Uta Ranke-Heinemann ist tot

Foto: imago/Rainer Unkel
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Wenn der Papst am 21. Juni nach Deutschland kommt, haben die Frauen in besonderer Weise Anlaß, sich heimgesucht zu fühlen. Denn er hat im vorigen Jahr einen "Brief an die Frauen" geschrieben, der das päpstliche Frauenprogramm enthält. Kurz: Werde wie Maria. Bei der Ankündigung dieses Briefes legte der Papst in Radio Vatikan allen Ernstes dar, daß die Frauen "teilhaben an der menschlichen Natur", also auf deutsch, daß die Frauen Menschen sind.

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Es gibt Komplimente, die schlimmer sind als Beleidigungen. Das erinnert mich an ein Kompliment, das mir vor Jahren ein Essener Bischof gemacht hat. Er schrieb: "Ich freue mich, daß Sie als Frau und Mutter noch geistig tätig sind." Solche Art Komplimente sind in der katholischen Kirche neuerdings Mode: Am 19. September 1988 in der Tagesschau um 20 Uhr kam es zu einem Superkompliment für alle Frauen, und zwar aus dem Munde des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Lehmann. Er sagte: "Frauen sind keine verkümmerten Männer." Das freute mich natürlich. Über die gesamte Mattscheibe lief ein Spruchband: "Frauen sind gleichrangig".

Frauen sind gleichrangig, bis die Ränge anfangen, also unterhalb der Ränge.

Allerdings freute ich mich zu früh. Der Satz: "Frauen sind gleichrangig" ist nämlich gestrickt nach dem Muster: "Selig sind die Schläfrigen, denn sie werden bald einnicken." Einnicken sollte man aber nicht. Denn bei Bischöfen und so auch in dem Papstbrief folgt dann unweigerlich der zweite Satz: "Sie sind nicht gleichartig". Auch dieser Satz hat zunächst noch nichts Bedrohliches, denn tatsächlich erfolgt zum Beispiel das Kinderkriegen bei Frauen auf eine andere Art als bei Männern.

Aber hellwach wird man, wenn man erfährt, was sonst noch alles unter "Art" fällt. Unter "Art" fällt für den Papst und die Bischöfe nämlich zum Beispiel dies:
Es ist die Art der Frau, in der Küche herumzuflitzen, und es ist die Art des Mannes, auf dem Papst- bzw. Bischofsstuhl zu sitzen. Der Vorsitzende Bischof Lehmann hat auf den vorvorigen (oder vorvorvorigen?) Salzburger Hochschulwochen (Thema: Frauen sind gleichrangig) mir die Sache klar gemacht. Er sagte: "Frauen sind gleichrangig im Laienbereich, nicht im Amtsbereich." Das heißt, sie sind gleichrangig, bis die Ränge anfangen, also unterhalb der Ränge. Jetzt verstehe ich das endlich: "Frauen sind gleich-rangig" bedeutet: sie kommen im Rang gleich hinter den Männern.

Die Frage ist: Hilft der Mann der Frau beim Regieren oder beim Abtrocknen?

Für den Papst kommen die Frauen in der Kirche allenfalls mit dem Staubsauger nach oben. Apropos Staubsauger. Neulich habe ich mich mit meinem eigenen Mann übers Staubsaugen gezankt. Er behauptete, er habe mir beim Staubsaugen geholfen. Ich sagte, ich hätte ihm beim Staubsaugen geholfen. Darüber also haben wir uns gezankt. Wer nämlich wem wobei hilft, das zeigt, was wessen Sache ist. Staubsaugen ist gottgewollte Frauensache, laut meinem Mann und dem Papst. Denn auch der Papst redet in seinem Frauen-Brief dauernd von der "gegenseitigen Hilfe" von Mann und Frau und meint, damit habe er die Gleichberechtigung in der Kirche hergestellt. Aber es ist ein Unterschied, ob der Mann seiner Frau beim Regieren oder beim Abtrocknen hilft.

Der Papst ist sexistisch, das heißt, in der kirchlichen Hierarchie dürfen Frauen keine Position über einem Mann einnehmen, also keine Priesterinnen sein. Frauen gehören somit nie den Hirten, sondern immer nur der Herde an. Nur als Kirchenschafe sind sie willkommen. Aber der Papst ist außerdem noch antisexuell, das heißt, Frauen dürfen nicht einmal Priesterfrauen sein, daher der Zwangszölibat.

Mein Blick auf die katholischen Hirten ist weithin ein Blick auf fromme Verklemmte

Die höhere Würde der Oberhirten und ihre Tugend der Keuschheit bewirkt, daß Frauen als Frauen für sie möglichst gar nicht existieren. Schon Papst Johannes XXIII. rühmte sich 1948 in seinem Geistlichen Tagebuch: "Von den Frauen aber, von ihrer Gestalt oder von dem, was sie betraf, fiel (unter Mitbrüdern) nie ein Wort. Als ob es keine Frauen auf der Welt gäbe."

Bei Bonner Empfängen gab mir der Nuntius Bafile nie die Hand, sondern immer nur zwei Finger und sah an mir vorbei. So ist mein Blick auf Männer, soweit es um Hirten der katholischen Kirche geht, weithin ein Blick auf fromme Verklemmte.

In besagtem "Brief an die Frauen" legt Johannes Paul IL ausführlich dar, daß alle Frauen so werden sollen wie Maria. Er beginnt seine Gardinenpredigt an sie mit folgenden Worten: "Dank sei dir Frau als Mutter, Dank sei dir Frau als Braut." Mutter ist das erste, Braut das zweite. Die Ehefrauen sind zur Desinfektion der Zölibatäre mit einem päpstlichen Insektizid weggesprayt. Obwohl auch der Papst weiß, daß zwischen Braut und Mutter ein sexueller Akt steht, macht er lieber die Augen tapfer zu, überspringt diese Peinlichkeit und wendet sich sofort der Mutter zu. Wer schon nicht Jungfrau bleibt, soll wenigstens Mutter sein.

Je weniger der Papst für die Frauen tut, desto mehr sagt er ihnen nonstop Dank

Und zum guten Schluß schreibt der Papst an die Frauen: "Dank sei dir Frau, daß du Frau bist". Das hohlste Kompliment, daß sich die Frauen je haben anhören müssen. Kaufen kann sich eine Frau für diese Phrasen sowieso nichts. Wie man ohnehin den Eindruck hat, daß der Papst, je weniger er für die Frauen tut, desto mehr ihnen nonstop Dank sagt. Im übrigen setzt er alles daran, daß sie auch weiterhin am kirchlichen Katzentisch sitzen bleiben.

Uta Ranke-Heinemann

In der Ausgabe 12/90 porträtierte EMMA-Reporterin Cornelia Filter Uta Ranke-Heinemann.
Hier geht es zum Porträt "Ich bin meine eigene Päpstin".

 

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