An der Basis: Die Landfrauen

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Wir sind der Verband, der die Landwirtschaft in eine gute Zukunft führen kann!“, sagt Petra Bentkämper, die Präsidentin des Landfrauenverbandes, selbstbewusst. Ihr Verband vertritt die Interessen von 500.000 Frauen im ländlichen Raum, aus allen Berufen und Altersklassen. Darunter Landwirtinnen, Agraringenieurinnen, Milchwirtinnen oder Direktvermarkterinnen.

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Dass der Landfrauenverband in der Agrarpolitik lange Zeit unsichtbar war, liegt auch am Deutschen Bauernverband, einem wahren Bollwerk gegen Frauen. Die Landwirtschaftsministerin mag eine Frau sein, doch es ist der Bauernverband, der nach wie vor in der Agrarpolitik den Ton angibt.

Gegenwärtig steht bei keinem einzigen der 18 Landesverbände des Bauernverbandes eine Frau an der Spitze. Im Vorstand des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg sitzen gerade mal zwei Frauen neben 46 Männern. Petra Bentkämper fordert daher eine Frauenquote in den landwirtschaftlichen Gremien.

Der Landfrauenverband zielt in seinen Verbandsaktivitäten darauf ab, dass die Arbeit von Bäuerinnen nicht nur wertgeschätzt, sondern auch leistungsgerecht bezahlt wird. Als Mitglied im Deutschen Frauenrat beziehen die Landfrauen immer wieder Stellung, aktuell zur Lage der  Pflegekräfte, zu den Alleinerziehenden, zum Gender-Pay-Gap. Neben Weiterbildungen in Unternehmensgründung, Agrarpolitik, Hauswirtschaft, Ernährung und Gesundheit, hat der Verband vor allem einen Dauerbrenner: die wirtschaftliche Altersabsicherung der Frauen. Noch immer existiert der skandalöse juristische Status der „mithelfenden Familienangehörigen“ (Abkürzung MiFa) für Frauen, die in einen Hof einheiraten und für ihre Arbeitsleistung keinen Lohn erhalten und auch nicht in die Sozialversicherung einzahlen. Umfragen zufolge könnte das bis zu 40 Prozent der Frauen in der Landwirtschaft betreffen.

„Wir als Verband predigen all unseren Frauen: Sichert euch gut ab! Macht klare Eheverträge! Klärt die Verhältnisse mit der ersten Generation, den Altenteilern“, erzählt Präsidentin Bentkämper. Und: „Verschafft euch ein eigenes Standbein auf dem Hof oder führt euren Ursprungs-Beruf! Das fordert Mut, aber so muss es laufen, sonst stehen die Frauen im Fall der Trennung ohne alles da.“

Der Landfrauenverband, Wappentier die Biene, lebt von seinem bombastischen Netzwerk. Mit 500.000 Mitgliedern aus allen Teilen Deutschlands, die sich rege treffen (allein 5.000 Frauen hätten sich am 1. Juli zum „Deutschen Landfrauentag“ in Essen getroffen, wenn Corona nicht dazwischengekommen wäre), kann einiges auf die Beine gestellt werden.

Die Seele des Landfrauenverbandes ist jedoch etwas anderes: die Gemeinschaft. „Unsere Frauen suchen Gemeinschaft“, sagt Petra Bentkämper, „die ist das Lebenselixier der Frauen auf dem Land“. Früher hatten Bäuerinnen kaum Möglichkeiten, sich in irgendeiner Form weiterzubilden, hatten wenig Kontakte zu anderen Frauen – von Schwiegermüttern und Mägden abgesehen.

Das hat die Bäuerin Elisabet Boehm früh erkannt und gegen Ende des 19. Jahrhunderts die ersten ländlich-hauswirtschaftlichen Hausfrauenvereine gegründet. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden die Frauenverbände aufgelöst, haben sich aber nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges direkt wieder gegründet. Vor allem auf die Initiative einer Frau hin: Gräfin MarieLuise Leutrum aus Unterrie xingen in BadenWürttemberg. Sie war wild entschlossen, die Landwirtschaft in der Nachkriegszeit wiederaufzubauen. „Auf den Höfen herrschte damals große Not“, erzählte die 1980 verstorbene Gräfin in einem ihrer letzten Interviews, „Männer und Söhne waren gefallen oder in Kriegs gefangenschaft. Aus dem Nebeneinander der Frauen auf den Höfen musste ein Miteinander werden. Alle Frauen auf dem Land mussten erreicht werden“.

Die Gräfin sprach mit Offizieren der französischen und amerikanischen Besatzungsmächte, überredete sie, das allgemeine Vereinsverbot für die Frauen auf dem Land zu lockern. Schließlich ging es auch um die Versorgung der Bevölkerung, das Überleben der Höfe. Die erste Geschäftsstelle richtete Leutrum in ihrem Schloss in Unterriexingen ein, mit einer geborgten Schreibmaschine und einem Telefon. Der Anfang war gemacht. Leutrum führte die Vereine der einzelnen Bundesländer Stück für Stück zur „Arbeitsgemeinschaft der Landfrauenverbände“ zusammen. Im Oktober 1948 wurde schließlich der Deutsche Landfrauenverband gegründet – und Gräfin Leutrum blieb bis 1970 seine Präsidentin. 22 Jahre lang. Wie schon Elisabet Boehm verstand auch die Gräfin Bildung als Schlüssel zur Zukunft. Neben praktischen Ausbildungen in Land- und Hauswirtschaft, Geflügelhaltung und Gartenbau waren auch politische und kulturelle Bildung im Angebot des Verbandes.

Der Verband kämpfte für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen der Bäuerinnen, um staatliche Hilfen für den Haushalt (analog zu den Geldern für Betriebe), für Gerechtigkeit zwischen Frauen und Männern. Zusammen mit der damaligen Sozialministerin Annemarie Griesinger (CDU) brachte der Verband 1966 Staatszuschüsse für 450.000 Bauernhäuser auf den Weg. Nach dem Motto: „Frieden erhalten wir nur dort, wo wir um das Gleichgewicht der Kräfte ringen – in der Ehe, in der Familie, in den Dörfern, in den Ländern, im Bund und in den Völkern“ (Leutrum).

Die letzten Worte der Gräfin sind aktueller denn je: „Ich glaube, wir wissen alle, in welcher Zeit wir leben und welche Verantwortung jeder einzelne, auch jede Frau, für diese Zukunft hat. In unsere Hand ist es gelegt, in welche Richtung es gehen wird."

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