Layla: Keine Geschmacksfrage!

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Die gute Nachricht zuerst: Inzwischen haben eine ganze Reihe Menschen verstanden, dass es nicht witzig ist, wenn Frauen in Liedtexten als „geiles Luder“ besungen werden. Und dass es sexistisch ist, wenn in einem Lied ein Zuhälter in „seinem Revier“ zwei Jungs seine „Puffmama Layla“ vorstellt („schöner, jünger, geiler“). Weil Prostitution eben auch nicht witzig ist, sondern für Zehntausende Frauen in Deutschland blanke Gewalt.  

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Die Stadt Würzburg fand, dass dieser Ballermann-Hit auf dem Kiliani-Volksfest nichts zu suchen hat, und auch der Düsseldorfer Schützenverein St. Sebastianus, Veranstalter der Rheinkirmes, ließ sich von der Gleichstellungsbeauftragten Elisabeth Wilfart überzeugen, dass „Layla“ dort besser nicht gespielt werden sollte. Jetzt erklärte sogar der Sprecher der Oktoberfest-Wirte, Peter Inselkammer, dass das Lied auch auf der Wies'n nicht gespielt werden solle. "Wir Wirte sind uns da alle einig."

DJ Robin: Die Puffmutter passt auf die Prostituierten auf und leitet den Puff

Dass DJ Robin (Foto links) und sein Gesangspartner Schürze, zwei pausbäckige Jungs mit gegelter Igelfrisur, so gar nicht verstehen, was an ihrem Song verkehrt sein soll, verwundert nicht weiter. „Es geht bei dem Song nicht um eine Prostituierte, es geht um eine Puffmutter. Die passt auf die Prostituierten auf und leitet den Puff. Daher kommt in dem Lied kein Sexismus vor“, kommentiert DJ Robin, der im Musikverein seiner schwäbischen Heimatstadt Ditzingen zunächst Trompete spielen lernte und dessen musikalischer Weg ihn sodann in den „Bierkönig“ am Ballermann führte. Wir empfehlen DJ Robin einen Blick auf die Website „Die unsichtbaren Männer“, wo er anhand von Zitaten aus Freierforen viel über Sexismus in Bordellen lernen kann.

Die wirklich schlechte Nachricht ist aber die: Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat sich auf Twitter in der Causa „Layla“ geäußert. Seinem Tweet entnehmen wir, dass er Sexismus für eine Geschmacksfrage hält. „Man muss Schlagertexte nicht mögen“, schreibt Buschmann. „Man kann sie sogar doof oder geschmacklos finden. Sie aber behördlich zu verbieten ist, finde ich eins zu viel.“

Könnte bitte mal jemand dem Justizminister erklären, dass a) Prostitution in immer mehr Ländern als Gewalt gegen Frauen betrachtet wird und b) Sexismus eben keine Frage des Geschmacks ist? Es würde ja auch niemandem einfallen, einen rassistischen oder antisemitischen Text zur Geschmackssache zu erklären. Kollegah hat wegen sowas seinen „Echo“ entzogen bekommen – zu Recht.

Würzburg ist da schon weiter. Die Stadt hatte schon im Sommer 2021 beschlossen, dass bei städtischen Veranstaltungen Lieder „mit rassistischem und sexistischem Inhalt nicht gespielt werden sollen“. Auslöser war die Debatte um das „Donaulied“ gewesen. In dem über 100 Jahre alten Lied, das noch heute zu den Bierzelt-Krachern gehört, wird begeistert die Vergewaltigung einer Schlafenden besungen („Ich machte mich über die Schlafende her, Ohohoholalala, Sie hörte das Rauschen der Donau nicht mehr, Ohohoholalala“). Mei, was für eine Gaudi!

Die Passauer Studentin Corinna Schütz fand das gar nicht lustig und lancierte eine Petition „gegen Bierzelt-Sexismus“. „Sprache formt das Denken“, schrieb Schütz. „In diesem alten Volkslied vermittelt der umgeschriebene Text ein Weltbild, welches sexuelle Gewaltfantasien gegen Frauen normalisiert und verherrlicht.“ Über 36.000 Menschen unterschrieben die Petition.

Sie haben verstanden. Ebenso wie die Stadt Würzburg, die Düsseldorfer Schützen und die Wirte vom Münchner Oktoberfest. Vielleicht versteht es eines Tages auch Marco Buschmann. 

 

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Studentin gegen Donaulied

Im Bierzelt fallen alle Hemmungen. Foto: dpa
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"Oans, zwoa, gsuffa“: Schee ist‘s auf den Wiesn, auf der Dult, auf dem Bierzelt. Da wird geschunkelt, die Maß geleert und auch mal eine Vergewaltigung besungen: „Ich machte mich über die Schlafende her, Ohohoholalala, Sie hörte das Rauschen der Donau nicht mehr, Ohohoholalala“ (…) „Mein Mädchen, mein Mädchen, was regst du dich auf, Ohohoholalala, Für mich war es schön und für dich sicher auch, Ohohoholalala“ – heißt es im Donaulied, einem uralten niederbayrischen Volkslied von 1900.  Joa mei, des is halt a Volkslijed, was regt’s ihr euch so auf?

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Corinna Schütz regt sich auf. Schon seit zwei Jahren. Die 22-jährige Passauer Studentin will per Online-Petition erreichen, dass das Donaulied nicht mehr in Kneipen und auf Festzelten, am besten nirgendwo mehr, gesungen wird. Dazu hat sie die „Aktion gegen Bierzelt-Seximus“ auf Openpetition.de ins Leben gerufen. Die Forderungen: Kein Donaulied mehr in Passauer Bierzelten und Kneipen! Das Nachdenken über jegliche Formen von Bierzeltsexismus anregen! Passau zu einer sexismusfreien, lebenswerteren Stadt für PassauerInnen machen!

Das Donaulied mag über 100 Jahre alt sein, seine "Story", ein schlafendes Mädchen zu vergewaltigen, ist hochaktuell. Immer mehr Vergewaltigungen passieren, nachdem der Täter heimlich K.O.-Tropfen ins Glas gerührt hat. (EMMA berichtete)

Das Lied verherrlicht sexuelle Gewaltfantasien gegen Frauen!

Über 25.000 Menschen haben bereits unterschrieben. Schon 790 Unterschriften hätten gemessen an der Einwohnerzahl für ein Quorum, also eine Beschlussfähigkeit, gereicht, um die Stadt Passau zum Verhandeln zu bringen. Noch hat Bürgermeister Jürgen Dupper (SPD) nicht reagiert.

Schütz will nun auch eine Bürgerinitiative gründen. „Das Lied vermittelt ein Weltbild, das sexuelle Gewaltfantasien gegen Frauen normalisiert und verherrlicht. Es ist sexuelle Gewalt“, sagt sie. Ihre KommilitonInnen kämen aus aller Welt. „Und wir müssen uns dann rechtfertigen, warum wir so etwas noch singen.“ Als kürzlich die TV-Moderatoren „Joko und Klaas“ Sendezeit hergaben und Frauen in der virtuellen Ausstellung „Männerwelten“ sexuelle Belästigung anprangerten, sei ihr die Idee mit der Petition gekommen. „Ich bin nicht gegen Traditionen und gehe gern zur Dult (Jahrmarkt), aber dann stehen wir auf der Bierbank und müssen uns das anhören.“

Auch in den sozialen Medien muss sich Corinna so einiges anhören: „Anscheinend is des Corona schon bei manchen ins Hirn, falls die eins haben, vorgedrungen und hat Schäden hinterlassen“, heißt es da. Oder: „Der wünsch I, dass sie später Kaugummi verkaufen muass an der Tankstelle. Vielleicht soi de aber erstmoi mit ihren intellektuellen Freunden a Demo gegen die niederbayerische Kultur organisieren.“ Auch Morddrohungen und Vergewaltigungsfantasien sind dabei.  

Was genau zur niederbayerischen Kultur gehört, darüber streiten sich die niederbayerischen PolitikerInnen. CSU-Landrat Hans Koller hatte auf Facebook eine spöttische Aussage gegen die Aktion als „sehr gut“ bewertet. Daraufhin fragte ihn der Grünen-Landtagsabgeordnete Toni Schuberl in einem offenen Brief: „Darf ich das so werten, dass Du die Verherrlichung und das Besingen einer Vergewaltigung gutheißt?“ Koller lenkte ein, bezeichnete das Lied als „ein uraltes, primitives Sauflied“. Und obwohl nun auch eine Gegenpetition FÜR das Donaulied gestartet wurde, sind die Gegenstimmen sehr viel stärker. MeToo hat sich auch in Niederbayern niedergeschlagen. Sexistischer Mist geht nicht mehr durch, nur weil er alt ist. 

Solche Lieder haben nichts mit Humor, Harmlosigkeit oder Traditionspflege zu tun!

„Lieder dieser Machart leben von der Grenzüberschreitung“, sagt Michael Fischer, Direktor des Zentrums für Populäre Kultur und Musik an der Universität Freiburg. Doch: „Der Text des Donauliedes ist aus heutiger Sicht unerträglich. Das Singen solcher Lieder hat nichts mit Humor, Harmlosigkeit oder Traditionspflege zu tun.“

Und harmlos ist es auf und hinter den Bierzelten für Frauen selten. Die Aktion „Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen“ hat in den vergangenen Jahren einen Anstieg um 75 Prozent der Gewaltfälle im Vergleich zu vor zehn Jahren festgestellt. Die meisten sexuellen Belästigungen und Vergewaltigungen kämen laut Polizei nicht einmal zur Anzeige, weil das „auf den Wiesn schon fast dazu gehöre“. Jede auf der Wiesn befragte Münchnerin gab an, schon einmal sexuell belästigt worden zu sein.

"Für mich war es schön und für dich sicher auch, Ohohoholalala" - Nein, war es nicht und wird es nie sein. Und jetzt schleich di! 

 

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