Imkern Frauen anders?

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Frau Westphal, kann es der Biene denn nicht egal sein, ob sie von einem Mann oder einer Frau beimkert wird?
Nein, ich sehe da große Unterschiede. Für Frauen steht der Honigertrag meist nicht im Vordergrund. Die sind am Tier interessiert, und zwar meist sogar an jedem einzelnen.

Das ist bei 30.000 Bienen pro Volk aber nicht so einfach.
Stimmt. Aber eine Frau würde zum Beispiel nie die Teile eines Bienenstocks aufeinander knallen, bevor sie nicht sicher ist, dass sich dazwischen keine Biene mehr befindet. Die Frauen, die in meine Kurse kommen, sind einfach sehr an der Natur und auch am Insekt interessiert. Die wollen mehr wissen, als dass die ­Biene sechs Beine und vier Flügel hat. Die beschäftigen sich mehr mit der Bienen-­Biologie und dem großen Ganzen, das dahinter steckt. Sie fangen dann auch oft an, ihren Garten umzugestalten.

Beobachten Sie weitere Unterschiede?
Meine Imker-Frauen sind auch große Netzwerkerinnen. Die tauschen sich sehr viel untereinander aus und würden aus ihrem Wissen und Schaffen niemals ein Geheimnis machen. Das hängt auch ­damit zusammen, dass sie stärker an sich zweifeln. Die fragen sich: „War das jetzt richtig, was ich da an den Bienen gemacht habe?“ Und wenn sie unsicher sind, rufen sie eine andere Frau an und hören nach: „Wie hast du das gemacht?“ Männer hingegen finden das, was sie tun, meistens per se richtig.

Warum geben Sie Imker-Kurse nur für Frauen?
Ich bin vor elf Jahren in den Imker-Verein „Hamburg Walddörfer“ eingetreten. Der bestand zu 98 Prozent aus alten Männern. Die waren zwar ganz puddelig, aber ich kam mir immer vor, als ob ich dumme Fragen stelle. Denn dann kamen so Sprüche wie „Warum weißt du das denn nicht?“ oder „Das ist doch ganz ­logisch!“ Da habe ich mich nicht richtig wohl gefühlt. Dabei bin ich mit vier Brüdern aufgewachsen und mit sowas eigentlich in Übung. Und ich dachte: Wenn ich mich da schon nicht wohl fühle, wie soll das dann erst anderen Frauen ergehen? Deshalb habe ich vorgeschlagen: Lasst uns doch mal einen Anfängerkurs nur für Frauen machen!

Und wie fanden die Imker das?
Die fanden das in Ordnung, haben aber Wetten darüber abgeschlossen, dass sich maximal drei oder vier Frauen anmelden. Es waren dann 64! Die Nachfrage war ­gigantisch groß. Inzwischen besteht unser Imkerverein zu 50 Prozent aus Frauen. Auch ganze Familien mit Kindern kommen. Dementsprechend ist auch die Atmo­sphäre viel lockerer geworden. Und die Verjüngung ist ja auch wichtig für die Imkerei, weil die alten Imker langsam aussterben.

Hat sich das Klischee des eigenbrötlerischen alten Imkers also überlebt?
Ja. Früher war es ja undenkbar, dass ­Frauen imkern. Die Frau gehörte in die Honigküche! Sie war dafür verantwortlich, den Honig zu schleudern und in die Gläser abzufüllen. Diese klare Arbeitsteilung ist jetzt Geschichte. Es gibt im Bienen-Fachhandel Schilder, die man sich an die Autoscheibe pappen kann, wenn man zum Beispiel irgendwo einen Bienenschwarm runterpflücken muss: „Imker im Einsatz“. Jetzt kriegen Sie überall auch das Schild „Imkerin im Einsatz“. Ist das nicht großartig? Und inzwischen gibt es ja sogar von Playmobil eine Imkerin! Und wir wissen ja: Was eine Playmobil-Figur geworden ist, ist in der Gesellschaft angekommen.

Witerlesen:
Undine Westphal: Frauenpower am ­Bienenstock (Selbstverlag), zu beziehen über undinewestphal.jimdo.com

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