Hallo Kai Diekmann: Gute Idee!

Die Kampagne "no more page 3" zeigt Wirkung!
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Am Freitag soll es klammheimlich passiert sein: Plötzlich waren die nackten Brüste weg. Auch in der Sonntagsausgabe der Sun, in der Montagsausgabe und der Dienstagsausgabe: Nichts. Beziehungsweise statt des üblichen Nichts ein bisschen Stoff: Kein barbusiges Seite-Drei-Mädchen namens Kelly oder Samantha, wie es seit 44 Jahren fester Bestandteil der britischen Boulevardzeitung ist.

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Sondern Fotos prominenter Frauen in Unterwäsche oder Bikini. Ganz so, wie es Sun-Chef Rupert Murdoch schon Anfang des vergangenen Jahres via Twitter verkündete: Diese nackten Brüste seien doch „von gestern“. Und: „Sind hübsche junge Frauen nicht viel attraktiver, wenn sie wenigstens ein bisschen modisch bekleidet sind?“ Sprich: Ganz nackt geht nicht. Ein bisschen nackt geht schon.

Ganz nackt geht nicht. Ein bisschen nackt geht schon?

Entsprechend zurückhaltend ist die Reaktion der Britin Lucy-Anne Holmes auf das angebliche Ende des blanken Busens auf Seite Drei. Sie hat 2012 die Kampagne „No More Page 3“ gegen das Seite-3-Mädchen ins Leben gerufen, auf die Murdoch öffentlich reagierte.

Fast drei Jahre wurde ihre Aktion in Großbritannien heiß diskutiert. Unter den über 200.000 UnterstützerInnen sind britische ParlamentarierInnen, Organisationen wie „The British Youth Council“ (Dachorganisation für 220 Jugendorganisationen) und „Unison“ (größte britische Gewerkschaft). 22 Universitäten hatten 2013 angekündigt, die Sun so lange zu boykottieren, bis die Nacktfotos verschwinden. Mit Erfolg? „Ich werde nicht von einem Sieg sprechen, solange weiterhin spärlich bekleidete Frauen in der Sun erscheinen“, sagte Holmes der BBC. „Die Sun hat ja nicht plötzlich entschieden, dass Frauen unglaubliche Dinge denken, sagen und tun können. Sie betrachtet Frauen im Grunde immer noch als reine Dekoration.“

Die Reaktionen im Netz sind da schon euphorischer: „Das könnte ein historischer Moment sein“, verkündeten andere MacherInnen von „No more Page 3“  auf ihrer Facebook-Seite. „Ein großer Schritt, den Sexismus der Medien herauszufordern!“ Und auch in Deutschland sorgte die Nachricht für Aufregung: „Das ist, als würde die Süddeutsche ihr Streiflicht oder die FAZ ihren Leitartikel abschaffen“, schreibt Spiegel Online.

No more page 3! Das könnte ein historischer Moment sein.

Ein eigenes Statement des Verlags von Murdoch oder der Sun gibt es übrigens noch nicht. Allerdings zahlreiche Presseberichte, wie in der Times, die ebenso zu Murdochs Medien-Imperium gehört. Die zitierte die Sun folgendermaßen: „Die Seite Drei der Sun wird da sein, wo sie immer ist: Zwischen Seite Zwei und Seite Vier – und sie finden Lucy aus Warwick auf page3.com.“

Page3.com? Das wäre in der Aufregung ja fast untergegangen: Das barbusige Seite-Drei-Mädchen ist nicht weg, es ist einfach nur endgültig umgezogen. Dorthin, wo es noch mehr Menschen sehen können: ins Internet. Aber dennoch, lieber Kai Diekmann: Keine nackten Frauen mehr in der Zeitung - wäre das nicht eine gute Idee für Bild? Eine Kampagne dazu gibt es ja auch in Deutschland schon: Schafft das Bild-Girl ab.

Aktualisierung vom 22.1.2015: Zu früh gefreut - das Seite-3-Mädchen ist wieder da! Dazu schreibt die Sun: "Nach jüngsten Medienberichten möchten wir klarstellen, dass dies Seite drei ist und das hier ein Bild von Nicole, 22, aus Bournemouth." 

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Kampagne: Schafft das Bild-Girl ab!

"Bild: Zeigt allen Respekt – schafft das Bild-Girl ab!", fordert Kristina Lunz.
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Als Kristina Lunz noch ein kleines Mädchen war, hat sie sich schon gewundert. Über diese Tageszeitung am Kiosk, die doch so viele lasen, und auf deren erster Seite immer eine nackte Frau prangte. Das Seite-Eins-Mädchen der Bild-Zeitung.

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Bild zeigt keinen Respekt für die Würde der Frau!

Heute wundert sich die mittlerweile 25-Jährige nicht mehr, sie ist entschlossen: Sie will dem Frauen-Bild, das Bild täglich präsentiert, ein Ende zu setzen. „Indem die Bildzeitung in ihrer Berichterstattung keinen Respekt für die Würde der Frau zeigt, nährt sie ein Klima der sexuellen Gewalt in Deutschland“, sagt Kristina im Gespräch mit EMMA.

Die Studentin, die gerade ihren Master an der University of Oxford macht, entschied sich zu handeln. Als diese Entscheidung fiel, war sie gerade für einige Tage zurück in ihrer Heimat Bamberg und kaufte an der Tankstelle eine Ausgabe der Bild. Titelgeschichte: Bild zeigt die Dekolletés von sechs prominenten Frauen – und die Leser sollen sie bewerten. An diesem Tag im September setzte sich Kristina hin und schrieb die erste Fassung ihrer Petition.

Die stellte sie im Oktober auf change.org online: „Bild: Zeigt allen Respekt – schafft das Bild-Girl ab!“ Darin wendet sie sich direkt an Bild-Chef Kai Diekmann: „Reduzieren Sie Frauen nicht länger auf Äußerlichkeiten und sexuelle Attraktivität - Frauen sind nicht die Lustobjekte einer Gesellschaft!“ Und: „Berichten Sie über Frauen genauso, wie sie über Männer berichten: über ihre Arbeit in Bereichen wie Sport, Medien, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.“ Mittlerweile haben über 28.000 Menschen diese Forderung unterzeichnet.

Reaktionen kamen prompt - und sie waren nicht nur positiv. „War mir gleich klar, dass du blond sein musst!“ stand in einer E-Mail an Kristina. Oder: „Du bist doch nur unzufrieden mit deinem Sex-Leben und magst deine Brüste nicht!“ Vor allem aber erhielt Kristina Zuspruch. 8.000 UnterzeichnerInnen innerhalb von vier Tagen. „Ich habe es satt, immer wieder als Busen- und Hinternbesitzerin gesehen zu werden anstatt als wertvoller Mensch“, kommentiert eine unter der Petition.

Die Bild schwieg anfänglich dazu. Erst nach einem Bericht auf Meedia.de, der die fehlende Resonanz auf die Kampagne im Social Web bemängelte, witterte Bild-Chef Kai Diekmann seine Chance, die Petition doch noch für ein bisschen Eigen-PR auf Twitter zu nutzen. „Dann wollen wir doch mal was für Kristina Lunz tun und ihr Anliegen bekannt machen“, twitterte der Bild-Chef. Und verlinkte auf die Kampagne. Und kurz danach schrieb er: „Liebe Kristina Lunz, ich habe PR für Ihr Anliegen gemacht – trommeln Sie jetzt bitte für uns: Bild braucht Bewerbungen an bildgirl@bild.de“. Kai Diekmann war es auch, der 2012 am Internationalen Frauentag mit viel Tamtam das Seite-Eins-Mädchen verbannte. Ins Zeitungsinnere.

Aber Kristina lässt sich nicht provozieren – und auch nicht davon abhalten, weiterzumachen. Dafür ist ihr die Sache zu wichtig. „60 Prozent aller Frauen erleben Sexismus im Alltag“, sagt sie. Das zeigen Studien, – das haben Kristina und ihre Freundinnen selbst erlebt. Bis hin zu Vergewaltigungen in ihrem Freundeskreis, berichtet Kristina.

Wie erfolgreich eine solche Kampagne verlaufen kann, beweist ihre Ideengeberin in Großbritannien, Lucy-Anne Holmes. Unter „No more Page 3“ fordert sie die größte Boulevardzeitung The Sun dazu auf, das – in diesem Fall – Seite-Drei-Mädchen abzuschaffen.

Die Busenfotos sind doch von gestern!

Die Kampagne läuft seit August 2012 und hat mittlerweile nicht nur über 200.000 UnterzeichnerInnen, sondern auch Unterstützung von britischen ParlamentarierInnen und Organisationen wie „The British Youth Council“ (Dachorganisation für 220 Jugendorganisationen) oder „Unison“ (größte britische Gewerkschaft). 22 Universitäten hatten 2013 angekündigt, die Sun so lange zu boykottieren, bis die Nacktfotos verschwinden.

Das Seite-Drei-Mädchen gibt es noch. Noch. Der Guardian geht davon aus, dass sich die Sunklammheimlich aus der Sache herauswindet“.

Selbst Rupert Murdoch, zu dessen Medienimperium die britische Boulevardzeitung gehört, twitterte kürzlich, die Busenfotos seien doch „von gestern“. Die irische Ausgabe der Sun hat das Seite-Drei-Mädchen im vergangenen Jahr gekippt.

Wie geht es wohl weiter in Deutschland? Hier geht es zur Petition: „Zeigt allen Respekt – schafft das Bild-Girl ab!“.

 

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