerieben, dass Sie keine Bayerin sind?
Total. Als ich anfing, 1994, hab ich gedacht, die sind ja so rechts hier, so kleinkariert gegenüber allen, die nicht in München geboren sind. Aber wenn du dir die Mühe machst, da reinzusteigen, merkst du, dass das so liebevoll gemeint ist. Das hat nichts mit rechts zu tun. Das ist bayerisch, und die sind halt stolz darauf. Ich habe ja dann auch immer zu allen gesagt, ihr hier müsst froh sein, dass ihr die Italiener hattet, sonst würdet ihr heute noch in die Ecken scheißen, denn die Italiener haben den Bayern die Toiletten in ihre Schlösser gebracht.

Sie und Beamte, das scheint wie Feuer und Wasser.
Ich glaube, die sind alle ein bisschen neidisch auf uns Marktleute.

Warum?
Weil wir ein freies Leben haben und Geld verdienen.

Jetzt noch mal zu Ihrem Stand.
Ich wollte den Job beim Philologenverband loswerden – und meinen zweiten Mann. Ich wusste, es gibt nur eines, bei dem ich Geld und Leidenschaft verbinden kann: am Viktualienmarkt. Mit Fisch, Blumen oder Käse – scheißegal, ich wollte dahin. Also per Hand einen Brief ans Rathaus geschrieben und beim Pförtner abgegeben. Drei Monate lang hab ich das gemacht, alle zehn Tage, dann kam ein Anruf von der Verwaltung: Ich solle mal vorbeikommen. Auf dem Markt gebe es einen Platz, seit 20 Jahren würden dort Fahrräder abgestellt, aber früher sei dort ein Standl für Trockenblumen gewesen. Wenn, dann müsse ich dort auch Trockenblumen verkaufen. Hab dann erst mal nachgelesen, was das überhaupt ist, bin zum Großhändler gefahren und hab einen Tapeziertisch auf der mir zugewiesenen Fläche aufgestellt. Am ersten Tag hab ich vielleicht 80 Markl verdient. Am Samstag drauf hat’s geregnet, weiß ich noch wie heute, der FC Bayern hat gespielt. Morgens um fünf bin ich in die Blumenhalle auf dem Großmarkt gefahren und seh da frischen Hopfen. Ich denk, wunderbar, den kann man trocknen, kann man Tee damit machen und Kissen. Mit Fahrrad und einem Anhänger bin ich dann mit zehn Müllsäcken voller Hopfen zum Markt. Bei Regen ohne Schirm hab ich auf ein Plakat geschrieben: frischer Hopfen aus der Holledau, 5 Markl der Strauß, gegen Hexen, Vampire und für einen guten Schlaf. Mittags um halb zwölf hatte ich weit über 1.000 Markl in der Tasche, das Wasser lief mir aus der Unterhose. Als ich dann mit Radi und Anhänger heimgefahren bin, hab ich geheult wie ein Schlosshund, vor Freude.

Wie viel verdienen Sie heute?
Dazu eine kleine Geschichte: Irgendwann bin ich auf dem Markt meinem zweiten Mann, dem Richter, übern Weg gelaufen. Man muss wissen: Ich hab auf den Unterhalt verzichtet, wollte mich nicht aushalten lassen von nem Kerl. Er fragte: Wie geht’s dir denn so? Ich hab ihm geantwortet: Super! Das, was du im Monat verdienst, hab ich jetzt jede Woche.   

Das Gespräch führte Timo Frasch, es erschien zuerst im FAZ-Magazin.

 

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