Sexist Man Alive 2023: Jan Böhmermann

Jan Böhmermann - Foto: Jens Koch/ZDF Magazin Royale
Artikel teilen

Alles so schön bunt hier, im Studio des Magazin Royale. Die Late-Night-Kulisse. Das Orchester, das Publikum. Und erst mal der Herr mit den grauen Haaren, im Slim-Fit-Anzug mit Krawatte: Jan Böhmermann, 42. Hier die Guten, Böhmi & Fans – da die Bösen, die Nazis. Und das sind eigentlich alle, die nicht bei drei auf seiner Linie sind.

Anzeige

Sandra Maischberger ist Nazi, sein Ex-Arbeitgeber Harald Schmidt ist Nazi und CDU-Chef Friedrich Merz ist quasi der Ober-Nazi.

2.700.000 FollowerInnen gefällt sowas. Kein Wunder, dass da Neid aufkommt bei den alten weißen Männern. Die regen sich auf über Böhmermanns Nazi-Fimmel und seine „schmutzige Denunziation“ (FAZ), über den „Meinungspolizisten“ (Stern) und „Exorzisten“ (Cicero). Die Süddeutsche Zeitung ortet in seiner wöchentlichen Sendung, der doch immerhin um die 20 Gagschreiber zuarbeiten sollen, gar eine „talentlose Billigware“ und „Schnellschusshumor aus dem Fleisch der Demagogie“. Und Harald Schmidt, in dessen Satire-Sendung Böhmermann einst als Mädchen für alles in das Humorfach beim Fernsehen hüpfte, kommentiert den Nachwuchs nur knapp als „Krawallschachtel“.

EMMA präsentiert: Sexist Man Alive 2023 ist Jan Böhmermann!
EMMA präsentiert: Der "Sexist Man Alive" in diesem Jahr ist Jan Böhmermann!

Was ist da los? Ein Missverständnis? Haben die alle nicht verstanden, dass der gebürtige Bremer, dieser rechtschaffene Ehemann und Vater von drei Kindern im Kölner Vorort Pulheim, ein „investigativer Journalist“ ist und ein „Satiriker“? Letzteres vor allem immer dann, wenn die exklusiven „Enthüllungen“ sich als substanzlos erweisen – und das tun sie immer öfter.

Arne Schönbohm, den Böhmermann als „Cyberclown mit Kontakten zum russischen Geheimdienst“ verhöhnte und der flugs von Chefin Nancy Faeser des Amtes enthoben wurde, hatte sich schlicht gar nichts zu Schulden kommen lassen. Das bewies eine nachträgliche sechsmonatige Prüfung des Ministeriums. Huppsi. Nicht nur Faeser, sondern auch Böhmermann und das ZDF stehen seither unter wachsender Kritik der diffamierenden, grundlosen Verdachtsberichterstattung.

Aktuell hat die „Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs“ Programmbeschwerde beim ZDF eingelegt. In seiner Sendung am 8. September über „Rituelle Gewalt“ machte Böhmermann sich über sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche durch „satanistische Kreise“ lustig – mal wieder in Unkenntnis zentraler Fakten zum Thema.

Das gebührenfinanzierte ZDF stört das alles offensichtlich nicht. Mit dem Zweiten sieht man besser – nicht so genau hin.

So hält man es auch in Marl, wo Jahr für Jahr der renommierte Grimme-Preis vom Volkshochschulverband zurechtgeklöppelt wird. Sechs Mal hat Böhmermanns königliches Magazin ihn schon bekommen: für „exzellente Rechercheleistung“ – ausgerechnet – und in diesem Jahr für die quotenträchtige Mischung aus „Satire und Comedy mit investigativer Recherche“.

Der EMMA-Award: Eine Stinkmorchel für den diesjährigen Preisträger Jan Böhmermann.
Der EMMA-Award: Eine Stinkmorchel für den diesjährigen Preisträger Jan Böhmermann.

Wie das geht, zeigte sich schon 2016. Da löste Böhmermann pöbelnd eine regelrechte Staatsaffäre um den türkischen Präsidenten Erdoğan aus. Den griff Böhmermann nicht etwa als Anti-Demokraten, autoritären Herrscher oder Gottesstaatler an. Nein, der Spaßvogel ging den autokratischen Staatschef mit seiner „Schmähkritik“ als Türken an, nannte ihn einen „Ziegenficker“ mit „Schrumpelklöten“, dessen „Gelöt nach Döner stinkt“. Denn das weiß man ja: Dass alle Türken Ziegenficker sind. Wie man sowas in unseren Breitengraden sonst nennt? Rassismus. Rassismus pur – außer – es trifft den Richtigen. Noch dazu im öffentlich-rechtlichen ZDF. „Die Bundesregierung darf nicht wackeln, wenn es um Freiheit und Menschenrechte geht“, verkündete Böhmermann, als Erdoğan Strafanzeige stellte und der royale Satiriker plötzlich staatlich finanzierten Polizeischutz benötigte.

Im September 2020 twitterte Böhmermann über den damaligen CSU-Innenminister Horst Seehofer (damals 71), der eine Studie über „Rassismus in Deutschland“ ankündigte, verbunden mit einer Solidaritätsbekundung für PolizistInnen: „Fick dich Opa!“

Auf den unangemessenen Ton angesprochen, erklärte Böhmermann, er sei wütend gewesen und „so traurig und verzweifelt“.

Und Böhmermanns Sendung zum Thema Transgender am 2. Dezember 2022. „Transfrauen sind Frauen. Basta!“, verkündete der Investigative. Und: „Es ist längst wissenschaftlicher Konsens, dass es sehr wohl mehr als zwei biologische Geschlechter gibt.“ Biologische Geschlechter, wohlgemerkt, nicht etwa Geschlechterrollen (von denen es in der Tat viele gibt). Es kann vermutlich nicht mehr lange dauern, bis unser aller Böhmi verkündet: Die Erde ist eine Scheibe! Hoffentlich fallen wir dann nicht alle runter.

Böhmermann: "... wissenschaftlicher Konsens, dass es mehr als zwei biologische Geschlechter gibt."
Böhmermann: "... wissenschaftlicher Konsens, dass es mehr als zwei biologische Geschlechter gibt."

Alice Schwarzer hat das ZDF noch nicht wie Arne Schönbohm verklagt. Sollte sie eigentlich. Denn auch sie wird von Böhmermann namentlich in die Nazi-Ecke gerückt. Böhmermann: „Nazis lesen EMMA!“. Zusammen mit AfD-von-Storch schüre sie „Hass gegen Transmenschen“, die beiden gehörten zu einem „Arschloch-Netzwerk“, das „von russischen Oligarchen finanziert wird“, suggerierte Böhmermann: mit 188 Millionen Dollar aus Russland für anti-trans und anti-gender Kampagnen in Europa.

Überhaupt diese Alt-Feministinnen. Die sind – im Gegensatz zu den intersektionalen Neofeministinnen – alle von gestern. Sie sind nicht nur „Terfs“ (Trans-Exclusionary Radical Feminists – Trans-ausschließende Radikalfeministinnen), sondern auch „Turds“ (Scheißhaufen), O-Ton Moderator.

Die EMMA-Ausgabe mit dem "Sexist Man Alive 2023" - jetzt in Handel und im www.emma.de/shop
Die EMMA-Ausgabe mit dem "Sexist Man Alive 2023" - jetzt in Handel und im www.emma.de/shop

Nach Schwarzers Interview auf SpiegelOnline im August 2023 zur Transsexualität twitterte Böhmermann, Schwarzer sei „eigentlich eine ganz normale 80-Jährige, die auf ihren letzten Metern gerne hätte, dass alles so bleibt, wie es nie war.“ Beifall in der Community? Nein. Diesmal war er zu weit gegangen, „Sexismus!“ und „Altersdiskriminierung!“ schallte es ihm auf Twitter massiv entgegen.

Ist eigentlich irgendwann mal Schluss mit lustig im Reich der Krawallschachtel? Will ZDF-Intendant Himmler den Böhmi wirklich immer weiter wüten lassen? Und der Rundfunkrat – der Beschwerden mit banalen Textbausteinen beantwortet – nicht minder?

Der Preis, den das ZDF für die Narrenfreiheit des „Arschlochs mit Herz“ (Selbstbeschreibung) zahlt, ist hoch. Denn diese Art von Schmierentheater erhellt nicht, sondern verdunkelt. Dieses Arschloch ohne Herz ist kein Aufklärer, sondern ein Demagoge; ein Biedermann und Brandstifter, der von den Gebühren der Öffentlich-Rechtlichen fett gefüttert wird. 651.000 Euro Jahresgehalt sollen es sein, steigend. Für einen Denunzianten und Volksverhetzer. Der Gipfel aufgeblasener Männlichkeit. Dafür ernennt EMMA Jan Böhmermann zum „Sexist Man Alive 2023“.

Bitte den Preis nicht abholen, Herr Böhmermann. Wir schicken ihn nach Pulheim. Ist ja nicht weit.

Artikel teilen
 
Zur Startseite