Auto-Schwestern: Frauen für Frauen

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Tief in Sachsen, da gibt es einen Leuchtturm. „Autoservice von Frau zu Frau“ steht drauf. Der Leuchtturm ist kein Leuchtturm, sondern eine Kfz-Werkstatt. In Großenhain, in der Nähe von Dresden und noch näher an Meißen, betreiben Carolin Gahse und ihre Schwester Lydia „Auto Gahse“, eine Werkstatt, die sich direkt an Frauen als Kundinnen wendet. Es ist die einzige in ganz Deutschland.

„Wir wissen doch selbst, wie das ist. Wenn man als Frau mit dem Auto in die Werkstatt muss. Dann wird man entweder nicht für voll genommen, oder man wird über den Tisch gezogen. Und meistens beides zusammen“, sagt Lydia Gahse. Was stimmt. Laut Verbraucherstudien zahlen Frauen in Kfz-Werkstätten in Deutschland 20 Prozent mehr als Männer. Blöde Sprüche und süffisantes Belächeln nicht miteingerechnet.

„Unser Vater hat Kundinnen zwar immer mit Respekt behandelt, aber auch er konnte ihnen oft nicht erklären, warum was am Auto gemacht werden muss. Ich habe ihm früher immer schon gesagt: Erklär es doch anschaulicher, zeig am Auto, was kaputt ist“, sagt Carolin, „es ist doch so: Männer brauchen als Kunden gar nicht viel zu sagen, ihnen wird einfach zugetraut, dass sie ein bisschen was wissen. Sie räuspern sich und schon geht der Mechaniker ins Detail. Frauen werden oft per se für dumm gehalten.“

2015 hat Carolin als jüngste Tochter der Familie den Betrieb vom Vater übernommen. Das lag nahe. Carolin ist quasi zwischen den Autos groß geworden und hat schon mit Ersatzteilen gespielt, bevor sie überhaupt laufen konnte. Dass es ein handwerklicher Beruf werden muss, war ihr früh klar. Warum also nicht im eigenen Unternehmen?

Vater Michael war hocherfreut über die Idee, den Stab in der Familie weitergeben zu können. Aber die Berufsschule hatte es in sich. „Die Jungs schrieben von ihr ab, bekamen eine Eins
oder Zwei. Und Carolin eine Drei“, erinnert sich Schwester Lydia. Im Lehrbetrieb war sie unter 30 Mitarbeitern die einzige Frau. Man ließ sie die Werkstatt putzen und schwere LKW-Räder hin und her wuchten. Der Meister tönte: „Du willst den Job eines Mannes, dann arbeite wie einer.“ Auch die anderen Lehrlinge wollten „es der Frau mal so richtig zeigen“.

Aber das Gegenteil ist passiert. Carolin hat es allen gezeigt. Die Kollegen haben irgendwann eingesehen, dass sie es einfach drauf hat und haben sie nach und nach akzeptiert. „Ich habe bei blöden Sprüchen ordentlich zurückgekoffert, aber ich habe nie versucht, Männer zu imitieren“, sagt Carolin, „ich bin schließlich keiner“.

Die 29-jährige Kfz-Mechatronikerin ist heute Meisterin und Werkstattchefin, ihre Schwester Lydia (41) managt das Büro, Vater Michael hilft auch noch manchmal mit.

Und damit auch gleich jeder sieht, wer bei Gahses den Schraubenschlüssel in der Hand hat, ziert das Firmenlogo ein sattes Pink. Pink sind auch die Overalls, die Rollschränke, die Wand, an der das Werkzeug hängt, und der Schraubenschlüssel natürlich auch. An den richtigen Schrauben zu drehen, ist schließlich das Wichtigste.

Mit ihrer pinken Idee haben die Auto-Schwestern voll ins Schwarze getroffen. Ihre Kundinnen kommen aus ganz Sachsen zu ihnen: aus Dresden, Meißen, Pirna, aus Leipzig. „Es kommen sogar einige Frauen aus Berlin zu uns. Die haben die Nase von diesen Kfz-Proleten so voll, dass sie die 160 Kilometer in Kauf nehmen“, sagt Carolin. Ihr ist wichtig, ihren Kundinnen zu erklären, was gemacht werden muss und dass die Rechnungen nachvollziehbar sind. „Manchmal zeigen mir Kundinnen Rechnungen aus anderen Werkstätten. Da schlackere ich nur mit den Ohren, wie die Frauen abgezockt werden!“

Hin und wieder bieten die Schwestern Workshops an, in denen frau lernt, Kleinigkeiten wie Öl- oder Radwechsel selbst zu machen. Auch beim „Girls’ Day“ machen sie mit.

Aber auch männliche Kunden dürfen kommen. „Die Kundschaft hier bei uns im Ort ist gemischt, aber von außen kommen fast nur Frauen zu uns“, lacht Lydia, „wir haben Männer als Kunden, die null Ahnung, und Frauen, die einen totalen Fimmel haben.“

Jedes Jahr bringt ein Vertreter den Schwestern einen Autokalender mit halbnackten Männern vorbei. „Ist ja ganz lustig gemeint, aber von diesem Sexismus wollen wir ja gerade weg“, sagt Carolin. Und deswegen hat sie auch einem Fotografen eine derbe Abfuhr erteilt, der sie mit Plüschhandschellen an ölverschmierten Autos fotografieren wollte. „Es ist doch ganz einfach. Wir reparieren Autos. Wir begegnen unseren Kundinnen mit Respekt. Und wenn nebenbei noch jemand was Vernünftiges über Männer und Frauen lernt, dann ist das doch ganz nett.“

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