Sie kämpft gegen die Beschneidung!

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Frau Wangare-Greiner, die Zahl der Frauen und Mädchen, die in Deutschland von Genitalverstümmelung betroffen oder bedroht sind, steigt seit Jahren. Müssen wir unsere Gesetze verschärfen?
Nein, denn die Gesetzeslage ist eigentlich gut. Genitalverstümmelung ist seit 2013 ein eigener Straftatbestand, und sie kann auch im Ausland verfolgt werden. Eltern, die ihre Tochter im Heimatland beschneiden lassen, können dafür bestraft werden. Und um die Beschneidung zu verhindern, kann ihnen der Pass entzogen werden. Aber es scheitert an der Umsetzung: Wir haben in Deutschland bisher keine Verurteilung.

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In Frankreich oder Großbritannien wurden schon Mütter verurteilt, deren Töchter sie wegen Genitalverstümmelung angezeigt hatten. Warum nicht in Deutschland?
Die Frauen und Mädchen müssen überhaupt erst einmal wissen, dass Genitalverstümmelung in Deutschland verboten ist. Dazu brauchen wir mehr Aufklärungsarbeit in den Communities. Unser Netzwerk Integra hat im Januar 2017 eine Studie veröffentlicht, für die wir Frauen und Männer in den Communities befragt haben. Ein Ergebnis war, dass es Zeit und eine vertrauensvolle Atmosphäre braucht, damit sich die Frauen anvertrauen können. Wir nehmen uns also viel Zeit - auch wenn wir die oft gar nicht haben. Aber Zeit und Geduld sind eben wichtig, denn: Welche Frau spricht gern mit einer fremden Person über eine so intime Angelegenheit? Wichtig sind also Angebote aus der Community für die Community. Und wir müssen Ärzte und Ärztinnen und Hebammen entsprechend schulen. Sie müssen wissen, was zu tun ist, wenn eine beschnittene Frau als Patientin zu ihnen kommt. Wenn eine Frau kurz vor der Geburt steht, hat sie selbst genug Panik. Wenn der Arzt dann auch noch panisch reagiert, weil er erschrocken ist und nicht weiß, wie er reagieren soll, dann ist das für die Frau furchtbar.  

Einen ersten Erfolg gibt es schon: Die Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen sieht seit 1. Januar 2020 vor, dass Wissen über Genitalverstümmelung vermittelt und abgeprüft wird. Wie ist es bei den Ärztinnen und Ärzten?
Es muss mehr Fortbildungen geben und das Thema muss ins Studium! Die Ärzte brauchen Fachkenntnisse über die unterschiedlichen Formen der Genitalverstümmelung, die oft von Land zu Land variieren und auch innerhalb eines Landes. Eine Geburt zum Beispiel muss dann entsprechend vorbereitet werden. Auch der einfühlsame Umgang mit der Frau ist wichtig. Die Frauen dürfen nicht das Gefühl haben, dass sie auch noch diskriminiert werden, weil sie beschnitten sind. Und es braucht auch Unterstützung von Therapeutinnen, weil manche Frauen schwer traumatisiert sind.

Mindestens genauso wichtig wie der kundige Umgang mit den genitalverstümmelten Frauen ist die Prävention. Wie verhindern Sie bei Maisha, dass Eltern ihre Töchter beschneiden lassen wollen?
Es ist wichtig, dass die Eltern wissen, dass Genitalverstümmelung in Deutschland verboten ist. Aber fast noch wichtiger als die Strafandrohung ist, dass wir sie wirklich überzeugen. Wir erklären Ihnen, welche dramatischen gesundheitlichen Auswirkungen die Verstümmelung für ihre Tochter hat. Wir erklären ihnen zum Beispiel auch, wie die Anatomie einer Frau normalerweise aussieht. Und dann verstehen die Frauen sehr schnell. Viele von ihnen sind selbst betroffen, und wenn ihnen das als Kind passiert ist, dann kennen sie ihren Körper nicht anders. Sie denken, es wäre normal und bei allen Frauen so.

Sie müssen ja nicht nur die Frauen überzeugen, sondern auch die Männer.
Ja, ohne Überzeugungsarbeit mit den Männern geht es nicht. Auch von ihnen glauben viele, der Zustand ihrer Frauen sei normal. Ich kann mich an einen Mann erinnern, der geweint hat, als er begriffen hat, wie sehr seine Frau leidet.

Der Anstieg der Zahlen ist ja vor allem auf die geflüchteten Frauen zurückzuführen, die in den letzten Jahren nach Deutschland gekommen sind. Wie erreichen sie diese Frauen?
Wir haben niedrigschwellige Angebote wie zum Beispiel Informationen zur Gesundheitsvorsorge. Wir begleiten die Frauen zum Arzt oder zu Geburten. Und wir beraten viele Frauen bei ihrem Asylantrag. Auch da sprechen wir das Thema an. Aber: Das Thema Genitalverstümmelung müsste in der gesamten Integrationsarbeit verankert werden. Es nützt nicht viel, wenn wir ein Projekt machen, das ein Jahr lang finanziert wird und danach ist es wieder vorbei. Wir müssen für Nachhaltigkeit sorgen, damit die Genitalverstümmelung irgendwann ganz abgeschafft ist.

www.maisha.org
www.netzwerk-integra.de

 

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Prozess wegen Genitalverstümmelung

Die 13-jährige Suhair Suhair al-Bataa starb an den Folgen der OP.
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Es ist eine Premiere in Ägypten und ihr Anlass ist grausam: Weil er seine Tochter genital verstümmeln ließ, steht der Vater vor Gericht. Ebenfalls angeklagt ist der Arzt, der die Operation in seiner Praxis vornahm. Die 13-jährige Suhair al-Bataa starb im Juni 2013 an den Folgen.

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Genitalverstümmelung ist international geächtet und auch in Ägypten seit 2008 per Gesetz verboten. Nur wenn eine „medizinische Notwendigkeit“ besteht, kann sie straffrei durchgeführt werden. „Die rechtliche Situation in Ägypten ist absurd. 75 Prozent aller Genitalverstümmelungen werden von medizinischem Personal durchgeführt - und damit mit staatlichem Einverständnis“, klagt Terre des Femmes, die im vergangenen Jahr 12.000 Unterschriften für ein ausnahmsloses Verbot an die ägyptische Regierung geschickt haben. Bisher ohne Reaktion.

In der Praxis ist Genitalverstümmelung weit verbreitet, vor allem in den ländlichen Regionen. In Ägypten sind laut UNICEF 91 Prozent der Frauen und Mädchen betroffen, damit ist die Zahl mit am höchsten auf der gesamten Welt. Weltweit schätzt das Kinderhilfswerk die Betroffenen auf 125 Millionen. Oft endet die Verstümmelung tödlich. Selbst wenn die Frauen überleben, kämpfen sie mit den Folgen bis an ihr Lebensende – körperlich wie seelisch.

Doch Suhairs Vater Mohammed war das egal, als er sie in dem Heimatdorf nordöstlich von Kairo zum Arzt brachte. Wie schon zuvor ihre Schwester.

Nach Suhairs Tod zeigten die Eltern den Arzt an. Dabei hatte der 20.000 Ägyptische Pfund (etwa 2.000 Euro) angeboten, damit sie schweigen. „Ich will Gerechtigkeit für meine Tochter", verkündete damals die Mutter – ohne eigenes Schuldbewusstsein. Die ägyptischen Staatsanwälte trafen eine andere Entscheidung: Sie klagten nicht nur den Arzt, sondern auch den Vater an, wegen Verstoß gegen das Gesetz gegen Genitalverstümmelung. Der Vater leugnet seither, dass er das Mädchen verstümmeln wollte. Er habe lediglich „eine Genitalwarze entfernen lassen“ wollen.

Dagegen stehen die Aussagen anderer Familienmitglieder in Suhairs Heimatdorf. „Es war Gottes Wille“, erklärte ihr Großvater einer BBC-Reporterin. „Ohne Beschneidung sind die Frauen übervoll mit Lust“, so der Onkel. Auch die Mutter und die Großmutter sind genital verstümmelt.

Nur eine in dem Dorf sprach sich öffentlich gegen die brutale Praxis aus. Suhairs Freundin Amira, ebenfallso 13 Jahre alt. „Das ist eine sehr schlimme Sache für Mädchen. Es gibt keinen Grund dafür. Und es ist falsch, weil es gefährlich ist.“ Über Suhair, die in der Nähe ihres Elternhauses begraben liegt, sagt sie: „Sie liebte es, Witze zu machen – und sie wollte Journalistin werden.“ 

Am 19. Juli beginnt der Prozess. „Das ist ein wichtiger Schritt", sagt die ägyptische Gynäkologin Randa Fakhr Eddin, Vorsitzende der "Koalition von Nichtregierungsorganisationen gegen weibliche Genitalverstümmelung". Dem Vater und dem Arzt drohen höchstens zwei Jahre Haft oder 500 Euro Strafe.

Mehr zum Thema

Der erste Text über die Genitalverstümmelung (damals hieß das noch "Beschneidung") erschien im März 1977 in EMMA. Das Thema war bis dahin total tabu gewesen. Die Kampagne gegen Genitalverstümmelung läuft bis heute.

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