Lindner und die Jungs

Lindner mit Fanboys bei einer Wahlkampfveranstaltung in Frankfurt. - Foto: Hannes P. Albert/IMAGO
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Beginnen wir mit einer aufschlussreichen Freudschen Fehlleistung von Christian Lindner. Der verkündete am Wahlabend triumphierend, seine FDP sei „stärkste Partei bei den Erstwählern“! Wer nun einen geneigten Blick auf die Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen wirft, stellt fest: Das stimmt nicht, jedenfalls nicht ganz. Tatsächlich hat knapp jeder vierte Jungwähler (24%) zwischen 18 und 29 Jahren Lindners Liberale gewählt.

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Allerdings: Hier sprechen wir ausschließlich von den männlichen Wählern. Doch die Jungwählerinnen haben die FDP keineswegs zur stärksten Partei gewählt, im Gegenteil: zur viertschwächsten (hinter SPD, Grünen und Sonstigen). Nur jede achte Wählerin (13%) zwischen 18 und 29 machte ihr Kreuz bei Lindner. Das ist ein veritabler Gender Gap von elf Prozent.

Bei den JungwählerInnen: Veritable Gender Gaps bei FDP und Grünen

Wie kaum anders zu erwarten war, wählte die Mehrheit der jungen Frauen (26%) die junge Frau: Annalena Baerbock. Und das, obwohl die grüne Quotenfrau, ganz wie ihre beiden Mitbewerber, das Thema Frauenpolitik in zwei  Triellen aussparte. Auch am Wahlabend rief Annalena vor allem  „Klimakoalition!“, doch irgendwas mit Frauen kam ihr nicht über die Lippen. Die Jungwählerinnen, für die der Kampf gegen den Klimawandel zweifellos das zentrale Thema ist, haben es ihr offensichtlich nicht übelgenommen.

Und die älteren Wählerinnen wählten wie gewohnt etwas häufiger die Grünen als die Wähler. Wie bei der letzten Bundestagswahl lag der grüne Gender Gap bei drei Prozent (Frauen: 17%, Männer: 14%).

Olaf Scholz hat bei den Wahlen einen Teil des "Frauenbonus" übernommen. - Foto: Florian Gaertner/photothek.de/dpa
Olaf Scholz hat bei den Wahlen einen Teil des "Frauenbonus" übernommen. - Foto: Florian Gaertner/photothek.de/dpa

Und jetzt zum Verlierer des Abends: Armin Laschet verlor nicht nur fast neun Prozent der Stimmen, sondern auch den Frauenbonus, den Angela Merkel der CDU verschafft hatte. Dieser Frauenbonus war eine kleine Sensation gewesen. Denn seit Anfang der 1970er Jahre - sprich: seit Aufbruch der Frauenbewegung - hatte die SPD ein Dauerabo auf die größere Gunst der Wählerinnen gehabt. Die hatten über drei Jahrzehnte lang in der (leider nicht immer begründeten) Hoffnung auf eine fortschrittlichere Frauenpolitik die Sozialdemokraten gewählt.

Dann kam 2005 die Kanzlerin und jagte nach der ersten Legislaturperiode der SPD den Frauenbonus ab. Zum ersten Mal wählte selbst die Mehrheit der Jungwählerinnen Merkels CDU.

Was wurde aus dem Frauenbonus,
den Merkel der CDU verschafft hatte?

Jetzt ist der Frauenbonus weg. Satte acht Prozent mehr Frauen als Männer hatten 2017 die Kanzlerinnenpartei gewählt. 2021 sind es nur noch ein Prozent. Und das durch alle weiblichen Altersgruppen hindurch. Selbst die älteren Frauen über 60, stets eine feste Bank für die Union, wählten die Partei mit Laschet als Frontmann kaum noch häufiger als die gleichaltrigen Männer. Zwar machte in dieser Altersgruppe immer noch jede dritte (34%) ihr Kreuz bei der Union, 2017 aber war es noch fast jede zweite gewesen (46%).

Und schließlich zum Sieger des Abends: Olaf Scholz. Er hat nicht nur 1,6 Millionen Stimmen der CDU-WählerInnen übernommen, sondern auch den Frauenbonus – jedenfalls einen Teil. Drei Prozent mehr Frauen (27%) als Männer (24%) wählten den bekennenden Feministen Scholz – der im Wahlkampf allerdings nicht wirklich als solcher aufgefallen war. Dennoch: Seinen Vorgänger Schulz hatten 2017 weniger Frauen als Männer gewählt. Scholz hingegen gewann – außer bei den Jungwählerinnen – bei Frauen in jeder Altersgruppe. Am meisten bei denen über 60: Hier wählte jede dritte die SPD (35%). 2017 jede vierte (23%).

Bleiben Linke und AfD. Die Linke wurde gleich viel – oder gleich wenig – von Männern wie Frauen gewählt. Die AfD bleibt bei ihrem traditionellen Männerüberschuss, verlor aber 2021 bei den Männern stärker als bei den Frauen. 8 Prozent der Wählerinnen wählten die Rechtspopulisten (2017: 9%) und 12 Prozent der Wähler (2017: 16%). Für die Frauen mag die Angst vor dem politischen Islam eine Rolle gespielt haben, für den Ausstieg der Männer die selbstbewusste Vorsitzende Weidel.

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