Janelle Monáe, die Vielseitige

Foto: Imago/ZUMA Press
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Beim „Women’s March“ am Tag nach der Amtseinführung von Präsident Donald Trump stand Janelle Monáe in Washington auf der Bühne. „Schützt euch vor Typen, die andere drangsalieren“, ermahnte sie die rund 500.000 Frauen, die am 21. Januar aus allen Teilen der Vereinigten Staaten in die Hauptstadt gekommen waren. „Wenn ihr anfangt zu zweifeln oder wenn ihr aufgeben wolltet, ruft euch immer wieder ins ­Gedächtnis, Freiheit über Angst zu stellen!“

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Von Hollywoods Kult der chronischen Selbstbespiegelung hält sich Janelle Monáe fern. „Meine Message soll nicht durch Privates verdrängt werden“, sagt die 31-Jährige, die trotz sechs Grammy-­Nominierungen, Modelverträgen und einer überraschenden Filmkarriere weiter zu den geheimnisvollsten Frauen der amerikanischen Unterhaltungsbranche gehört. Ihre Message? „Ich nutze meine Berühmtheit, um afroamerikanischen Frauen eine Stimme zu geben!“ Das erklärt Monáe bei einem Treffen mit EMMA im Hotel „Four Seasons Beverly Hills“ mit großer Entschiedenheit.

Mit Michelle Obama nahm die Sängerin den Titel „This Is For My Girls“ auf und verhalf afroamerikanischen Sängerinnen wie Erykah Badu oder Solange Knowles mit ihrem Label „Wondaland Arts Society“ zu einem größeren Publikum. Wondalands Zusammenschluss mit dem Unternehmen Epic Records machte Monáe vor zwei Jahren auch hinter den Kulissen zu einer der einflussreichsten Frauen der männerdominierten Hip-Hop-Branche.

Janelle Monáe versteht sich als „Womanist“, in der Tradition von Alice Walker. Sie hatte den Begriff Anfang der 80er Jahre geprägt. „Eine Womanist ist eine Frau, die andere Frauen liebt, sexuell und/oder nicht-sexuell. Sie schätzt die Kultur und emotionale Flexibilität von Frauen. Sie setzt sich für das Überleben und die Ganzheit aller ein, männlich wie weiblich. Sie liebt Temperament, sie liebt den Kampf, sie liebt sich selbst.“

„Wenn ich in einen Raum komme, sehen mich die Leute als schwarze Frau. Beides ist nicht voneinander zu trennen“, erklärt Monáe. Daher, sagt sie, teilten weiße und schwarze Feministinnen unterschiedliche Erfahrungen. „Eine weiße Frau verdient weniger als ein Mann. Eine schwarze Frau verdient wiederum weniger als eine weiße Frau“, bringt die 31-Jährige es auf den Punkt.

Die Erfahrungen ihrer Mutter, die als Putzfrau in Kansas City, einer Industriestadt im Mittleren Westen, arbeitete, erzählt Monáe in ihrem Song „Ghetto Woman“. Das stolze Stück über die abschätzige Darstellung schwarzer Frauen in den amerikanischen Medien wird, wie die übrigen Titel des im Sommer 2013 veröffentlichten ­Albums „The Electric Lady“, als Soundtrack weiblicher Selbstbehauptung gefeiert.

Die Rolle der afroamerikanischen Mathematikerin Mary Jackson, die Monáe jetzt in Theodore Melfis oscarnominierter Filmbiografie „Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen“ spielt, fügt sich nahtlos in ihr Anliegen. Die vor elf Jahren verstorbene Jackson arbeitete während des Kalten Krieges als so genannter „menschlicher Computer“ bei der amerikanischen Weltraumbehörde NASA Die Rassentrennung in den Vereinigten Staaten wurde rein juristisch erst im Jahr 1964 beendet. Der hochqualifizierten Mathematikerin schlugen bei der wissenschaftlichen Vorbereitung der Apollo-Missionen täglich Sexismus und Rassismus entgegen. „Wie Mary Jackson versuche ich, mich für Gerechtigkeit einzusetzen“, sagt Monáe. „Wir können unser Geschlecht und unsere Hautfarbe nicht ändern. Das wollen wir auch gar nicht. Aber wir verlangen gleiche Rechte!“

Nach Hollywoods jahrzehntelangem Faible für Plots mit meist weißen, männlichen Hauptdarstellern setzt Monáe nun auf die „Academy of Motion Picture Arts & Sciences“. Die Filmakademie, die jedes Jahr die Oscars vergibt, hatte im Sommer erklärt, etwa 700 neue Mitglieder, unter ihnen ungewohnt viele Frauen, AfroamerikanerInnen und Latinos, aufnehmen zu wollen. „Ich habe das Gefühl, dass Hollywood sich gerade wandelt“, hofft Monáe.

Als Medium für ihre Message entdeckte sie Hollywood eher spät. Nach der High School in Kansas City zog Monáe nach New York, um Schauspiel an der American Musical and Dramatic Academy zu studieren. Schon ein paar Monate später gab die Science-Fiction-Anhängerin auf. „Ich wollte eigene Musicals schreiben und keine Rolle spielen, die schon tausende Male gespielt wurde“, erinnert sie sich. Dem Umzug nach Atlanta folgte die Aufnahme der CD „Janelle Monáe: The Audition“, mit der sie durch Universitätsstädte tingelte.

Im Jahr 2005 gelang der damals 20-Jährigen der Durchbruch, als Big Boi, eine Hälfte des Hip-Hop-Duos OutKast, bei einem der Auftritte auf ihre klare, starke Stimme aufmerksam wurde. Spätestens seit ihrer Zusammenarbeit mit Sean „Puff Daddy“ Combs, Prince und Stevie Wonder gehört Monáe zu den bekanntesten R&B-MusikerInnen der Vereinigten Staaten. Für die Dreharbeiten zu „Hidden Figures“ und „Moonlight“, Barry Jenkins’ Drama über einen homosexuellen Schwarzen, zog es die Sängerin im vergangenen Jahr schließlich erstmals vor die Filmkamera. Monáe: „Ich sehe mich als Geschichtenerzählerin. Ob ich die Geschichte mit Musik oder Film erzähle, spielt keine Rolle.“ Ihre schwarzweißen Outfits, eigentlich eine Hommage an die Putzfrauen-Montur ihrer Mutter und die Soldatenuniform ihres Vaters, sind längst ein Statement geworden. Wie auch die schwarzen Locken. Das Glätteisen bleibt bei ihr in der Schublade – allen Modetrends zum Trotz.

Christiane Heil

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