Anne Klein: Die Senatorin geht

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Nach 625 Tagen in der Berliner Regierung geht Anne Klein in ihren Beruf als Rechtsanwältin zurück. Für die Alternativen wird die autonome Feministin nicht noch einmal kanddieren. Die so sichtbar emanzipierte Senatorin für „Frauen, Jugend und Famiie" hatte es nicht leicht. Und in so manchem reichten auch ihre Kräfte nicht. Doch ihre letzte Tat ist ein Erfolg. Gerade wurde ihr fortschrittliches Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet! Viola Roggenkamp begleitete Anne Klein an einem ihrer letzten Amtstage. Fotos: Andreas Schoelzel.

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Der Himmel über Berlin hängt durch wie in Hamburg um diese Jahreszeit: nasses Grau. ,,Aba det soll noch bessa wem, globn Se mäh", tröstet der Taxifahrer. Berliner Taxifahrer wissen immer alles. „Kennen Sie Anne Klein?" — „Wer solin det sein?" — „Sie kennen Anne Klein nicht?" Das geht ihm jetzt gegen die Taxifahrerehre. „Doch, doch, watn Se mäh. Wah det nich die... Ne, det wah se nich. Hach!" Jetzt hat er's. „Se denkn wohl, Se könn ma leim, wah? Zocker-Zora! Klah kenn ick die. Hamse ibl mitjeschpiehlt, der Kleen. Die zockn doch alle inne Politik."

Wir sind da. Senats Verwaltung für Frauen, Jugend und Familie. Karlsbad 8 bis 10 heißt die Straße. Welcher Karl ist denn hier wann badengegangen? Das mächtige Gebäude, düster und schwer, sieht von außen ungelüftet aus, von innen kalt. Rechts und links in der Halle zacken zwei breite Treppen rechtwinklig hoch. In der Aufgangsmitte steht ein kleines Mädchen. Nackt. Den Kopf leicht gesenkt. Eine Statue. Das Denkmal des unbekannten deutschen Mädchens wie es sein soll: besitzlos und bescheiden.

Oben, im Zimmer der Berliner Frauensenatorin Anne Klein, steht auch eine Statue. „Punk II" heißt sie. Eine Punkerin in Lebensgröße. Punk I, den — wie sollte es anders sein — dazugehörigen Mann, hat die Senatorin dem Künstler nicht abgekauft. Große Gemälde von Künstlerinnen bedecken die Wände. „Freiheit für Angela" heißt eines. Die darin geschwungene rote Fahne fällt fast aus dem Rahmen. Dagegen stammt die weiche Leder-Sitzgarnitur noch aus der Ära von FDPs Cornelia Schmalz-Jacobsen, die Vorgängerin im „Amt für Jugend und Familie" — damals noch ohne Frauen.

Der Schreibtisch steht in einer Zimmernische, seitlich und rückwärtig umstellt von Bücherwänden, gleich neben der Tür. Von dort aus geht es zur persönlichen Referentin und weiter ins Sekretariat. Es ist kurz vor neun Uhr. Fünf Referentinnen sind da: die Persönliche, Presse, Arbeitsmarkt, Wissenschaft, Forschung und Gewalt. Da kommt die Senatorin: knallrote Lederjacke bis zur Taille, weiße Bluse, den Kragen hochgestellt, schwarz-weiß gestreifte Hosen, dazu ein schwarzer Cowboy-Ledergürtel, silbrig genagelt, schwarze Halbschuhe. Sie wirkt zäh und ist zierlich. Ein sanfter Duft wie von Leder und Heu zieht ihr nach. „So, meine Damen, guten Morgen. Wer fehlt?" — Jetzt fehlt keine mehr. Die Sekretärin bringt Kaffee.

Thema der Runde heute an diesem Montagmorgen: Arbeitslosigkeit. Unnötig zu sagen, dass es um Frauen geht, um im Osten wie im Westen der Stadt arbeitslos gewordene Frauen. Es werden jeden Tag mehr. "Die großen Verliererinnen", sagt Anne Klein. Im Staatsvertrag zwischen BRD und DDR heißt es lapidar: „Die Belange von Frauen und Behinderten sind zu berücksichtigen."

Bevor im Spätsommer vergangenen Jahres die offenen Grenzen Osteuropas und die heraufdämmernde Wiedervereinigung Deutschlands die Schlagzeilen dauerhaft belegten, ging es im Sommerloch um Anne Klein: "Zockende Zora" in Mompers Senat? fragte Springers Welt. Die BZ (aus demselben guten Stall) hatte die Geschichte angekocht: Zwei Jahre vor Amtsantritt hatte Anne Klein an einem dämlichen, aber nicht verbotenen Glücksspiel teilgenommen und gewonnen: 10.500 Mark cash.

Die CDU hoffte, an der „in Spielerkreisen offensichtlich nicht unbekannten Senatorin Klein", wie CDU-Geschäftsführer und Kripobeamter Klaus Wienhold genüßlich nachschmeckte, das rot-grüne Berlin-Bündnis scheitern lassen zu können. „Eine menschenverachtende Pressekampagne", so Kleins Pressesprecherin Gundel Köbke empört, setzte ein, hielt sich einige Wochen und bewirkte nichts. Denn Oberbürgermeister Walter Momper (SPD) hielt charaktervoll zu der öffentlich vorgeführten Feministin. Allerdings: Kleins Bekanntheitsgrad stieg zwar auf 97 Prozent, auf der Beliebtheitsskala indessen fiel sie unter die Frostgrenze auf minus 1,8 Prozent.

Die Alternative Liste (AL) rührte für ihre Frauen-Senatorin mit Mühe einen Finger: pflaumenweiche Solidaritätsbekundungen gegen die Springer-Presse. Schon bei ihrer Nominierung war die parteilose Feministin Anne Klein nur halbherzig unterstützt worden. Die AL-Mehrheit, die für sie gestimmt hatte, war hauchdünn und in sich zerstritten. Ihre erbittertste Konkurrentin und Unterlegene im Wettkampf um das Amt, Helga Hentschel (AL-Mitglied), wurde nach Kleins Wahl deren Staatssekretärin. Die Zusammenarbeit war von Anfang an schwer belastet.   

„Du brauchst in solchem Amt eine Staatssekretärin, der du blind vertrauen kannst. Nicht: Sägt sie mir am Stuhl? Stellt sie mir ein Bein? Die AL", sagt Anne Klein heute rückblickend, „wird mich zur Berlin-Wahl am 2. Dezember nicht mehr aufstellen. Ich habe AL-Frauenpolitik gemacht. Also etwas, was es bei der AL eigentlich gar nicht gibt. Was es gibt, ist ein mit Emotionen schwer belastetes Konkurrenzding unter AL-Frauen. Als Feministin Anne Klein hatte ich kaum Unterstützung von der AL. Da ist so'n AL-Typ 14 Stunden unterwegs in Sachen Ökologie, und seine Frau kann keine Frauenpolitik machen, weil sie mit dem Kind zu Hause festsitzt. Das Atomgesetz kennen die in- und auswendig. Aber kennen sie auch die Gesetzeslage zur Gleichberechtigung der Frau?"

Dass nach fast zwei Jahren Frauenpolitik in Berlin das Landes-Antidiskrimnierungsgesetz und die Bundesratsinitiative zum Paragraph 218 (Fristenregelung) nicht mit der Alternativen Liste, sondern mit der Feministin Anne Klein verbunden werden, das macht die Alternativen grün vor Neid. Die Sozialdemokratinnen übrigens auch. Dabei zeichnen eben die, nämlich SPD-Senatorin Ingrid Stahmer (Gesundheit und Soziales) für die geforderte (Fast)Fristenlösung verantwortlich. Die Berliner Bundesratsinitiative § 218 hatte eigentlich von insgesamt sieben SPD-Bundesländern getragen werden sollen. Im letzten Augenblick sprangen alle ab. Mompers Senat zog es allein durch.

Was war denn geschehen? Herta Däubler-Gmelin, stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende, wolle nicht, sei die Nachricht von SPD-Land zu SPD-Land gegangen. Warum nicht? Weil Berlin sich mit dem Zwo-Achtzehn profilieren wolle, und das wolle Herta nicht.

Aber zurück ins „Amt für Frauen, Jugend und Familie". Akten werden zusammengepackt, Anne Klein und ihre persönliche Referentin eilen die Treppen hinunter, springen in den dicken dunkelblauen Mercedes und ab geht's nach Berlin-Ost. Herr Tschechowitz, der Chauffeur, ruhig und rund, gemütlich und gelassen, braust los in Richtung Rotes Rathaus und Palast der Republik. Anne sitzt neben ihm.

Männern gegenüber — ob in der AL, im Senat oder aber in ihrem Amt (27 Referate, 650 Verwaltungsangehörige) — „muss ich mich als Nervensäge präsentieren", sagt sie. „Wenn die erstmal begriffen haben, was Frauenpolitik für sie bedeutet, schieben die ja nichts mehr freiwillig rüber."

Seit der rot-grüne Senat in Berlin mit acht Senatorinnen und bloß fünf Senatoren antrat, wurden in allen Frauen-Ressorts bei gleicher Qualifikation freie Stellen grundsätzlich mit Frauen besetzt.

Im Senat sitzen: in den Ressorts Justiz (Jutta Limbach), Schule (Sibylle Volkholz), Stadtplanung und Umweltschutz (Michaela Schreyer), Kulturelle Angelegenheiten (Anke Martiny), Gesundheit und Soziales (Ingrid Stahmer), Wissenschaft und Forschung (Barbara Riedmüller-Seel), Bundesangelegenheiten (Heide Pfarr) und eben — Frauen, Jugend und Familie.

Bei Anne Klein im Amt haben erst die Frauen gezankt und dann die Männer gemault. Ihre schöne Verwaltung verkomme nun zum Frauenhaus, Männer hätten gar keine Chancen mehr. Inzwischen wird bei jedem Problem, sei es bedeutend oder lapidar, gespottet: „Das wird mit Sicherheit mit einer Frau gelöst." Kommt ihr jemand nörgelnd so zu Ohren, antwortet Anne Klein in fröhlichster Tonart: „Und denken Sie mal, das gilt jetzt für ganz Berlin." Ihre leicht nasale Stimme kann in solchen Momenten durchdringend werden, heiter, aber zwingend. Sie schätzt Ordnung und Disziplin. Damit hat sich die Tochter aus bürgerlich bis kleinbürgerlichem Hause und Jüngste von drei Geschwistern schon in den gemischten Wohngemeinschaften der 60er Kommunarden beliebt gemacht.

Wenn Anne Dienst hatte, standen Blumen auf dem Tisch, war der Abwasch gemacht und der stets wiederkehrende Honigfleck auf dem Fußboden neben dem Küchenschrank endlich verschwunden. „Doch in den Frauen-WGs", sagt sie sofort, hebt den Zeigefinger und lässt ihre kleinen braunen Augen noch etwas runder werden, "war es nicht besser als in den männerstinkenden WGs."

Frauen protegiert sie, wo sie kann. Gerade unlängst ist sie „wieder ausgerastet" über ein Konferenz-Konzept aus ihrem Haus zum Thema „Drogen". „Ohne Frauen-Aspekt! Das darf doch nicht wahr sein?" Sofort nennt sie zwei, drei Referentinnen. Der Sachbearbeiter nickt und notiert. Zu diesem feministischen Haus gehört seit Oktober 1989 auch das sogenannte „Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen." Es ist das kleinste Referat (zwei Planstellen) mit dem kleinsten Etat, aber die erste Einrichtung dieser Art in der Bundesrepublik: in Berlin unterstellt der Abteilung „Familie"; Lebensweise ist Lebensweise. Amsterdam, ja sogar Manchester und Boston unter der nicht gerade mit Lesben sympathisierenden Maggie Thatcher, haben schon seit Jahren Homosexuellen-Referate.

In diesem Referat lief es jüngst endlich einmal andersrum: Frauen zeigten Männern, wie sie zuschlagen müssen. ,,Wir Frauen haben schließlich eine nun zwanzigjährige Erfahrung in Strategien gegen Gewalt", sagt Frauensenatorin Anne Klein und reißt zum Beweis erst den rechten, dann den linken Arm hoch: „Ah! — U! — A! — U! — A!"

Wir sind da, im Zentrum der ehemaligen sozialistischen Republik Deutschlands. Treppen rauf. Breite Treppen. Rote Läufer. „Hat ja wirklich was Imperialistisches, was wir hier tun", sagt Anne Klein, die Korridore entlanghastend. „Das wird der West-Berliner Senat alles übernehmen. Und die kriegen beratende Funktion und fertig. Ist doch so?"

Im Sitzungszimmer tagt noch der DDR-Gleichstellungsausschuss. Es ist heiß im Raum. Draußen scheint jetzt die Sonne. Die Heizung läuft auf Hochtouren. „Kostet ja nichts", rügt die Persönliche Referentin leise die sozialistische Großzügigkeit. Zu trinken gibt es nichts, und die Tagung geht hier schon seit Stunden. Zeichen der Erschöpfung sind niemandem anzumerken. Endlich ist Anne Klein dran. Wird der DDR-Gleichstellungsausschuß dem Antidiskriminierungsgesetz für das Land Berlin (LADG) zustimmen? Die beiden PDS-Frauen sind mißtrauisch: „Wie weit können wir überhaupt gehen? Dieses Gesetz geht ganz schön weit." Eva Kunz, DDR-Stadträtin für Gleichstellungsfragen (SPD) antwortet: „Mir ist ganz schlecht geworden, als ich beim Arbeitsamt in die Kartei sah. Hinter jedem Stellenangebot steht: Mann, Mann, Mann, Mann." Sie findet Zustimmung beim CDU-Mann: „Wenn wir diesem Gesetz jetzt nicht zustimmen, werden wir bis in die Steinzeit zurückgeboomt." Allgemeine Zustimmung.
 
Vergnügt sitzt Anne Klein wieder neben ihrem Chauffeur. Sie will ihr LADG noch durchbringen, und zwar vor dem 2. Dezember. — Und tatsächlich, sie scheint es zu schaffen. Selbst die SPD zog mit. Die hätte es zwar gern eine Nummer kleiner gehabt, „ohne die Privatwirtschaft mit Frauenförderplänen ranzukriegen; das ist der Knackpunkt", sagt Anne. „Aber da bin ich knallhart geblieben."

Kann sie das? Und wenn ja, wer fürchtet sich vor Anne Klein? "Gute Frage. Habe ich denn überhaupt Macht? Je mehr ich in die Nähe der Mächtigen gerate, desto deutlicher fühle ich meine Ohnmacht. Ich sitze als Feministin auf einer Verwaltung, die über Jahrzehnte auf SPD und CDU getrimmt war." Der schwere Mercedes ist im Westen angekommen. „Na, Herr Tschechowitz", sagt die Senatorin nun putzmunter, „wie hat denn Ihrer Frau meine Holunderbeermarmelade geschmeckt?" Sehr gut, soll Herr Tschechowitz ausrichten, und schönen Dank auch. Anne Klein, gebürtige Saarländerin, kocht leidenschaftlich gern. „Dafür bin ich bei meinen Freundinnen und Freunden bekannt und beliebt."

Es folgt ein Rezept für gefüllte Pfannkuchen, „von meiner Oma mit Joghurtcreme und Salat". Dann schwingt sie sich vom Pferd, pardon, aus dem Wagen, und saust wieder ins Amtszimmer. Dort warten bereits zwei Damen auf sie, die Geld von ihr wollen. Das ist nichts Ungewöhnliches. Die eine Dame ist um die 60, trägt Dauerwelle, eine doppelreihige Perlenkette, ein dunkelgrünes Schottenkostüm mit Faltenrock und ist Ärztin. Die andere ist etwas jünger und Künstlerin, wofür die weiße Hose und das schwarze Jackett sprechen, noch mehr aber der halblange Pagenkopf. Man sitzt in der weißen Ledergarnitur und während Anne Klein Rührei mit Kartoffelmus aus der Kantine verspeist, erklären ihr die beiden Besucherinnen in wohlgesetzten Worten, warum sie so froh sind, dass jetzt eine emanzipierte Frau wie Anne Klein auf diesem Stuhl...

"Was ist denn", presst die Senatorin zwischen zwei Gabeln Rührei hervor, „mit dem Selbsthilfefond? Fallen Sie da nicht drunter? Innovativ? Frauenspezifisch? Sollten Sie gleich mal hingehen." Aber die Damen bleiben sitzen, und draußen wartet schon ein Fernseh-Team von RTL. Die Senatorin nimmt sich dennoch Zeit. Weil sie essen will? Weil sie mit Frauen grundsätzlich solidarisch ist? Weil sie die Situation komisch findet? ,"Schicken Sie mir doch mal Ihre Unterlagen hin, äh, her", komplimentiert sie die beiden hinaus, die zwar immer noch ohne Geld, aber doch wie innerlich angehoben zum Ausgang schweben. „Die waren doch süß!"

Anne Klein hat Humor. Sie kann komisch sein. Sie ist Selbstdarstellerin wie alle Anwältinnen. Mit ihrer Kollegin Petra Franzen hatte sie in den 70ern die erste Frauen-Kanzlei gegründet, in Berlin. Dahin will sie im Dezember wieder zurückgehen. Aber wie alle juristischen Menschen liebt sie auch Aktenstaub und verklausulierte Sprache. Sich da durchwühlen, da was aufstöbern oder aber auch sich dahinter verbergen. Das liegt ihr. Das kann aber auch gegen sie ausschlagen. Wenn sie öffentlich spricht oder vor Kamera und Mikrophon, dann kann sie so trocken werden, als hätte sie die deutsche Bürokratensprache erfunden.

Im RTL-Interview geht es um jugendliche Asylanten. Im Vorgespräch noch erinnert sie an die besondere Situation der jungen Mädchen. Doch dann läuft die Kamera, vergisst die Senatorin die Frauen, redet von „unterschiedlichen Krisengebietssituationen", von ,,Freizeitbeschäftigungsmöglichkeiten und Unterrichtsgängen", räumt ein: „Wir sind da in Nachgang geraten". Und: „Das mag heißen, wir haben uns sehr viel Mühe gegeben, gruppenspezifisch pädagogisch konzeptioniert mit der Situation umzugehen." Die RTL-Journalistin hört längst nicht mehr zu, für die anwesende Pressesprecherin klingt der Wortsalat irgendwie wichtig, Anne Klein findet sich gut so.

Was sagt denn ihre Basis? Die Frauen aus der Szene, aus der Frauenbewegung? „Die Erwartungen waren exorbitant hoch", klagt die grün-lila Politikerin. „Die haben sich gesagt, aha, die Anne kann jetzt mal die Männer zusammenscheißen gehen." Entsprechend groß war die Enttäuschung. Die Berliner Frauen-Szene hielt sich zurück. Selbst während der Pressehatz gegen Anne Klein, "gab es zwar jeden Tag Schmähanrufe, aber keinen Zuspruch aus der Szene" (Pressesprecherin Gundel Köbke).

Dabei hätte sie gerade diese Solidarität gut gebrauchen können. Denn die Kampagne gegen Anne Klein ist wohl auch gegen die „frauenliebende Senatorin" (taz) gelaufen, die sich „zur gleichgeschlechtlichen Lebensweise bekennt" (Spiegel), die „aus ihren gleichgeschlechtlichen Neigungen keinen Hehl" mache (Süddeutsche Zeitung). Eine solche Frau als Jugend- und Familien-Senatorin — das mochten CDU, Republikaner und Springer-Zeitungen nun doch nicht einfach so stehen lassen.

„Ich lebe in Frauenbezügen, mit einer Frau zusammen." So hat sie es in ihrem ersten Interview als Senatorin gesagt, erschienen am 18. März 1989 in der tageszeitung. So sagt sie es auch heute in EMMA. Punkt um.

Der Arbeitstag ist offiziell zuende. Um 19 Uhr gibt es noch ein Treffen mit Kollegin Heide Pfarr und einer von der eingeladenen Bonner Journalistinnen-Runde. Das wird spät werden, womöglich früh.

Tut es ihr nicht leid, jetzt aus der Politik zu gehen? „Jetzt nochmal fünf Jahre? Mensch, da bin ich 47! Und denn die Belastungen. Nie biste privat. Interessant war's, spannend war's. Aber nu lass mal die jungen starken Frauen ran", sagt sie und verzieht den Mund ein wenig schief, fast spöttisch.

Und dann steht sie auf. Anne Klein geht. Ein wenig lässig. Ein wenig... Frau wird sehen.

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