Von den Schweizerinnen lernen

Foto: Monika Flückinger
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Frauen müssen Räume erobern, am besten gleich den Sitz des Parlaments. Im Oktober 2021 setzten sich Schweizer Politikerinnen und Frauenverbände zur „Frauensession“ zwei Tage lang im Berner Bundeshaus zusammen (Foto), unter der Leitung des Frauendachverbands „alliance F“. 246 Frauen kamen zu 77 Abstimmungen und 23 Petitionen.

Sie fordern eine Reform des Sexualstrafrechts, Kampagnen und Prävention zur Häuslichen Gewalt und Femizide sowie mehr Infrastruktur in der Kinderbetreuung, eine Revision des Eherechts für Bäuerinnen (bei einer Scheidung soll der Bauer mehr Geld an seine „mitarbeitende“ Ehefrau auszahlen müssen) und mehr Rente für geleistete Sorgearbeit. Jetzt, ein gutes Jahr später, ziehen die Schweizerinnen Bilanz. Von den 23 Petitionen hat das Eidgenössische Parlament sechs bereits angenommen und weitere fünf beschlossen.

So muss die Regierung künftig regelmäßig Präventionskampagnen gegen Häusliche und sexuelle Gewalt lancieren. Die schulische Sexualaufklärung soll verbessert werden. Der Anteil von Frauen in MINT-Berufen soll steigen. Für mehr Steuergerechtigkeit zwischen Mann und Frau soll die Individualbesteuerung auf den Weg gebracht werden – wohlbemerkt eine Forderung, die in Deutschland aus Eigeninteresse der Parlamentarier am Ehegattensplitting und aus parteiübergreifender Disziplin auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben wurde. Universitäten und Fachhochschulen müssen mehr Teilzeit für ForscherInnen ermöglichen. Außerdem muss der Bund 500 Millionen Schweizer Franken ins Elterngeld stecken.

Und: Der Nationalrat (Bundestag) hat „Nein heißt Nein“ ins Sexualstrafrecht aufgenommen. Ein Sieg, der allerdings einen Haken hat. „Nein heißt Nein“ ist zwar ein Fortschritt im Sexualstrafrecht, zementiert aber die überholte Vorstellung, dass sexuelle Handlungen in Ordnung sind, solange das Gegenüber nicht Nein sagt. Genau wie in Deutschland wollten die Schweizerinnen jetzt auch die Zustimmungslösung „Nur Ja heißt Ja“. Der Ständerat (die Vertretung der Kantone) stimmte jedoch dagegen. Doch es gibt Bewegung in der Definition der Sexualstrafbestände. Das „Freezing“ soll darin aufgenommen werden. Es bezeichnet den Schockzustand, der es dem Opfer unmöglich macht, sich zu wehren.

Dank der Initiative „Helvetia ruft!“ sitzen inzwischen immer mehr Frauen im Bundesparlament (42 Prozent). Im Kanton Neuenburg sind es sogar erstmals mehr Frauen als Männer! Für den 14. Juni ist nun der „größte Frauenstreik der Geschichte“ angekündigt!

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