Upskirting ist jetzt endlich strafbar

Die Freundinnen Ida Marie Sassenberg und Hanna Seidel haben die Petition gestartet. - Fotos: Robert Haas; Simona Bednarek
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Zweimal in ihrem Leben ist die heute 28-jährige Münchner Studentin Hanna Seidel (Foto re) Opfer von Upskirting geworden. Das erste Mal mit 13 Jahren auf einer Klassenfahrt. Die Täter waren nicht etwa pubertierende Jungs, die die Mädchen ärgern wollten, sondern Lehrer einer anderen Schule, die heimlich den knapp jugendlichen Mädchen unter den Rock gefilmt haben.

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Beim zweiten Mal war sie 16 und mit einer Freundin auf einem Musikfestival. Die Freundin tippte sie an und meinte, ein Typ habe ihr gerade unter den Rock gegriffen. Hanna selbst sah noch, wie der Mann seine Hand wegzog. Also wandte sie sich sofort an zwei Polizisten. Doch diese antworteten nur: „Da können wir nichts machen.“ Wütend entschied Hanna, den Mann selbst zur Rede zu stellen und ihn aufzufordern, die Fotos zu löschen. Doch der gab ihr die Schuld. Schließlich habe sie „ja einen Rock angezogen“. Er drohte Hanna sogar Schläge an. Zum Glück konnten die Leute um sie herum sie schützen.

Das, was Hanna Seidel passiert ist, wird als „Upskirting“ bezeichnet: Der Täter fotografiert oder filmt Frauen heimlich unter den Rock. Ein klarer sexueller Übergriff? Nicht in Deutschland. Hierzulande ist Upskirting nicht strafbar.

Fotos unter
den Rock:
in Deutschland
jetzt strafbar

Als sexuelle Belästigung kann eine Frau - falls sie die Aufnahme überhaupt mitbekommen hat – den Übergriff nicht anzeigen, weil in der Regel keine Berührung stattfindet. Der relativ neue Paragraf 201a zur „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ kommt ebenfalls nicht in Frage: Der Paragraf gilt nur in Innenräumen. Meistens werden Upskirt-Fotos aber im öffentlichen Raum gemacht – auf Rolltreppen, in Supermärkten oder eben auf Festivals.

Momentan führt die einzige Möglichkeit für eine Anzeige über den Straftatbestand der Beleidigung: Dazu muss sich eine dritte Person von der Aufnahme des Fotos beleidigt fühlen und Anzeige erstatten. Die Betroffene selbst kann nichts weiter tun. Außer: Einfach keine Röcke mehr zu tragen, und wenn, dann nur noch mit blickdichter Strumpfhose.

So hat das auch Hanna Seidel nach dem Übergriff ein Jahr lang gemacht, weil sie sich in Röcken nicht mehr sicher gefühlt hat. Und sie hat sich gefragt: Was macht der Mann mit den Fotos? Ob er sie im Internet hochlädt oder sich damit befriedigt? „Es fühlte sich sehr eklig an“, erzählt die Regie-Studentin.

Tatsächlich landen viele der sogenannten Upskirts im Internet. Auf Pornoseiten, auf Youtube oder in Foren zusammen mit Tipps, wie man möglichst unauffällig noch mehr solcher Fotos schießen kann. Das Hochladen der Bilder ist zwar illegal, doch das ändert nichts daran, dass die Bilder sehr leicht und massenhaft zu finden sind.

In England drohen bis zu zwei Jahre Haft

Hanna hatte diese Vorfälle schon fast vergessen, als sie Jahre später über die Britin Gina Martin las, die das gleiche erlebt hatte wie sie. Auch sie wurde auf einem Musikfestival im Londoner Hyde Park zum Opfer von Upskirting. Zunächst bedrängten die Täter sie und fotografierten ihr dann unter den Rock. Sie schnappte sich das Handy und schaltete sofort die Polizei ein. Und auch hier konnten die Beamten nichts weiter tun als die Täter zum Löschen der Fotos aufzufordern. Der Fall wurde zu den Akten gelegt. Konsequenzen für die Täter gab es keine.

„Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte“, sagt Gina Martin. Sie startete eine Online-Petition, in der sie das gesetzliche Verbot von Upskirting forderte. 110.000 Menschen unterzeichneten – und Theresa Mays Regierung handelte! Künftig muss, wer in England heimlich Frauen unter den Rock filmt und fotografiert, mit bis zu zwei Jahren Haft rechnen. Auch in Frankreich und Belgien ist Upskirting bereits verboten.

Als Hanna von der Petition las und sich mit ihrer Freundin Ida Marie Sassenberg darüber unterhielt, suchten die beiden Frauen sofort nach einer deutschen Petition, die sie unterzeichnen und unterstützen könnten. Doch: Es gab keine. „Das kann doch nicht sein“, fanden die Freundinnen - und wurden selbst aktiv. „Verbietet Upskirting in Deutschland!“ fordern sie in ihrer Petition. „Wir müssen dafür kämpfen, dass Upskirting zur sexuellen Belästigung zählt und somit auch in Deutschland strafbar ist.“

Über 82.000 Unterschriften haben sie schon – und einen ersten Erfolg: NRW, Bayern und Baden-Württemberg wollen nach der Sommerpause einen entsprechenden Gesetzentwurf als Bundesratsinitiative einbringen. Auch Schleswig-Holstein hat seine Unterstützung angekündigt, ebenso wie die FDP-Bundestagsfraktion. Und jetzt hat Justizministerin Christine Lambrecht Stellung bezogen: "Wer Frauen und Mädchen heimlich unter den Rock fotografiert, greift massiv in ihre Intimsphäre und ihr Persönlichkeitsrecht ein", sagte die SPD-Politikerin. Dieses "demütigende und herabwürdigende Verhalten" sei absolut inakzeptabel sei. Die Justizministerin plant nun eine Änderung des Strafgesetzbuchs, die "zügig umgesetzt" werden soll.

Hanna Seidel und Ida Marie Sassenberg sind entschlossen, ihr Anliegen bis zum Erfolg durchzukämpfen. Schon über 82.000 Unterschriften stärken ihnen den Rücken.

Petition unterzeichnen: https://www.change.org/p/verbietet-upskirting-in-deutschland

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