Inflation: Wie gegensteuern?

Foto: Martin Schutt/ZB/picture alliance
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Fast zwei Jahrzehnte war sie kaum ein Thema. Doch nun ist sie wieder da, die Inflation. Die Preise steigen – und das könnte durchaus noch eine ganze Weile so weiter gehen. Denn es treffen derzeit weltweit einige Entwicklungen aufeinander und verstärken sich sogar gegenseitig, die stark preistreibend wirken.

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Da ist zum ersten die Corona-Pandemie mit den ausgelösten Lockdowns. Weltweit haben sich durch Corona Angebot und Nachfrage in kaum je dagewesenem Maß verschoben. Zudem sind die weltweiten Lieferketten unterbrochen. Doch: Für uns in Europa und vor allem in Deutschland noch wichtiger ist zweitens, dass Putin und der Westen mit Gaslieferungen Politik machen. Putin reduziert die Gaslieferungen so sehr, dass die Preise extrem in die Höhe geschossen sind. Dahinter dürfte die Idee stehen, den Westen zu Zugeständnissen im Konflikt um die Ukraine zu bringen.

Und dann ist da ein dritter Trend, der bleiben und ebenfalls die Preise beeinflussen wird. Das ist die Demografie! In Europa, aber eben auch in Asien und vor allem in China, geht die Zahl der Männer und Frauen im erwerbsfähigen Alter zurück. Damit wird Arbeit tendenziell teurer. Das erschwert die bisherige Politik von weltweit tätigen Großkonzernen, die Produktion immer weiter in Niedriglohnländer zu verlagern.

Die Preise steigen - und das könnte noch eine ganze Weile so weitergehen

Damit sind wir aber auch schon bei Strategien gegen die Geldentwertung. Spielen wir das anhand einer Putzhilfe durch. Nehmen wir an, Sie sind eine Putzhilfe und arbeiten in Privathaushalten. Wie sehr sind die Menschen, deren Wohnungen Sie sauber halten, auf Sie angewiesen? Wenn Sie heute zehn Euro die Stunde bekommen und morgen zwölf Euro verlangen würden, was wäre die Reaktion?

Drei Varianten sind möglich: Erstens – und für Sie am besten: Ihre KundInnen akzeptieren die Preiserhöhung, ohne mit der Wimper zu zucken. Ihre Dienstleistung ist ihnen so wichtig, dass sie die Preiserhöhung hinnehmen.

Zweite mögliche Reaktion: Sie akzeptieren die Preiserhöhung, reduzieren aber die nachgefragte Stundenzahl. Statt vier Stunden werden Sie nur noch drei Stunden beschäftigt. Damit reduziert sich Ihr Verdienst von 40 auf 36 Euro.

Die dritte Variante ist, – was wahrscheinlich diejenigen erleben, die nur einen einzigen Auftraggeber haben, also fest angestellt sind – Ihr Auftraggeber stöhnt gewaltig und sagt, dass er sich das nicht leisten könne! Sie stöhnen und sagen, dass aber alles teurer werde! Nach kurzem oder längerem Hin und Her einigen Sie sich auf eine Lohnerhöhung von zehn statt 20 Prozent.

Die Zeit, in der Faustkeile gegen Honigmet getauscht wurde, ist vorbei

Egal, um welche Dienstleistung oder welche Ware es geht – alle Preisfindungsprozesse werden nach diesen drei Mustern ausgehandelt. Beispiel russisches Gas: Noch ist die Energiewende nicht geschafft, noch sind wir abhängig davon. Also müssen wir zahlen, was die russischen Energieunternehmen fordern. Denn die Alternative, im Winter einfach die Heizung abzuschalten ist keine – oder eben erst, wenn wir genügend Windräder und Wärmepumpen in Deutschland installiert haben, um unsere eigene Energie herzustellen.

Angebot, Nachfrage und die Reaktionen auf Änderungen von beidem liegen also allen Preisverschiebungen zugrunde. Warum aber ist dann in den Nachrichten immer auch von der Europäischen Zentralbank (EZB) und den Zinsen die Rede? Ganz einfach: Zins ist der Preis des Geldes. Und Geld ist unser Universal-Tauschmittel für alle wirtschaftlichen Transaktionen. Denn die Zeit, in der Faustkeile gegen Honigmet getauscht wurden, sie ist vorbei.

Um die vielfältigen Krisen der vergangenen Jahre – von der Weltfinanzkrise 2008/9 bis hin zu Corona – in den Griff zu bekommen, haben die Zentralbanken und die Regierungen die Geldmenge massiv erhöht. Dieses „neue“ Geld ging beispielsweise in Form von Coronahilfen an die Wirtschaft, aber auch an BürgerInnen. Ökonomisch gesehen nahm damit das Angebot an Geld sehr deutlich zu. Weil aber die Nachfrage nach Geld – beispielsweise für Investitionen in Fabriken oder den Bau von Windrädern – nicht gleichstark zunahm, ist der Preis des Geldes und damit der Zins immer weiter gesunken.

Wenn die Zentralbanken weltweit nun darüber nachdenken, den Zins zu erhöhen – oder im Fall der USA auch schon definitiv angekündigt haben –, bedeutet das vor allem eines: der Preis des Geldes steigt wieder. Damit verändern sich dann auch wieder Angebot und Nachfrage nach Geld: Eine Anlegerin wird sich möglicherweise dafür entscheiden, ihr Geld lieber in Zinspapieren anzulegen statt in eine Wärmepumpe zu investieren. Machen das viele, schaffen sie neue Probleme: Der Wärmepumpen-Produzent geht pleite und muss seine Mitarbeitenden entlassen.

Und da wäre noch eine vielsversprechende Strategie für mehr Lohn...

Diese Gedankenexperimente zeigen nicht nur, wie sehr die einzelnen Entwicklungen vom Gaspreis über die Krisenbekämpfung bis hin zu individuellen Anlageentscheidungen miteinander verknüpft sind. Sie zeigen auch das Dilemma der Regierenden und der Zentralbanken weltweit: Eine dauerhaft hohe Inflation ist schlecht. Aber dagegen mit steigenden Zinsen anzukämpfen ist auch problematisch. Was also tun?

Relativ am einfachsten zu analysieren ist der dritte Inflationstreiber: die demografischen Veränderungen. Bis 2030 werden in Deutschland deutlich mehr Menschen in Rente gehen, als Jugendliche und Zuwandernde eine Arbeit aufnehmen. Wer also in Bereichen arbeitet, wo die Nachfrage größer ist als das Angebot, wird sehr wahrscheinlich den Preis für die eigene Arbeit kontinuierlich erhöhen können.

Davon könnten in den nächsten Jahren dann endlich auch gerade die Geringverdienenden profitieren – von der Putzhilfe über den Verkäufer bis hin zum Wachpersonal. Dasselbe gilt für alle, die nicht durch Maschinen ersetzbar sind – im Pflegebereich und Handwerk beispielsweise.

Aber Sie müssen sich eben auch trauen, mehr Geld für die eigene Arbeit zu verlangen. Oder den Job zu wechseln, um bei einem anderen Arbeitgeber mehr zu verdienen. Und dann gibt es da noch die etwas altmodische, aber nichtsdestotrotz immer noch vielversprechendste Strategie für mehr Lohn – sich gemeinsam organisieren und gemeinsam dafür streiten.

MARGARET HECKEL

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