Mary Barra: Die Autobauerin

© Ralph Orlowski/Bloomberg/Getty Images
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Er trägt Schwarz, wie so oft. Wer zu schrägen Vergleichen neigt, könnte sagen, das passt. Schließlich ist Schwarz noch immer die Trendfarbe unter den Autolacken.“

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Was ist falsch an diesem Zitat? Na klar, Sie haben es sofort erraten: Niemals würde eine derartige Bemerkung in einem Porträt über den neuen Chef eines großen Unternehmens stehen. Sie macht schlicht und einfach keinen Sinn. Sowas kann man nur über eine Chefin schreiben: Sie trägt Schwarz …

Die Dame heißt Mary Barra, ist die mächtigste Frau in der Automobilindustrie und seit Mitte Januar Vorstandsvorsitzende von General Motors, dem zweitgrößten Automobilbauer der Welt. Und der „schräge Vergleich“ des Journalisten ist noch einer der Geradesten unter allem, was Schreiber in der ganzen Welt über den Amtsantritt von Barra von sich gegeben haben.

„Sämtliche Klischees“ über erfolgreiche Frauen seien im Fall von Barra bemüht worden, schreibt Naomi Wolf in einer Analyse: Sie habe ihren Posten nur durch Glück erreicht, sie habe sie von männlichen Verwandten geerbt, ihre Beförderung sei eine Werbemasche. Tatsächlich stammen fast alle der Berichte über Barra sowohl in der amerikanischen als auch in der deutschen Presse von Männern. Wolf schätzt, dass Männer in den USA für fast „90 Prozent der in den traditionellen Medien veröffentlichten Wirtschafts- und Unternehmensnachrichten verantwortlich sind“.

Wie vollkommen unbewusst Männer diese Klischees strapazieren, zeigt auch ein Zitat des Mannes, der Barra auf ihre jetzige Position gebracht hat. „Mary wurde wegen ihres Talents gewählt, nicht wegen ihres Geschlechts“, sagte ihr Vorgänger Dan Akerson und fuhr fort: Ihre Beförderung sei „fast so, als würde man den College-Abschluss seiner eigenen Tochter mitbekommen“. Papi lobt sein Mädchen ...

Eine Frau der schnellen und klaren Entscheidungen

Wer aber ist nun diese Frau, die seit kurzem knapp 300 000 MitarbeiterInnen weltweit führt, darunter auch die von Opel in Deutschland? Die 52-jährige verheiratete Ingenieurin und Mutter zweiter Kinder im Teenager-Alter ist seit 33 Jahren bei General Motors und kennt den Konzern von Grund auf. Und sie ist eine Frau der schnellen und klaren Entscheidungen.

Als Barra 2009 Personalchefin wurde, wurde ihr unter anderem der zehnseitige Dresscode vorgelegt, auf dem GM bis ins Detail festlegte, wer wann wie angezogen sein sollte. Barra ersetzte das Dokument durch eine ganze zwei Worte umfassende Anweisung: „angemessene Kleidung“. Und als sie Chefin der Produktentwicklung wurde, antwortete sie auf die Frage nach ihrem Ziel wie folgt: „Nie mehr beschissene Autos bauen.“

Das wird nicht ganz leicht bei der Vorgeschichte von General Motors. Über Jahre haben ihre Vorgänger am Kundengeschmack vorbei wuchtige Spritfresser entwickeln lassen. Mit der Finanzkrise 2008 brach der Absatz dann so sehr ein, dass sich General Motors in die Insolvenz retten musste. 51 Milliarden US-Dollar an Staatskrediten und eine Staatsbeteiligung waren nötig, um To-big-to-Fall wieder flott zu machen.

Inzwischen steht der Autobauer aus Detroit wieder glänzend da. 2013 lag der Nettogewinn in den ersten neun Monaten bei 4,3 Milliarden US-Dollar. Nach wie vor kritisch sieht es allerdings bei den europäischen Marken Opel und Vauxhall aus, die in der gleichen Zeit 499 Millionen US-Dollar Verlust machen.

Doch auch in den USA gibt es eine ganze Menge aufzuräumen im Konzern. Die GM-Modelle gelten nicht gerade als Design-Ikonen. Und auch die Art und Weise, wie sie produziert werden, entspricht keineswegs dem neuesten Stand der Technik. Das aber ist die Stärke von Barra, die den Großteil ihrer über drei Jahrzehnte bei GM in eben diesem Bereich gearbeitet hat.

Schon als Kind hat Mary sich für Naturwissenschaften und Mathematik interessiert und dann Elektrotechnik am General Motors Institute studiert. Schon mit 18 arbeitet sie nebenher als Werkstudentin in einer GM-Fabrik. Keine Frage, dass sie nach dem Studium auch dort anheuerte – und relativ schnell auch gefördert wurde. Mit einem GM-Stipendium studierte die Tochter eines Werkzeugmachers zusätzlich Betriebswirtschaftslehre an der renommierten Stanford-Universität in Kalifornien.

Relativ schnell leitete sie dann eines der Autowerke von GM in Detroit. 2009 wurde Barra Personalchefin, 2011 übernahm sie die gesamte Autoentwicklung aller GM-Marken und auch den Einkauf.

Die Neue will die Plattform-Strategie vorantreiben, mit der beispielsweise Volkswagen seit vielen Jahren sehr erfolgreich ist. Dabei werden äußerlich verschiedene Autos auf weitgehend gleichen Produktionsplattformen gebaut: So können dann beispielsweise die gleichen Bremsen oder Antriebssysteme sowohl für einen Cadillac wie auch einen Chevrolet verbaut werden. Das spart Arbeit und Geld.

Und kundenfreundlicher soll GM werden. Einen Tag vor ihrem Start als Vorstandsvorsitzende gibt Barra einen Pressetermin und berichtet: „Wir haben da eine Stufe in die hintere Stoßstange eingebaut, jetzt kommen die Leute leichter an die Ladefläche.“ Angeblich war Mary zehn Jahre alt, als sie sich in das erste Auto von GM verliebt hat, einen roten Chevy Cama. „Ein tolles Auto“ sei das gewesen, schwärmt sie noch heute. Nun hat Mary Barra es in der Hand, ob ihre Kinder das Gleiche mal über Mamas neue Autos sagen können.

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