Waterwoman: Atemberaubend!
ANNA VON BOETTICHER, APNOE-TAUCHERIN
Sie nimmt einen tiefen Atemzug. Acht Sekunden braucht ihre Lunge, bis sie gefüllt ist. Dann gleitet sie weit runter in die Tiefe. Nach 30 Metern ist die Luft im Körper so komprimiert, dass sie in den freien Fall gerät. Wie ein Stein rauscht sie nach unten, 60, 80, 100 Meter tief. Dann schwebt sie still in der Dämmerzone des Meeres. Zwei, drei Minuten schafft sie in der Tiefe, dann muss sie hoch, Luft holen. In der Schwimmhalle bei einer WM hat sie schon sechs Minuten, zwölf Sekunden geschafft.
Schon als Kind wollte Anna mit einem U-Boot auf den Meeresgrund fahren, Unbekanntes entdecken. Mit 17 machte sie ihren ersten Tauchschein im Bodensee, dann den Tauchschein für „Technisches Tauchen“, bei dem mit Helium-Luft-Gemischen große Tiefen erreicht werden. Heute ist die 50-Jährige eine der besten der Welt im Apnoe-Tauchen, dem Tauchen ohne Sauerstoffflasche und mit nur einem Atemzug. Ihr Rekord liegt bei 125 Metern.
Aber Anna taucht nicht nur auf Wettkämpfen um Tiefenrekorde, sie geht auch allein mit Flossen auf Freitauchgang, im Mittelmeer oder im Nordmeer. Einmal tauchte sie in Norwegen in einer Polarnacht, als ein neugieriger Orca dicht an sie heranschwamm. Sie hat Eisberge von unten erkundet und unter zugefrorenen Fjorden in Ostgrönland Felswelten entdeckt, die noch niemand vor ihr gesehen hat.
Die größte Herausforderung beim Apnoe-Tauchen: Unter drohender Atemnot eine nahezu schläfrige Ruhe bewahren. 2015 meldete sich die Deutsche Marine bei der Münchnerin: Ob sie sich vorstellen könne, bei der Ausbildung der Kampfschwimmer und Minentaucher mitzuarbeiten? In der Marine-Operationsschule in Bremerhaven erarbeitete Anna sich als einzige Frau unter Männern den Respekt der Ausbilder und Rekruten. Feuerwehrtaucher und Polizeitaucher lassen sich von ihr schulen. Die Ausbildungen sind heute eine ihrer Haupteinnahmequellen. Früher einmal, vor dem Rausch der Tiefe, da war Anna Buchhändlerin.
IRIS SCHMIDBAUER
KLIPPENSPRINGERIN
Spring und du bist ein Mann! Diese Regel gilt in vielen indigenen Völkern dieser Erde – ganz wie für die Springer vom Zehnmeter-Turm im heimischen Freibad. Sich aus geraumer Höhe in die Tiefe zu stürzen, ist eine urmännliche Tradition, ein Initiationsritual. Je tiefer der Sprung, desto größer der Ruhm.
Auch für Iris Schmidbauer ging’s im Freibad los. Genauer gesagt mit einem zehn Meter hohen Holzturm zu Hause in Utting am Ammersee. Dort ist sie schon als kleines Kind immer wieder „nunterghüpft“. Es hat ihr gefallen, vor den Jungs damit anzugeben.
2008 sieht sie im Fernsehen die Olympia-TurmspringerInnen. Da ist sie 13 und weiß: Das will ich auch! Sie geht in einen Verein in München, wird schließlich Leistungssportlerin. Und sie lernt Cliff-Diver kennen. Männer, die aus 20 oder sogar 27 Metern Höhe springen. Wer aus so einer Höhe, mit einer Geschwindigkeit von 70 bis 80 Stundenkilometern mit dem Rücken oder Bauch (und nicht wie geplant mit den Füßen) aufkommt, der kann querschnittsgelähmt oder tot sein.
Wenn Iris heute in Plymouth in West-England, oder anderen Hotspots für Klippenspringer, an die Kante tritt, geht ein Raunen durch die Menge. Die schroffen Klippen, die steife Brise, die tosenden Wellen. Hier stürzen sich nur ganze Kerle in die Tiefe – und Iris. Von den wenigen Frauen, die Klippenspringen machen, ist sie in Wettkämpfen meist die einzige Deutsche. „Jeder Instinkt sagt dir: Nein, spring da nicht hinunter! Aber zu wissen, dass ich es trotzdem kann – das ist der absolute Kick“, sagt Iris. Das Klippenspringen könnte übrigens bald olympisch werden – so hofft Iris.
FAITH DICKEY
SLACKLINERIN
Über Schluchten und Abgründe balancieren, das ist der Stoff, aus dem Albträume sind. Es gibt eine Handvoll Menschen weltweit, die das nicht nur träumt. Faith Dickey ist eine von ihnen – und die einzige Frau. Die Amerikanerin ist der Star der sogenannten „Slackliner“-Szene. Früher hätte man „Seiltanzen“ dazu gesagt. Eigentlich trifft es das auch besser, denn es ist ein Tanz, den Faith auf diesem wankenden Kunststoffband vollführt. 50, 100, 200 Meter überquert sie, den Abgrund unter ihren Füßen. Mal geht sie fünf Schritte nach vorn und vier zurück. Zehn, 20 Minuten ist sie hochkonzentriert, kein Windstoß, kein Geräusch darf sie ablenken.
Aufgewachsen ist Faith in Austin, Texas. Fünf Jobs gleichzeitig hatte sie, arbeitete 80 Stunden pro Woche als Babysitterin oder Kellnerin. Doch dann kam der Unfall. Sie war mit dem Auto unterwegs und nickte kurz ein – Totalschaden. Ihr selbst passierte nicht viel, aber sie stellte sich die Frage: Ist mein Leben überhaupt lebenswert genug? Ihre Antwort: Nein... Wie Faith zum Slacklining kam und ...
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