Marlene Dietrich: An der Front
"Ich war nie so glücklich wie an der Front mit meinen Boys“, hat sie einmal gesagt. Die als exzentrisch geltende Diva war ab Frühjahr 1944 zweimal über Monate im Kampf gegen Nazi-Deutschland. Beim ersten Mal bei der Truppenbetreuung für die GIs in Algerien und Italien, manchmal so dicht am Geschehen, dass die Soldaten mal mit entsichertem Maschinengewehr im Publikum saßen. Beim zweiten Mal mittendrin in Schlamm und Tod an der belgisch/deutschen Grenze, später dann quer durch das zerstörte Deutschland.
Wenn die Dietrich nicht gerade auftrat, im Glitzerkleid oder Uniform, hielt sie sterbenden Soldaten im Lazarett die Hand oder kochte für ihre „Boys“ in der Feldküche. Das Umsorgen und Bemuttern war immer schon Marlenes Ding, sie hat sich nie auf „die schönsten Beine der Welt“ verlassen.
Schon in Hollywood war die Berlinerin die erste Anlaufadresse für die der Hölle Entronnenen, die Emigranten. Sie half nicht nur mit Rat, sondern auch mit Tat. Und obwohl Goebbels persönlich den deutschen Weltstar heftig umwarb, nahm sie 1939 die amerikanische Staatsangehörigkeit an, zum Zeichen ihres Ekels vor den Nazis.
Sie war mittendrin bei der berüchtigten Ardennen-Offensive, wo die Soldaten beider Seiten wie die Fliegen starben und ihr nachts auf den Stoffsäcken die Ratten über das Gesicht liefen. In den Frontpausen nahm sie für den amerikanischen „Soldatensender“ Reden und Songs auf. Mit ihrer „Lili Marleen“ brachte sie die Soldaten aller Fronten zum Weinen.
Die Deutschen begegneten Marlene jahrzehntelang mit Hassliebe. Für so manche und manchen war sie eine „Vaterlandsverräterin“, andere waren stolz auf ihren Widerstand. Marlene hat in ihren letzten Lebensjahrzehnten in Paris gelebt. In den allerletzten Jahren übernahm die Stadt Paris die Miete für ihre Wohnung in der Avenue Montaigne Nr. 12. Der Star, der so gerne im Luxus lebte, hatte das meiste Geld an Bedürftige und die Familie verschenkt und war pleite.
Die Jahre an der Front waren „das einzig Wichtige, das ich getan habe“, hat sie rückblickend gesagt. Ihr letzter Wunsch: In Berlin beerdigt zu werden.
ALICE SCHWARZER
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Reiner Burger: Marlene Dietrich an der Front (Greven Verlag, 38 €). Bildband, begleitet von einem kundigen Text.