Weg mit den Schuldgefühlen
Für die meisten Frauen gehören Schuldgefühle zum Alltag wie das Zähneputzen. Wenn in der Beziehung etwas schiefläuft, fragen wir uns, was wir wohl falsch gemacht haben. Sucht der Andere in fremden Betten Befriedigung, hintersinnen wir uns und grübeln in langen Gesprächen mit der besten Freundin der Frage nach: „Was habe ich nur falsch gemacht?“
Sollte es im Beruf nicht nach unseren Wünschen klappen, fahnden wir nach unseren Fehlern. Mütter können eh ein Liedchen davon pfeifen, was Schuldgefühle betrifft. Unterbricht das Neugeborene mit häufigem Weinen die Nachtruhe, schleichen sich nagende Gefühle unverzüglich ein: Könnte das halbe Gläschen Wein den Fötus nachhaltig gestört haben? Wächst das Kind heran und entwickelt sich nicht nach den üblichen Parametern, werden die Schuldgefühle zum ständigen Begleiter.
Wie trennen wir berechtigte Schuldgefühle von unberechtigten?
Interessant daran ist, dass es vor allem Frauen trifft, die diesen unguten Gefühlen besonders ausgesetzt und empfänglich dafür sind. Auch wenn wir uns darum bemühen, sie los zu werden, will es uns langfristig nur schwer oder überhaupt nicht gelingen. Um es gleich vorwegzunehmen: Ich verfüge über kein Geheimrezept, wie wir diese lästigen Begleiter loswerden.
Aber es lohnt sich, im ersten Schritt eine klare Einteilung zwischen begründeten und unbegründeten Schuldgefühlen vorzunehmen. Wenn wir aus Unachtsamkeit einer anderen Person ein Glas Rotwein über den hellblauen Hosenanzug gekübelt haben, ist das sowohl für die Verursachenden als auch für die Geschädigten äußerst unangenehm und ärgerlich. Hier sind Schuldgefühle durchaus angebracht. Berechtigte Schuldgefühle erkennen wir daran, dass wir die Möglichkeit haben, zu versuchen, den Schaden in irgendeiner Weise zu beheben und vor allem:
Wir können uns dafür entschuldigen. Unberechtigte Schuldgefühle hingegen zeichnen sich darin aus, dass sie nicht genau zu benennen sind, weil sie sich jeder faktischen Begründung entziehen. In den meisten Fällen haben sie nichts mit einem persönlichen Fehlverhalten zu tun, sondern sind einer ererbten, rollenspezifischen Hypothek zuzuordnen: Frauen sind immer schuld.
Die Blaupause dafür liefert der Mythos über die Vertreibung aus dem Paradies. Schließlich hat Eva den Apfel vom Baum gepflückt und Adam dazu verführt, davon zu essen. Es ist ja noch nicht lange her, da wurde sogar bei einer Vergewaltigung die Schuld der Frau zugeschoben. In patriarchalen Gesellschaftskulturen hält das bis zum heutigen Tag an.
Viele von uns fühlen sich immer schuldig. Wir sind schulderprobt. Und so ist es nicht verwunderlich, dass wir auch Schuldgefühle übernehmen, die, genau genommen, gar nichts mit uns zu tun haben. Um aus diesem Teufelskreis herauszufinden, ist Folgendes zu tun: Zuerst unterscheiden, ob es sich um begründete oder unbegründete Schuldgefühle handelt.
Wir müssen den Impuls zurückhalten, sich in das Geschick anderer einzumischen
Gibt es eine Möglichkeit, den von mir angerichteten, genau zu benennenden Schaden wieder gut zu machen oder wenigstens abzumildern? Wenn dies nicht der Fall ist, dann sollten wir lernen, die Schuld an die Verursacher zurückzugeben. Folgender Satz hilft dabei: „Ich bin weder für das Leid noch für das Glück von anderen Menschen zuständig.“ Allein dieser Satz erfordert ein Umdenken, denn es benötigt einiges an Geduld, sich immer wieder vom Impuls zurückzuhalten, sich in das Geschick anderer einzumischen.
Jeder Mensch ist für sein Tun und Handeln selbst verantwortlich. Wenn sich zum Beispiel die Mutter über Einsamkeit beklagt, ist es zwar angemessen, diesen Zustand zu bedauern und uns vielleicht etwas mehr um sie zu kümmern, aber lösen können wir das Problem nicht. Wer sich einsam fühlt, kann nur selbst etwas dagegen tun, die Verantwortung dafür übernehmen und Kontakt mit anderen Menschen suchen und vor allem zu pflegen.
Wenn die Beziehung in einem Brotjob gelandet und dabei unglücklich ist, seine künstlerischen Ambitionen nicht ausleben zu können, bringen auch eheliche Coachingversuche nichts. Im Gegenteil. Wer nicht lernt, selbst zu schwimmen, weil immer wieder Schwimmhilfen angeboten werden, wird es nie alleine schaffen. Wer alleinerziehend ist und sich nachts in der Endlosschlange von Fragen verstrickt, „Durfte ich das den Kindern antun und ihnen den Vater nehmen?“, sollte einfach mal realistisch bedenken: Elterliches Verhalten wirkt auf Kinder vorbildhaft. Was gibt es für ein Kind Besseres, als zu erleben, wie die Bereitschaft, eigenverantwortlich zu handeln, vorgelebt wird.
Raus aus den Schuldgefühlen heißt also: Sich keine fremden Schuldlasten anhängen lassen und Verantwortung für sich selbst und das eigene Handeln übernehmen.
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