Sponsert Pornhub Filmfest?

Torsten Neumann bei der Eröffnung des Filmfestivals 2019 in Oldenburg. - Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa
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Der „Tatort“ läuft bekanntlich um 20.15 Uhr. Auch, wer Deutschlands Lieblingskrimi in der ARD-Mediathek sehen möchte, kann das erst nach 20 Uhr. Vorher ist der „Tatort“ blockiert. Warum? Weil Kinder unter 13 Jahren „vor negativen Einflüssen geschützt“ werden sollen, erklärt die „Kommission für Jugendmedienschutz“, sprich: vor der Darstellung brutaler Gewalt, die ein Kind verstören kann. Oder die es glauben lassen könnte, dass Gewalt normal ist.

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Derselbe Zwölfjährige, der den „Tatort“ deshalb nicht schauen darf, kann aber problemlos zum Smartphone greifen und dort pornhub.com eingeben. Die weltgrößte Porno-Plattform hat nach eigenen Angaben 42 Milliarden Aufrufe im Jahr. Das macht 115 Millionen Klicks am Tag auf sechs Millionen Clips, die die User selbst hochgeladen haben.

Jeder Zwölfjährige kann problemlos von Kikaninchen auf Pornhub wechseln

Dr. Tobias Schmid
Dr. Tobias Schmid

Dort kann der Zwölfjährige sehr viel verstörende Gewalt gegen Frauen sehen, zum Beispiel in den Kategorien „Teens“, „Gangbang“ oder „Gefangenschaft“. Theoretisch ist das in Deutschland verboten. Praktisch ignoriert Pornhub, die weltgrößte Porno-Plattform mit Sitz im kanadischen Montreal, schlicht das deutsche Gesetz. Eigentlich müsste das Portal Kindern und Jugendlichen den Zugang zu seinen „Angeboten“ unmöglich machen. Zum Beispiel, indem Nutzer sich per Post-Ident-Verfahren oder Kreditkarte als volljährig identifizieren. Porno-Anbieter mit Sitz in Deutschland haben diese Schleuse in der Regel vorgeschaltet. Aber Pornhub mit Sitz und Server im Ausland fühlt sich offenbar nicht ans Gesetz gebunden – und tut nichts dergleichen.

Das will Tobias Schmid nicht länger hinnehmen. „Bei Fernsehsendern kontrollieren wir jede Ausspielung darauf, ob die Musik nicht zu gruselig ist, gleichzeitig kann aber jeder Zwölfjährige von Kikaninchen auf Pornhub wechseln“, klagt der Leiter der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen.

Die Vergewaltigung der entführten
15-Jährigen lief in 58 Clips auf Pornhub

Er droht Pornhub und drei weiteren großen Porno-Portalen jetzt mit einer Sperre. Zwar steht der Server der vier Porno-Anbieter in Zypern, aber NRW hat die zypriotischen Behörden mit ins Boot geholt und den skrupellosen Geschäftemachern eine Unterlassungsverfügung zugestellt. Wenn Pornhub & Co. nicht reagieren (was sie bei Redaktionsschluss noch nicht getan hatten), dann droht der nächste Schritt: Die Telekom oder der jeweilige Internet-Anbieter würden Pornhub in Deutschland sperren. Das wäre eine Sensation!

Dass sich eine deutsche Behörde ernsthaft mit den Porno-Giganten anlegt, ist in Deutschland ein bisher einmaliger Schritt – wenn auch ein längst überfälliger. Einen Schritt weiter geht Laila Mickelwait. Die kalifornische Anti-Porno- und Anti-Prostitutions-Aktivistin fordert: „Schließt Pornhub!“ Denn das Unternehmen hat nicht nur keine Sperre für Jugendliche – es nimmt für seine Millionengewinne auch in Kauf, dass Opfer von Menschenhandel für die Clips vergewaltigt werden.

800.000 Menschen haben die Petition von Laila Mickelwait unterschrieben

Laila Mickelwait
Laila Mickelwait

Wie das 15-jährige Mädchen aus Florida. Ein Jahr lang blieb das Mädchen verschwunden, dann wurde sie entdeckt: auf Pornhub. In 58 Videos wurde ihre Vergewaltigung gezeigt. Die Polizei hat den Täter, der das Mädchen entführt hatte, inzwischen verhaftet. Auch der amerikanische Pornoproduzent Michael Pratt, der die Vergewaltigung mehrerer Kinder filmte und auf Pornhub hochlud, wird gerade per Haftbefehl gesucht.

„Es gibt allerdings zwei weitere Personen, die nicht auf der Strafverfolgungs-Liste stehen“, schreibt Laila Mickelwait. Die Firmenchefs Feras Antoon und David Tassilo. „Pornhub trägt die Mitschuld an dem Menschenhandel mit diesen Frauen und Minderjährigen und wahrscheinlich an noch tausenden ähnlichen Fällen.“ Mickelwaits Petition auf change.org haben schon über 900.000 Menschen unterschrieben, in den USA und Großbritannien berichteten Medien vom Guardian bis zur New York Post über den Skandal. In Deutschland herrscht Schweigen. Umso beachtlicher, dass NRW auch ohne öffentlichen Druck voran geht.

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Outside Deep Throat

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Im Foyer des Kölner Cinedom helfen junge langhaarige Hostessen in schwarzen Tops (mit einem weit geöffneten blutroten Frauenmund als Logo) gerne weiter. „Inside Deep Throat? Die Treppe rauf, Kino 5. Viel Spahaß!“

In Kino 5 erklärt ein blonder Jüngling im Nadelstreifensakko dem Publikum im Auftrag von Constantin Film, was in dem „Superfilm“ Sache ist. Superschade eigentlich, dass er zu jung ist, um damals selbst dabei gewesen zu sein. Es war nämlich bestimmt supercool, sich 1972 "Deep Throat" im Kino anzuschauen. Denn, weiß er, „es konnte passieren, dass die Nachbarreihe dabei mal eben ’n Blowjob gemacht hat.“ (Will sagen: Oralverkehr.) Hihi.

Am allercoolsten findet der junge Mann allerdings, wie viel Kohle ‚Deep Throat‘ den Machern gebracht hat. „Es hat 25.000 Dollar gekostet, den Film zu machen, und eingespielt hat er 600 Millionen!“

Nach der Vorführung sind alle noch zur Party in einem Kölner Club eingeladen. „Mit’n bisschen Gogo und kleinen Schweinereien.“ Höhö. Dann surrt der Projektor. "Inside Deep Throat", der Dokumentarfilm über "Deep Throat", beginnt.

"Deep Throat" ist der wohl berühmteste Pornofilm der westlichen Welt. Erstens, weil er der erste Pornofilm ist, der die Nische der schmierigen kleinen Pornokinos verließ, und in den großen Häusern Millionen einspielte (die übrigens alle von der Mafia kassiert wurden, die in den USA die Faust auf den Pornokinos hat).

Die „Handlung“: Eine Frau, die beim Sex nichts empfindet, geht zum Arzt. Der stellt fest: Kein Wunder, denn ihre Klitoris sitzt im Hals. Was im Rest des Films passiert, dürfte klar sein.

Der junge Mann im Nadelstreifen weiß folgendes nicht, darum erinnern wir: 1972, das war die Zeit der Frauenbewegung und die Zeit, in der Frauen ihre Lust entdeckten. Das körperliche Zentrum dieser Lust, das machten sie den Rein-Raus-Fans klar, ist die Klitoris (das physiologisch weibliche Pendant zum Penis). Dieses Lustorgan verpflanzten die Macher von "Deep Throat" (Tiefer Rachen) nun in den Frauenhals.

Doch angeblich war "Deep Throat" gar kein Angriff auf das aufkeimende (sexuelle) Selbstbewusstsein der Frauen, sondern eine kühne Attacke gegen die reaktionären, sexfeindlichen Puritaner. Im Zuge der „sexuellen Revolution“ galt der Film als „sexuell befreiend“. Promis von Jack Nicholson bis Jackie Kennedy zeigten sich an den Kinokassen.

Acht Jahre nach seinem Start wird "Deep Throat" noch einmal zum Politikum. Hauptdarstellerin Linda Boreman, Künstlername Linda Lovelace, veröffentlicht ein Buch, Titel "Ordeal" (Martyrium), deutscher Titel: "Die Wahrheit über Deep Throat". In diesem Buch schilderte die New Yorkerin, unter welchen Umständen sie zur gefeierten Pornoqueen wurde.

Mit 20 Jahren trifft die junge Frau aus dem ebenso puritanischem wie brutalem Elternhaus Chuck Traynor. Der Ex-Marine, Vietnam-Veteran und Jaguar-Fahrer hilft ihr zunächst, ihre Eltern zu verlassen, sodann entpuppt er sich als Ex-Bordellbesitzer auf der Suche nach einer neuen Einnahmequelle. Das „erste Mal“ soll in einem Hotelzimmer mit fünf Geschäftsmännern stattfinden. Als Linda sich weigert, droht Traynor ihr, sie zu erschießen.

„‚Zieh deine Kleider aus, oder du bist eine tote Nutte!‘, sagte er. Plötzlich wusste ich, dass er mir nichts vormachte. Er würde mich erschießen. Ich zog stumm meine Kleider aus, Tränen rannen mir übers Gesicht, ich zitterte am ganzen Körper. Jener Tag, jene Stunde, jener Augenblick war der Wendepunkt in meinem Leben. Und ich frage mich: Würde ich dasselbe wieder tun? Würde ich das alles noch einmal durchmachen? Nein. Heute hätte ich mich für die Kugel entschieden.“

Linda Boreman wird Chuck Traynors Gefangene. Er behält alles Geld (inclusive der 1.200 Dollar, die sie später für "Deep Throat" bekommt), sie muss ihn um Erlaubnis fragen, wenn sie duschen, schlafen, essen will. Er schlägt und tritt sie grün und blau, zwingt sie mit vorgehaltener Waffe zum Sex mit Hunden. Er führt ihr Gartenschläuche in den After ein und dreht auf. Und er „übt“ mit ihr, wie sie ihre Halsmuskulatur so entspannen kann, dass sie einen Penis komplett aufnehmen kann – ihre Schlüsselqualifikation für "Deep Throat".

Acht Jahre später wird Linda Boreman, die Hauptdarstellerin des „Befreiungs“-Pornos "Deep Throat", zur Kronzeugin der Feministinnen im Kampf gegen Pornografie und Sexualgewalt.

Doch über all das erfahren wir in dem Dokumentarfilm von Fenton Bailey und Randy Barbato nur am Rande. Dafür alles über das prüde Amerika und die Richter, die "Deep Throat" auf den Index setzten mit dem Argument, der Film „bestärke die Frau im Glauben an einen klitoralen Orgasmus“. Was nicht ohne Ironie ist.

Folgt der Reigen der Pornografen. „Der Film zeigte auf, dass Frauen ein Recht auf ein eigenes Sexualleben haben“, erklärt Larry Flint, der in seinem Porno-Magazin Hustler als erster realistische Fotostorys über Vergewaltigungen zeigte. Playboy-Herausgeber Hugh Hefner, der darauf brannte, Linda Lovelace bei seinen Sexpartys bei der Penetration durch einen Hund zuzusehen und Schriftsteller Norman Mailer, der seine Ehefrau in einem „Anfall von Eifersucht“ erstach, stimmen zu. Hier geht es um die wahre Befreiung der Frau!

Und der Protest der Feministinnen? Prüde, männerfeindliche Zicken. Linda Boreman? Unglaubwürdig und hysterisch.

„Linda brauchte immer jemanden, der ihr sagte, was sie tun sollte. Dann war sie glücklich. Als sie Deep Throat drehte, war sie glücklich“, erzählt der Ex-Friseur und Deep Throat-Regisseur Gerard Damiano.

Bei Linda Boreman klingt das etwas anders. Die Filmcrew war im Nebenzimmer, als Chuck Traynor sie so zusammentrat, dass Linda laut um Hilfe schrie. Niemand kam. Regisseur Damiano gerät erst am nächsten Tag in Rage, als er die blauen Flecken an den Beinen seiner Hauptdarstellerin sieht. Sie werden überschminkt.

Und die Medienreaktionen 2005? „Linda Lovelace hatte Orangenhaut und Hängetitten“, ist der einzige Kommentar, den neon, das Magazin für den hippen Twen, dem Regisseur des Dokumentarfilms entlockt. Auch auf vier Seiten Playboy findet sich, klar, kein einziges Wort über Lindas Martyrium, im Gegenteil: „Goldkehlchen Lovelace genießt die Jahre als Filmstar.“

Im Spiegel ist Linda Boreman ebenfalls eine „haltlose junge Frau auf der Suche nach ihren 15 Minuten Ruhm“, aber immerhin erfahren die LeserInnen, dass sie ihre Rolle „angeblich unter Gewaltandrohung“ spielte. Angeblich. Linda Boreman selber kann zu all dem leider nichts mehr sagen: Sie starb im Jahr 2002 bei einem Unfall.
Vor dem Kölner Club Triple A bieten inzwischen langhaarige Studentinnen in Krankenschwester-Kostüm mit Häubchen und Strapsen à la Lovelace auf Silbertabletts die angekündigten „kleinen Schweinereien“ an: blutrote Weingummi-Münder. Der glatzköpfige Fotograf eines Regionalmagazins erscheint. „Schiebt sie euch rein, Mädels“, feuert er die Damen an. „Wir machen jetzt hier mal ’n bisschen Deep Throat!“ Die Lindas kichern.

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