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Die beiden sind schwer zu trennen: die (nicht)praktizierte Sexualität hat immer auch etwas mit der sexuellen Identität zu tun. Und die wieder steht im Zusammenhang mit den Machtverhältnissen zwischen den Geschlechtern.

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Darum ist die sexuelle Identität eine  Schlüsselfrage des Feminismus. Aus der Sicht von Feministinnen machen erst die Geschlechtsrollen-Zuweisungen Menschen zu Frauen oder Männern – und ist es nur konsequent, die Rolle radikal in Frage zu stellen (Stichwort: Dekonstruktion der Geschlechter). EMMA-Titelgeschichten wie ‚Das dritte Geschlecht‘ im Januar 1981 oder ‚Transsexuelle‘ im März 1994 und ‚Ich bin weder Mann noch Frau‘ im November 1999 gingen diesen Fragen nach.

Doch wie sieht es mit der Sexualität aus? Da scheint in den letzten 10, 15 Jahren eine gewisse Entspannung zwischen den Geschlechtern eingetreten zu sein. Das signalisieren nicht nur die SexualforscherInnen,das zeigen auch die EMMAVeröffentlichungen.

Nur bis Ende der 80er ist das Thema Sexualität brisant in EMMA: angefangen bei Schwarzers Kolumne ‚Penetration‘ im April 1977, über die politisch oft wenig korrekten ‚sexuellen Phantasien‘ im November 1977 bis hin zu dem damals viel beachtetenSonderband ‚Sexualität‘ 1983 (später Fischer TB). Darin fächert EMMA die ganze Palette auf: vom Kuschelsex bis zu Sado-Maso-Praktiken, von der Hetero- bis zur Homosexualität. Die Streitschrift von Alice Schwarzer gegen Sexualforscher Volkmar Sigusch erscheint im März 1986, das letzte EMMA-Dossier zum Thema Sexualität im März 1989, eine „erotische Bilanz“. Sodann folgt ein großer Sprung bis zu der Titelgeschichte ‚Zu früher Sex?‘,über die Sexualpraktiken Minderjähriger im März 2006.

Auf dem einstigen Kriegsschauplatz Sexualität scheint es also heute friedlicher – und erotischer – zuzugehen als je zuvor; trotz Pornografisierung der Kultur und Flittchen-Mode. SexualwissenschaftlerInnen sprechen von einer „Verhandlungsmoral“. Was zweifellos am steigenden Selbstbewusstsein der Frauen liegt. Und an der vielleicht gar nicht so unerotischen Verunsicherung der Männer.

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