Protest gegen „Marsch für das Leben“!

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Am nächsten Samstag ist es wieder so weit: Der „Bundesverband Lebensrecht“ marschiert durch Berlin. „Für ein bedingungsloses Ja zum Kind und gegen Scheine, die Abtreibungen legitimieren.“ Sein Ziel: „Ein Europa ohne Abtreibung und Euthanasie“. Mit von der Partie sind christliche FundamentalistInnen wie Birgit Kelle oder die „Christen in der AfD“. Aber auch mehrere CDU-PolitikerInnen wie der Vorsitzende der CDU-Werteunion, Alexander Mitsch, unterstützen den „Marsch für das Leben“ mit einem Grußwort.

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Und wie jedes Jahr werden sich auch diesmal wieder Tausende den „Lebensschützern“ entgegenstellen und für das Recht auf Abtreibung demonstrieren. Denn: „Diese Menschen wollen uns allen das Recht auf Selbstbestimmung über unseren Körper und unser Leben absprechen. Das nehmen wir nicht hin! Wir dürfen ihnen nicht die Straßen Berlins überlassen!“ erklärt das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, ein Zusammenschluss von rund 40 Organisationen von Pro Familia über Terre des Femmes bis zum Arbeitskreis Frauengesundheit.

Diesmal lädt das Bündnis erstmalig zu einer ganzen Aktionswoche ein. Nach der Gegendemonstration am Samstag (Beginn: 12 Uhr Washingtonplatz vor dem Hauptbahnhof) geht es weiter mit Aktionen in ganz Deutschland – vom Kleiderbügel-Flashmob in Freiburg bis zur Ausstellung „Frauen zeigen Gesicht“ in Gießen. Die wurde initiiert von Kristina Hänel, die fand: „Wir müssen die Gesichter der unzähligen Frauen zeigen, die an illegalen Abtreibungen gestorben sind, und ihre Geschichten erzählen.“

Die Aktionswoche endet mit dem „Internationalen Tag für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen“ am 28. September. „Weltweit sterben jährlich nachweislich mindestens 22.800 ungewollt Schwangere an den Folgen eines unsicheren, unprofessionell durchgeführten Schwangerschaftsabbruchs. Das zeigt, wie wichtig es ist, legale und sichere Abbruchmöglichkeiten durchzusetzen“, erklärt das Bündnis.

Und auch in Deutschland wird die Versorgung ungewollt schwangerer Frauen immer schwieriger: „Wir haben bundesweit kein flächendeckendes Angebot von ÄrztInnen oder Kliniken, die Abbrüche durchführen. So müssen ungewollt Schwangere in vielen Gegenden mehrere Stunden Weg auf sich nehmen, um zur nächsten Praxis zu gelangen. Häufig treffen sie dort auf AbtreibungsgegnerInnen, die die Praxen und Beratungsstellen belagern und versuchen, Druck auf die Schwangeren aufzubauen. Durch Stigmatisierung und Kriminalisierung, sowie mangelnde medizinische Ausbildung, schrumpft auch das bestehende Angebot bedrohlich weiter.“

Doch der Widerstand gegen Bevormundung und Einschüchterung wächst.

Infos + alle Termine: Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung

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Deutsche ÄrztInnen am Pranger!

Kristina Hänel (li) und Nora Szász (re) wollen nicht auf die Liste. Fotos: Rolf K. Wegst/epd/ImagoImages (li), Kirsten Artus (re).
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Leichter hätte man es Günter Annen wohl kaum machen können. Bisher musste der fanatische Abtreibungsgegner aus Weinheim – dem der Europäische Gerichtshof jüngst untersagte, Abtreibungen mit dem Holocaust zu vergleichen – jede Website einzeln durchsuchen. Das war mühselig und zeitaufwändig, immerhin sind in Deutschland rund 390.000 praktizierende Ärztinnen und Ärzte gemeldet. Doch ab jetzt geht‘s schneller, mit ein paar Klicks. Denn der Betreiber der Website www.babycaust.de hat sie jetzt alle auf dem Präsentierteller. Die, die er schon angezeigt hat, und die, die er noch anzeigen will, weil sie gegen den § 219a verstoßen: das sogenannte „Werbeverbot“ für Abtreibungen.

Ende Juli 2019 hat die Bundesärztekammer eine Liste ins Netz gestellt. Darauf stehen MedizinerInnen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Die Liste ist Teil der „Reform“ des § 219a: Seit der schwarz-rote „Kompromiss“ im März 2019 in Kraft trat, dürfen ÄrztInnen auf ihrer Homepage zwar darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten, aber nicht wie. Wegen dieses absurden Verbots wurden am 14. Juni – also nach der Reform des § 219a – die Berliner Gynäkologinnen Bettina Gaber und Verena Weyer für folgenden Satz zu 4.000 Euro Geldstrafe verurteilt: „Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch gehört zu den Leistungen von Frau Dr. Gaber.“ Über die Methoden des Abbruchs sollen also nicht diejenigen informieren, die ihn durchführen, sondern: die Bundesärztekammer mit ihrer zentralen Liste.

Kristina Hänel und Nora Szász haben sich nicht auf diese Liste setzen lassen. Denn: „Die Liste enthält keine Details zum chirurgischen Abbruch, weder die Form der Narkose noch die durchgeführte Methode“, erklären Hänel und Szász in einem gemeinsamen Statement. Rabiate Ausschabung oder schonende Absaugung? Die hilfesuchende Frau erfährt es nicht. „Betroffene erfahren auch nicht, bis zu welcher Schwangerschaftswoche mit welcher Methode Abbrüche durchgeführt werden, was sich in der Realität oft als großes Problem erweist. Sie erfahren auch nichts über die zu erwartenden Kosten.“

Eine Luftnummer ist die Liste der Bundesärzte­kammer auch, weil sie, vorsichtig ausgedrückt, lückenhaft ist. Von rund 1.200 ÄrztInnen, die in Deutschland Abtreibungen durchführen, stehen ganze 87 drauf, also 7,25 Prozent. Und davon sind 56 in Berlin und 26 in Hamburg. Bleiben fünf für den Rest des Landes, davon drei in NRW und zwei in Baden-Württemberg. Und die zwölf anderen Bundesländer? Fehlanzeige. Die Liste werde „monatlich aktualisiert“, erklärt die Bundesärztekammer.

Dass sich noch viele ÄrztInnen finden werden, die sich auf die Liste setzen lassen möchten, ist allerdings unwahrscheinlich. Nicht nur, weil viele den entmündigenden „Kompromiss“ boykottieren dürften. Sondern auch, weil sie den fanatischen „Abtreibungsgegnern“ à la Annen ausgeliefert sind.

„Das ist keine Hilfe, sondern ein Pranger“, sagt auch Alicia Baier. „Die Liste erinnert an die Sammlungen, die Abtreibungsgegner zu­sammenstellen.“ Leute wie Günter Annen, der auf seiner Ba­by­caust-­Web­site ÄrztInnen auflistet, damit „Lebens­schüt­zer“ sie terrorisieren können. „Bera­tungs­stellen werden belagert, Ärztinnen werden bedroht“, klagt Alicia Baier. „In dieser Situation halte ich es für schwierig, alle Mediziner auf einer bundesweiten Liste zu sammeln.“

Alicia Baier hat an der Berliner Charité Medizin studiert und 2015 nach amerikanischem Vorbild die „Medical Students for Choice“ gegründet. Motto: „Lernt, was die Uni euch nicht lehrt!“ Denn unglaublicherweise wird die Abtreibung, der häufigste gynäkologische Eingriff, im Studium nicht verpflichtend gelehrt. Alicia und ihre MitstreiterInnen holten also Ärztinnen an die Charité, die ihnen mit Hilfe von Papayas – die der Gebärmutter recht ähnlich sind – demonstrieren, wie man den „einfachen, risikoarmen Eingriff“ durchführt.

Die angehende Medizinerin, die jetzt ihre Facharztausbildung zur Frauenärztin beginnt, hofft, dass „ich mich bis dahin selbst entscheiden kann, wo und wie ich über meine Arbeit informiere.“

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat inzwischen eingeräumt, dass es bei der Liste „Verbesserungsbedarf“ gebe. Und auch die SPD, die bisher „mit dem Kompromiss gut leben“ konnte (O-Ton Ex-Justizministerin Katarina Barley), meldet sich wieder zu Wort: „Die Liste der Bundesärztekammer ist faktische Desinformation“, sagt Nina Scheer. Die Bundestagsabgeordnete hat sich gerade zusammen mit dem Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach für den SPD-Vorsitz beworben. Sie fordert: „Der § 219a muss gestrichen werden!“ So ist es. Jetzt müsste die SPD ihren Worten nur noch Taten folgen lassen. Eine Mehrheit im Bundestag für die Streichung des § 219a gibt es ja.

Weiterlesen: Dossier Abtreibung - es geht wieder los! (5/18)

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