Dasisnix, beim Teutates!

Zwar hat der 60. Asterix eine weibliche Hauptfigur. Echt feministisch ist's aber nur bei "Feminax & Walkyrax".
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60 Jahre und 38 Bände hat es gedauert. Jetzt ist es endlich soweit: eine weibliche Hauptfigur im gallischen Dorf! Schon im Vorfeld gehyped als „Greta bei den Galliern“.

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Das wurde auch Zeit, frohlockt der weibliche Asterix-Fan. Schließlich musste frau noch nicht mal Feministin sein, um bei der Lektüre der Abenteuer von Asterix & Obelix immer wieder an ihre Toleranzgrenze zu stoßen. Sicher, frau hat die Dicknasen im Laufe der Jahrzehnte ins Herz geschlossen, und es ist beim Lesen auch noch keiner Feministin der Himmel auf den Kopf gefallen. Dennoch: Das gallische Dorf ist ein astreiner Männerladen.

Gewiss, es gibt auch Frauen im gallischen Dorf. Aber: Gutemine, Frau von Häuptling Majestix, und Yellowsubmarine, Frau des Fischhändlers Verleihnix, sind erstens vor allem Gattinnen und zweitens nudelholzschwingende Matronen. Die junge und hochgewachsene Ehefrau des greisen Methusalix hat noch nicht mal einen Namen. Zogen unsere Helden aus, waren Heldinnen Fehlanzeige. Und dann, ultimativer feministischer Overkill in jeder Ausgabe: das Festmahl. Die behelmten Krieger lassen sich von ihren Frauen das Wildschwein servieren. In Zeiten, in denen sogar die CSU eine Frauenquote hat, geht das eigentlich gar nicht.

Frauen nur als Gattinnen, die das Nudelholz schwingen

„Wir schätzen die Frau zu sehr, als dass wir sie in groteske Situationen versetzen und so von ihr ein falsches Bild zeichnen würden“, hatte der 1977 verstorbene Asterix-Texter René Goscinny einst gönnerhaft erklärt.

Jetzt aber gab es Hoffnung für die feministische Asterix-Fänin. Doch sie wurde bitter enttäuscht. Dabei lässt sich die Geschichte zunächst hoffnungsvoll an. Adrenaline ist Tochter des berühmten Häuptlings Vercingetorix, der in der ebenso berühmten und Asterix-Fans wohlbekannten Schlacht von Alesia vor den Römern kapitulieren musste. Seither ist Cäsar auf der Suche nach der Häuptlingstochter, um sie zu „romanisieren“.

Bei Nacht und Nebel wird Adrenaline von ihren beiden (Zieh)Vätern, den Avernern Monolitix und Mausklix in die Obhut des gallischen Dorfs gegeben, auf dass man dort auf sie achtgebe. Der Plan: Die Häuptlingstochter soll, ausgestattet mit dem heiligen Halsreif ihres tapferen Vaters, einen neuen Aufstand gegen die Römer anführen.

Feminax & Walkyrax, von Franziska Becker.
Feminax & Walkürax, von Franziska Becker.

So weit, so vielversprechend. Adrenaline ist eine echte Vatertochter. Sie hat Zöpfe, weigert sich statthaft, ihre „gotische“ schwarze Hose gegen ein Kleid zu tauschen und ist extrem störrisch. Das war’s dann aber auch mit den Parallelen zu Greta. Um es kurz zu machen: Alle Beteiligten (Gallier, Averner, Römer, Piraten) rotieren um die zickige Häuptlingstochter, die gar keinen Bock auf Aufstand hat. Und die am Ende mit einem hübschen Jüngling von dannen segelt. Lieber Texter Jean-Yves Ferri, lieber Zeichner Didier Conrad: Sobringtdasnix! Dabei gibt es doch ein wunderbares Vorbild, an dem ihr euch ein Beispiel nehmen könntet: Schon 1992 hat EMMA-Cartoonistin Franziska Becker die Abenteuer der feministischen Schwestern von Asterix und Obelix erzählt: „Feminax und Walkürax“.

Gemeinsam mit Druidin Abakadabrax, Dorfchefin Matronax, Greisin Oropax und vielen anderen wackeren Bewohnerinnen des Frauendorfs an der Loreley, kämpfen unsere unbeugsamen Heldinnen (Helden sind Fehlanzeige) gegen Germanen, Römer und andere Patriarchen. Erfolgreich, versteht sich. Selbst der Schöpfer von Asterix, Zeichner Albert Uderzo, gab höchstpersönlich seinen Segen zu Asterix‘ Schwester – und war begeistert. Geht doch, beim Teutates!

 

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Wilde Becker Weiber

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An vorderster Front fighten „Feminax & Walkürax“, die listige kleine Dünne und die starke große Dicke. Diese powerigen Schwestern von Asterix und Obelix wohnen natürlich nicht da hinten am Rand der Bretagne, sondern hierzulande mittenmang: Ihr Weiberdorf thront hoch oben auf der Spitze des Loreleyfelsens. Stimmt, nicht weit entfernt von Bonn und auch nicht von Köln. Denn da lebt schließlich ihre Schöpferin Franziska Becker.

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Wie Franziska auf die Idee kam, den kämpferischen Germaninnen ein Denkmal in Strich und Farbe zu setzen, und wie so ein Buch entsteht, das beschreibt sie in diesem Werkstattbericht. Wir EMMAs können jetzt, wo „Feminax & Walkürax“ auf dieser Welt und so schnell auch nicht mehr aus ihr wegzudenken sind, nur sagen: Das Gebären mag anstrengend sein, die Geburtshilfe aber ist auch nicht von schlechten Müttern. Auch so eine geistige Mutter hat nämlich ihre Krisen und Wehen, und die gilt es schwesterlich durchzustehen.

Aber wie es immer so ist nach einer Geburt: Diese Mühen sind Auge in Auge mit dem Produkt längst vergessen. Die EMMAs waren schließlich die ersten, die über Franziska Beckers neuestes (und elftes!) Buch lachen durften. Und wir warnen euch: Da bleibt kein Auge trocken. Frau weiß nicht, worüber sie mehr lachen muß: über Oropax, Rigidax, Amazonax, Matronax, Experimentax, Randalax, Minimax oder Pipifax.

Selbst der Vater von „Asterix“, der französische Zeichner Albert Uderzo, findet die Parodie auf sein Werk komisch: Er gab seiner deutschen Kollegin den Segen zu „Feminax“.

Früher hat nur mein Bruder „Asterix“ verschlungen. Was für Jungs. Erst später habe auch ich eine Schwäche für die Abenteuer der fidelen Jungs entdeckt. Wie herrlich komisch ist zum Beispiel „Asterix und die Gladiatoren“ gezeichnet.

Groß nur dann meine Enttäuschung, als ich Ende letzten Jahres den neuesten Band in der Hand hielt: „Asterix & Maestria“. Diese pseudoemanzipierte Maestria hatte keine Seele und keinen Charakter, kurzum war gegen die knackigen Kerle richtig leblos, um nicht zu sagen klischeehaft gezeichnet. Und das von meinem Uderzo...

Prompt stand das Telefon bei EMMA und auch bei mir nicht mehr still. Was ich als feministische Cartoonistin denn so vom Emanzen-Band halte, wollten die Kolleginnen von der Presse wissen. Tja, leider, leider nix! Wir machten dann fürs Dezemberheft einen parodistischen Titel, auf dem eine echte Amazone in Fellhosen die beiden Helden auf den Arm nimmt.

Na, und dann kam dieser gewisse Dezemberabend bei Speckpfannekuchen und Kölsch. Alice und ich blätterten zufrieden in der neuesten EMMA und zerrissen uns nochmal das Maul über Maestria. Im Rückblick muss ich sagen: Alice guckte von Anfang an so, wie sie immer guckt, wenn sie was plant.

Und tatsächlich: Kaum murmelte ich: Eigentlich müssten wir auf diesen Asterix mit einem ganzen Buch antworten... schrie Alice: Genau so isses! Daran habe ich auch schon gedacht.

Und wenn Alice sowas sagt, weiß frau: Es wird ernst. Ich ging nach Hause und war begeistert und bedrückt zugleich. Ob ich denn sowas überhaupt schaffen würde? Ein Buch mit einer durchgehenden Story, eine Welt neuer Figuren, eine Geschichte mit tausend historischen und aktuellen Anspielungen, die alle stimmen müssen? Und dann auch noch innerhalb eines halben Jahres - Kollege Uderzo hat schließlich zusammen mit dem Zeichner Goscinny Jahre für die Entwicklung von Asterix gebraucht... Aber: zu spät – ich hatte Feuer gefangen.

Klar war: Die Chose sollte in Germanien spielen, hoch über dem Rhein; natürlich waren die beiden Heldinnen, die kleine Agile und die dicke Sinnenfrohe, die Hauptpersonen; und drumherum sollten sich noch viele andere Frauen gruppieren, die mit ihren verschiedenen Charakteren und widerstreitenden Interessen die Alltagswürze für mein Weiberdorf liefern würden. Feind Nr. 1 und Grund für‘s Immer-wieder-sich-Zusammenraufen sind natürlich die Patriarchen, die ganz Germanien besetzt halten, eben außer meinem Matriarchendorf, das den Herren ein Dorn im Auge ist.

Als erstes begann ich, Berge von Büchern zu lesen: über Mythologie und Symbole, Entstehung von Zeichen und Schrift, über die Kulturgeschichte des Essens, über Druidinnen und Heilerinnen, Tacitus' „Germania“, Quellen über die römischen Eroberungen in Germanien, über Moorleichen und archäologische Funde, über Alltagsgegenstände wie Geschirr, Handwerkszeug, Getreidemühlen, Webstühle, über Hausbau, Flechtkunst, Farbenherstellung, über die Lust am Darstellen des Sichtbaren und Gefühlsmäßigen, über das Bedürfnis zu sammeln, zu gestalten und sich mit allerlei Material zu schmücken, mit einem Wort: über den immer unterschätzten und absichtlich ins Dunkel des Vergessens gestoßenen Anteil der Frauen am Kultivieren, Erfinden und Experimentieren. Dann rannte ich ins Römisch-Germanische Museum am Kölner Dom, um mir die germanischen Utensilien anzuschauen, mit denen unsere Schwestern von Vorvorgestern herumhantiert haben. Ich kraxelte auf den Loreleyfelsen, um den Tatort zu besichtigen: Ich machte Fotos vom Rheinbogen und sah die Folgen von 2000 Jahren Patriarchat: Vom Flair des tosenden, sinnenfrohen Weiberdorfes ist nichts mehr geblieben, nur eine dumpfe Skulptur der Loreley mit Schmalzlocke ist zu sehen. Diesen Ort hat das Patriarchat platt gemacht. Aber damals, 38 vor Christus...

Wer lebte damals im Weiberdorf? Eine Druidin musste dabei sein, die mit der berühmten, historisch belegten Sichel die Misteln für den Zaubertrank schneidet. Matronen und Mütter, die für den (biologischen) Fortbestand des Dorfes sorgen und von den wilden Amazonen darob halb mitleidig, halb angeekelt beäugt werden. Die Mystikerinnen, Wissenschaftlerinnen, renitenten Gören, die Putzteufelin, die Weiberdorfchefin, die schmucksüchtige Loreley und die verschusselte Erfinderin, die abenteuerlustige Greisin und die wortkarge fremdländische Schmiedin, die Steinmetzin und die Töpferin mit ihren windschiefen Pötten, und noch viele mehr hausen, schmausen und werkeln mehr oder weniger friedlich in ihrem Weiberdorf - nur ab und zu aufgeschreckt von den Kindern Randalax, Pipifax und Minimax oder gegen sie anrennende Männerhorden, die sie so gern endlich platt machen würden...

Aber was passiert in meinem Weiberdorf? Das schwerste ist die Dramaturgie so einer Geschichte. Alles unterzubringen, was ich erzählen will, gleichzeitig eine Spannung aufzubauen, die über verschiedene Höhepunkte zum Schluss führt, und ganz nebenbei noch verschiedene Erzählstränge so weiterzuverfolgen, dass die Leserin nicht den Faden verliert. Ich kritzelte das Ganze erstmal ins Unreine in ein Schulheft, damit der Ablauf der Geschichte feststand. In dieser Phase hat sich immer wieder Alice mit drübergebeugt und den ein oder anderen Faden mitgeknüpft, die eine oder andere anregende Bemerkung gemacht.

Jetzt musste ich an den Zeichentisch. Dann gings ans Umsetzen auf die Originale. Eine wiederum ganz neue Arbeit, denn was da zunächst nur ins Unreine skizziert ist, muss ja so umgesetzt werden, dass es auch optisch spannend ist. Das heißt, verschiedene Größen und Perspektiven, Totalen und Nahaufnahmen.

Jetzt geht es ans Handwerk. Die Originalblätter sind etwa fünfmal so groß wie der spätere Druck. Wieder wird mit Bleistift vorgezeichnet, radiert, gezeichnet, radiert. An den freien Platz für die Sprechblasen denken, sich möglichst nicht verzeichnen mit Tusche und Feder, denn zu oft kann ich nicht mit Deckweiß korrigieren, sonst gibt es später Farbunterschiede beim Kolorieren. Ab jetzt schaut mir auch Papan öfter über die Schulter, gibt Anregungen zur Dramaturgie oder sagt, wo man noch was witziger zeichnen, mehr zuspitzen könnte. Gut, dass noch einer mit etwas Abstand draufguckt. Denn ich bekomme allmählich Kreise in den Augen, fange wie ein Knasti an zu zählen: noch 22 Blätter, noch 21, noch 20...

Nachts wetzen die wildgewordenen Weiber vom Loreleyfelsen durch meine Träume. Hab‘ ich auch Oropax den Helm mit den richtigen Hörnchen gemalt? Wann sollen die Öko-Weiber auftauchen? Tobte die Kinderbande oft genug durch die Geschichte? Und was ist mit den Tieren - sollen die nicht auch mal Zoff machen?

Die Zeit drängt und in Eile ist meine Schrift noch schlechter lesbar als sonst. Freyaseigedankt schreibt Papan mir die Sprechblasen (die ich vorher auf Transparentpapier vorschreibe) und fügt ein paar Blödeleien hinzu.

Und nun folgt das, was viele Kollegen, auch Uderzo, von anderen besorgen lassen: die Koloration. Sonst tragen bei Comics oft professionelle Zeichenbüros oder jobbende jüngere Kollegen die Farbe auf. Ich aber tue es selber. Denn die Farbe verleiht der ganzen Geschichte nochmal richtig Stimmung, Atmosphäre und Plastizität Und bis ich jemandem erklärt hätte, welches Lila die Röckchen, welche Grüntöne die Wälder, welches Blau die Sommernacht haben soll, kann ich's auch gleich selber schneller tun. Mir flimmert's manchmal vor den Augen, weil ich voll konzentriert sein muß, um die richtigen Farben für die wiederkehrenden Figuren, für die Zöpfe, Röckchen, Helme, Tücher, Fellschuhe zu verwenden. Zum Dank wirft mir diese wildgewordene Walkürax in einem Anfall von Übermut noch ihren - nein, nicht Hinkelstein (was, dass müsst ihr schon selber nachschauen!) - in den Rücken und macht sich ungerührt davon ins germanische Himbeergestrüpp.

Und während ich nach dem letzten Strich an „Feminax & Walkürax“ prompt etliche Wöchelchen ans Bett genagelt bin, höre ich recht unverschämte Schmatzgeräusche vom hohen Loreleyfelsen herab tönen. Stoßen die beiden auf ihr Erscheinen am 14. September an? Wenn auch ihr wissen wollt; warum Walkürax so dick ist, womit Loreley ihr Schmuckkästchen füllt, was die Nibelungensage aus unserem wilden Weiberdorf geklaut hat, was das für ein seltsamer Vogel ist, der da überm Loreleyfelsen kreist und wo denn um Frickaswillen in einem reinen Weiberdorf die Kinder herkommen - ja, dann müßt ihr einfach reingucken in mein neues Buch. Ihr werdet dann die Germaninnen in einem völlig neuen Licht sehen!!

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