Wanne-Eickel: Dem Bürgermeister seine Frau ihr Stadion

Livia Leichner im Erich seinen Arm, Foto: Caroline Seidel/dpa
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Als der damalige NRW-Landesvater Johannes Rau gefragt wurde, ob man denn nicht mal ein Fußballstadion nach einer Frau benennen könne, entgegnete der genervt: „Und wie soll das dann heißen? Dem Ernst-Kuzorra-seine-Frau-ihr-Stadion?“ Aus dem Frauen-Stadion, benannt nach der Gattin des berühmten Schalkers oder irgend­einer anderen Frau, wurde also nichts.

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Jetzt ist es soweit. Das erste deutsche Fußballstadion ist nach einer Frau benannt! Und das im Herzen des Ruhrpotts. Seit Saisonbeginn am 1. August heißt die Spielstätte der Sportfreunde Wanne-Eickel „Livia-Leichner-Stadion“. Wie das kam? Erich Leichner, seines Zeichens Bürgermeister von Herne, schenkte seiner Frau den Stadionnamen zum 60. Geburtstag. Untertitel: „Dem Bürgermeister seine Frau ihr Stadion“.

Da könnt ich doch glatt Feministin werden

Was war da los? Anruf bei den Leichners. Erich Leichner ist dran. „Die EMMA? Ach schade, jezz iss meine Frau grade zur Cranger Kirmes!“ Macht nichts. „Herr Leichner, sind Sie Feminist?“ – „Nee, wir sind ganz normale Menschen!“ Aber: Erich war bei der Geburt seiner beiden Kinder dabei und „die Wäsche hab ich auch aufgehängt“, vor den Augen der Nachbarn. „Und dat vor 40 Jahren!“ Normal ist das nicht.

Und die Sache mit dem Stadionnamen kam so: Die Sportfreunde Wanne-Eickel brauchten einen neuen Sponsor für ihr Projekt „Anpfiff zur Ausbildung“, das junge Kicker „aus neun Nationen“ beim Sprung von der Schule in den Beruf unterstützen soll. Als sich keiner fand, hatte Bürgermeister Erich die zündende Idee: Er sponsert selbst. Für einen vierstelligen Betrag trägt das Stadion nun ein Jahr den besagten Namen.

Zugegebenermaßen hielt sich die Begeisterung der Beschenkten zunächst in Grenzen. Livias erste Worte: „Ach du Scheiße!“ Und: „Iss dem Erich denn nix Besseres eingefallen?“ Aber, versichert Gatte Erich, „jezz isse Feuer und Flamme!“

Foto: Thomas Jantowski
Foto: Thomas Jantowski

Zweiter Anruf bei den Leichners. Jetzt ist Livia Leichner dran. „Ich war nach drei Minuten mit dem Geschenk in Frieden“, sagt sie. Und findet: „Also, wenn hier schon die EMMA anruft, nur weil jetzt endlich mal ein Stadion nach einer Frau benannt ist, dann läuft ja in Sachen Gleichberechtigung wohl wat schief! Wieso gibt es denn noch kein Steffi-Jones-­Stadion oder ein Nia-Künzer-Stadion?“ Und das ist längst noch nicht alles, findet Frau Leichner. „Wenn ich seh, dass unsere Herner Basketballerinnen Pokalsieger und Deutscher Meister geworden sind und keiner kricht dat mit, dann denk ich: Kinder, da müssen wir doch wat machen! Da könnt ich doch glatt Feministin werden.“

Nun wird also das Stadion der Sportfreunde Wanne-­Eickel ein Jahr lang nach Livia Leichner heißen. Die wiederum wurde von ihrer historisch interessierten Mutter nach der römischen Kaiserin Livia benannt, oder ruhrpottkonform: dem Augustus seine Frau. In der nächsten Saison soll das Stadion dann übrigens wieder nach einer Frau benannt werden, nämlich nach Stadionwirtin Inge. Es wird dann ganz schlicht heißen: „Unser Inge ihr Stadion“

Autorin Chantal Louis, gebürtige Gelsenkirchenerin, ist neben der Veltins-Arena auffe Schule gegangen.

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