Maya Angelou: die schwarze Legende

Maya Angelou im April 2002 in Washington. - Foto: Juana Arias/The Washington/Getty Images
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Eine Münze für Maya Angelou! Eine Sonderprägung des 25-Cent-Stücks, des „Quarters“, wie es sie seit langem bereits für die einzelnen amerikanischen Bundesstaaten und anschließend mit Motiven für „America the Beautiful“ gab. Und jetzt gestanzt auf dieser Vierteldollar-Münze eine Schwarze Frau mit weit ausgebreiteten Armen, hinter sich die Friedenstaube: Welch ein Triumph! Der Vierteldollar, auf dem Maya Angelou in ausdruckstänzerischer Geste den Flug der Friedenstaube nachahmt, wird vermutlich vor allem Münzsammler interessieren (solange es sie noch gibt). Ähnlich ist das mit den Briefmarken, von denen eine Serie besonders schöner Exemplare seit einigen Jahren ebenfalls das Bildnis von Maya Angelou trägt. Aber wer frankiert heutzutage noch Briefe?

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Sie war eine Mahnerin, sie kannte alles: Schönheit, Terror, Schmerz und Gewalt

Eine Münze zu dem Zeitpunkt, da Bargeld auf dem Rückzug ist. Eine Briefmarke in Zeiten von E-Mail und digitaler Frankierung. Münze und Marke mit ihrem Bild darauf sind also weniger Grund zum Feiern, als es zunächst den Anschein hat, und stehen hinter allem zurück, was Maya Angelou verantwortet: ihre Bücher, die Filme ihrer Auftritte, ihr künstlerisches Erbe und das Erbe ihres Aktivismus. All dies zu feiern, dazu braucht es keinen Anlass, keine Münze oder Marke, sondern nur ein bisschen Zeit.

Maya hieß bei ihrer Geburt Marguerite Ann Johnson. Maya war der Kosename, den ihr geliebter Bruder Bailey ihr gab, und Angelou eine Variation auf den Namen eines ihrer Ehemänner, Tosh Angelos, ein griechischer Elektriker und Seemann, mit dem sie für ein paar Jahre Anfang der 1950er Jahre verheiratet war. Geboren wurde sie am 4. April 1928 in St. Louis im Bundesstaat Missouri, kam nach der Trennung der Eltern aber zu ihrer Großmutter nach Stamps in Arkansas.

Stamps ist ein Ort etwa dreißig Kilometer entfernt von Little Rock, dem Heimatstädtchen Bill Clintons – der sie später, als er Präsident wurde, einlud, zu seiner Amtseinführung am 20. Januar 1993 ein Gedicht zu schreiben und vorzutragen. „On the Pulse of Morning“ hieß es, und man sollte hören, wie Maya Angelou es vorträgt, nicht lesen. Hören, wie sie die ersten Worte spricht,

„A Rock, a River, a Tree“, allein vor den mächtigen Männern dieser Welt und Hunderttausenden auf der Washingtoner Mall und Millionen vor den Fernsehgeräten rund um den Globus – als Entertainerin, als Mahnerin, als Frau, die Schönheit kennt und Sex und Gelächter, die Terror kennt und Schmerz und Gewalt.

Maya wurde befohlen zu schweigen. Das tat sie. Aber nicht für lang

Dichter sind bei Amtseinführungen amerikanischer Präsidenten keine selbstverständlichen Redner. Aber wenn sie reden, sei es Robert Frost 1961 für John F. Kennedy oder Amanda Gorman 2021 für Joe Biden oder eben Maya Angelou 1993 für Bill Clinton – dann weckt das bei allen, die zuhören, die Hoffnung, Amerika werde doch noch so, wie ein anderer Dichter, Langston Hughes, es einmal formulierte: „Let America Be America!“ Löst endlich eure Versprechen ein, soll das heißen. Und Maya Angelou glaubte, trotz allem, daran, dass Amerika werden könnte, was es längst zu sein vorgab: das Land, das jeder die Chance gab zu werden, wer sie sein wollte.

Stamps liegt tief im amerikanischen Süden. Die Gegend war vollkommen segregiert. Dort, mit einer liebevoll strengen Großmutter, die einen kleinen Laden betrieb, der die Familie während der Depressionsjahre ernährte, wuchs Maya mit ihrem Bruder auf, bis der Vater sie abholte und zurück zur Mutter nach St. Louis brachte. Deren Liebhaber vergewaltigte sie, als sie acht Jahre alt war. Freeman hieß er, ausgerechnet. Er befahl Maya zu schweigen, um den Preis des Lebens ihres geliebten Bruders. Und Maya schwieg.

Aber nicht für lang.

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