Barbara Frey: Die Schlagkräftige

Barbara Frey ist die erste Frau auf dem Intendantensessel des Schauspielhauses Zürich. - Foto: Reinhard M. Werner
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Es kann schon mal vorkommen, dass die Chefin des größten Schweizer Sprechtheaters nicht zu sprechen ist. Barbara Frey ist zwar eine öffentliche Person, doch das lässt sie weit­gehend unberührt. Im Schutzraum des Privaten aber legt die 54-jährige öffentlichkeitsfremdelnde Intendantin eine für Uneingeweihte überraschende, warmherzige Kumpelhaftigkeit an den Tag.

Für Nina Hoss zum Beispiel hat Frey damals als Hausregisseurin am Deutschen Theater Berlin „Medea“ inszeniert. Hoss findet, dass Frey die Proben mit „einer großen Zuneigung“ beobachte und begleite. Diese Genauigkeit in der Wahrnehmung und Empfindung in künstlerischen Prozessen setzt voraus: Die Regisseurin ist gegenüber vielem, was nicht mit ihrer konkreten Arbeit zu tun hat, fatal gleichgültig, vor allem gegenüber dem Interesse an ihrer Person. Damit macht sie sich angreifbar, so angreifbar, wie es Kunst eben ist.
Frey ist entschieden eine politische Zeitgenossin und Künstlerin und wird dafür als Regisseurin an renommierten deutschsprachigen Bühnen eingeladen, 2014 gab sie mit „Elektra“ ihr Opernregiedebut an der Semperoper Dresden. Sie lebt in ihrer Arbeit und wird dafür von ihren Schauspielerinnen und Schauspielern geliebt.

Doch wollen Viele von ihr Vieles wissen: Barbara Frey wird im Sommer 2019 das Schauspielhaus Zürich verlassen. Um wohin zu gehen? Man handelt sie als Nachfolgerin von Matthias Lilienthal am Residenztheater München. Doch an Spekulationen beteiligt sie sich definitiv grundsätzlich nicht. Ohne Grundsätze kann sie nicht leisten, was sie seit 2009 leistet.

Sie sitzt als erste Frau in der Geschichte des Schauspielhauses Zürich überhaupt auf dem Intendantensessel. Und sie führt selber Regie. Ihre Regiehandschrift ist wie sie selber: fragil und beiläufig, doch von einer inneren Notwendigkeit und Wucht. Ihre Inszenierungen führen das Publikum dorthin, wo es weh tut, umstandslos.

Ihr Vorgänger in Zürich, Matthias Hartmann, sagte über Frey zum Abschied: „Ich bewundere sie für ihre Hartnäckigkeit, mit der sie seit Jahren der Literatur begegnet und sich dabei als Regisseurin zum Verschwinden bringt.“ Lars-Ole Walburg, der Intendant am Staatsschauspiel Hannover, hat mit ihr in Basel zusammengearbeitet, er bringt es so auf den Punkt: „Sie ist nicht korrumpierbar. Es ist selten, dass sich in unserem Metier so ­gerade und unverfälschte Menschen wie sie durchsetzen.“

Und privat? Die Partnerin von Barbara Frey ist die Schauspielerin Friederike Wagner. Die war lange Jahre mit dem Schauspieler Ulrich Noethen verheiratet und hat mit ihm ein Kind. Als Frey von Berlin nach Zürich berufen wurde, kam Wagner als festes Ensemblemitglied ans Haus. Auch ihre langjährige Bühnenbildnerin Bettina Meyer ist ihr gefolgt. Frey ist für ihre Treue bekannt und dafür, dass sie auch in ihrem Arbeitsumfeld weibliche Allianzen schmiedet.

Die Intendantin Frey zählt in der Schweiz zu den ersten Unterstützerinnen des neu gegründeten Vereins „Pro Quote Bühne“, der 50 Prozent Frauen in allen künstlerischen Bühnen-Ressorts fordert. Regie ist noch immer ein Männer­beruf. Frey fördert Frauen, indem sie sie engagiert. So hat sie, ohne Aufhebens zu machen, zum Beispiel auch die Tanzkompanie von Sasha Waltz nach Zürich geholt.

Diese Theatermacherin steht selber ungern auf der Bühne. Ihr Platz ist entschieden im Bühnenhintergrund. Wer ihre jungen wilden Jahre kennt, versteht, wieso. Die Künstlerin war und ist im Herzen noch immer – Schlagzeugerin. Das bedeutet: Sie ist zwar die treibende Kraft dessen, was während eines Abends auf der Bühne geschieht, aber auf Scheinwerfer kann sie gerne verzichten. Jede Regiearbeit ist eine musikalische Partitur. Und Frey gibt den Rhythmus vor. Sie hat den Groove!

In ihren Jahren als Studentin herrschte in Zürich die Jugendbewegung. „Opernhaus-Krawalle“ nannte man die Demonstrationen später, weil sie sich an einem hohen Kredit für das Zürcher Opernhaus entzündet hatten. In dieser politisch heißen Zeit war Barbara Frey Songtexterin und spielte als Drummerin in verschiedenen Schweizer Bands. So hat sie zur Bühne gefunden. „The Action Office“ hieß ihre eigene Combo, eine Rockband in Basel, und die Musikerin an den Schlaginstrumenten trug den Ehrentitel: „Die Frau mit dem härtesten Schlag.“

Schlagzeug heißt immer auch Spielzeug. Frey ist eine Spielerin, nicht nur im Geist. Mit dem Schweizer Musiker Fritz Hauser verbindet sie eine lange Freundschaft und Arbeitsbeziehung. Ihre Live-Performances sind Konversationen zwischen zwei Schlagzeugen und fremden Klanginstrumenten. Sie können, wie diesen Sommer, auch in einem Kunstmuseum stattfinden und dort die Kunstwerke mit einbeziehen.

Wenn Frey Musik macht, ist in ihrem Gesicht ein Leuchten. Selten, dass man es sonst an ihr sieht. Als Theaterchefin steht sie zwischen den Parteien. Doch Zürich hat ein erotisches Verhältnis zu Zahlen. Kunst gegen Krämergeist durchzusetzen, ist nichts für weiche Hände – sie fordern eine „Frau mit dem härtesten Schlag“.

Termine:
30./31.5, Schauspielhaus Zürich, „Ein europäisches Abendmahl“: Barbara Frey ­inszeniert Geschichten von Nino Haratischwili, Elfriede ­Jelinek, Terézia Mora und Sofi Oksanen.

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