Meine Tochter soll nicht brav sein

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Gut, dass es ihn gibt, aber darum kann ich mich nicht auch noch kümmern.“ So war mein Verhältnis zum Feminismus. Bis zum 15. April 2015 gegen 16.15 Uhr. An diesem Tag kam Greta zur Welt. Und zwei Jahre später folgte ihr Teresa. Zwei Frauen, die nicht nur das Leben ihrer Eltern verändert haben, sondern auch die Art, wie wir die Welt wahrnehmen.

Mit ihrem Machtinstinkt lässt unsere zweijährige Teresa alle nach ihrer Pfeife tanzen. Wird sie mal Bundeskanzlerin? Zirkusdompteurin? Lehrerin? Oder die erste Frau auf dem Mars? Das ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass sie werden kann, was sie will. So wie auch Greta und alle anderen Frauen dieser Welt werden sollen, was sie wollen. Und nicht das, was man von ihnen erwartet, weil sie Frauen sind.

Wie vermutlich jeder Vater würde ich alles dafür tun, dass meine Töchter glücklich sind. Dass sie sich frei entfalten können. Dass ihnen die Ungerechtigkeiten und Abwertungen erspart bleiben, denen Frauen seit hunderten von Jahren ausgesetzt sind. Etwas, womit ich mich früher nie beschäftigt habe, beschäftigt mich heute täglich, weil es mich eine Menge angeht.

Und plötzlich sehe ich Dinge, die ich früher übersehen habe. Wie unterschiedlich Menschen mit Mädchen und Jungen umgehen. Und wie Kinder geprägt werden durch das, was Erwachsene von ihnen erwarten und ihnen vorleben.

Ich versuche eine stereotype Prägung durch meine Erziehung zu vermeiden. Das gelingt mir zwar nicht ganz, aber ich versuche es mit Macht. Dabei merke ich, wie wenig Ahnung ich eigentlich habe. Wir neuen Väter rennen zwar alle zum Geburtsvorbereitungskurs, aber das war oft das letzte Mal, dass wir uns professionell fortgebildet haben. Wir neigen dazu, das gleiche Erziehungsprogramm abzuspulen, in dem wir selber groß geworden sind. Es zu ändern, ist einfacher gesagt als getan.

Ich denke immer öfter: Meine Töchter sollen das gleiche Recht haben, auch mal auszuflippen und durchzudrehen, wie man es Jungen einräumt. Sie sollen auch das Recht haben, vom Klettergerüst zu fallen. Sie sollen nicht brav sein, weil sie Mädchen sind, sondern empathisch und respektvoll, weil sie Menschen sind. Ich versuche zu erahnen, wie sie ticken, um herauszulocken, was in ihnen steckt. Ich will sie nicht in eine Rolle drängen, sondern so nehmen, wie sie sind.

Die gute Nachricht: Die vielen Millionen Väter in Deutschland, die Töchter haben, könnten ähnlich empfinden. Wir müssten eigentlich alle Feministen sein, weil wir nur das Beste für unsere Töchter wollen!

Wenn wir Töchterväter kapierten, dass es bei der Gleichberechtigung von Frauen auch um die Gleichberechtigung unserer eigenen Töchter geht, wäre schon viel getan.

Wir sollten im Berufs- und Sozialleben eigentlich Vorreiter sein, wenn es um Respekt und Chancengleichheit für Frauen geht. Wer eine Gebrauchsanweisung braucht, handele frei nach Kants kategorischen Imperativ: „Behandle Frauen so, wie deine Töchter von anderen behandelt werden sollen.“ Der frauenfeindliche Witz wird irgendwann auch der frauenfeindliche Witz über unsere Tochter sein. Wir Männer gelten doch als mutig, also sollten wir auch den Mut haben mal mit „Find ich jetzt gar nicht lustig“ die Stimmung zu vermiesen.

Aber zurück zu Greta und Teresa. Die beiden holt heute wieder ihre Mutter von der Kita ab. Ich gelobe Besserung. Jetzt auch schriftlich fixiert in der EMMA. Die habe ich übrigens gerade abonniert. Geht ganz einfach und nur für 48 € im Jahr unter emma.de. Das ist der Preis für zweimal falsch Parken. Wir fordern doch alle, dass die Bildungsausgaben steigen. Mit einem EMMA-Abo kann man bei sich selber anfangen.

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