Leihmütter: Dein Bauch gehört mir!

© Doreen Fiedler/dpa
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Der Fall von Baby Gammy beschäftigte im Sommer die Weltpresse. Ein australisches Ehepaar hatte für viel Geld ein Leihmutterkind bei einer Thailänderin bestellt. Die 21-jährige Pattharamon Chanbua, Betreiberin einer Straßen-Garküche und Mutter zweier Kinder, trug für 10.000 Dollar das Kind bzw. die Kinder von David Farnell und Wendy Li aus. Es waren Zwillinge. Die Käufer jedoch verweigerten die Annahme des einen Zwillings, ein Junge mit Down Syndrom, und nahmen nur das Mädchen mit. So schildert es die Thailänderin.

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In Deutschland: 
aus ethischen Gründen verboten

David Farnell und seine Ehefrau Wendy Li bestritten das später und behaupteten, sie hätten durchaus beide Kinder haben wollen. Doch inzwischen war bekannt geworden, dass Farnell wegen ­sexuellen Missbrauchs mehrerer kleiner Mädchen viereinhalb Jahre im Gefängnis gesessen hatte, was das Ehepaar nicht glaubhafter machte. 

Die Erregung schlug hohe Wellen. Thailand reagierte rasch. Nur wenige Wochen später legte die Regierung einen Gesetzesentwurf vor, der die kommerzielle Leihmutterschaft verbietet. Es wird erwartet, dass das Parlament zustimmt.

Doch wie halten wir es in unseren Ländern mit den Leihmüttern? In Deutschland ist die Leihmutterschaft aus ethischen Gründen verboten. Leihmutterschafts-Verträge gelten als „sittenwidrig“, sind also ungültig. Ganz ähnlich ist die Rechtslage in Österreich und der Schweiz. 

Doch dieses Verbot wird schon seit Jahren umgangen. Man geht davon aus, dass in Deutschland jährlich Hunderte Kinder von Leihmüttern importiert werden. Der internationale Markt floriert. ­Allein in Indien, wo die Kinder am billigsten sind, werden pro Jahr rund 2,3 Milliarden Dollar umgesetzt. Weitere Hauptlieferanten für Westeuropa sind die Ukraine und Russland, eben die ärmsten Länder. Kinder von Leihmüttern kosten, je nach Herkunftsland, 25–100.000 Dollar, all inclusive.

Nur etwa ein Zehntel des Geldes landet bei den Leihmüttern. Die restlichen 90 Prozent kassieren die vermittelnden Agenturen und die spezialisierten Kliniken.

Erste Statements deutscher PolitikerInnen, von rechts bis links, suggerieren, dass es beim Leihmutterverbot bleiben sollte. Doch das ist in Wahrheit schon lange aufgeweicht. Ausgerechnet der Europäische Gerichtshof in Straßburg öffnete gerade die Schleusen für alle EU-Länder. Er entschied, dass ein Land, das die „Bestelleltern“ nicht als Eltern anerkenne, gegen die Menschenrechte verstoße – nicht etwa umgekehrt.

Spezialisierte Agenturen, wie Biotex in der Ukraine, werben auf dem deutschsprachigen Markt schon lange damit, dass sie es trotz Verbot noch immer geschafft hätten, dass die bei Leihmüttern bestellten Kinder letztendlich von den zuständigen Botschaften Reisepässe erhielten, auch wenn das schon mal drei Monate dauern könne. Am einfachsten ist, wenn der Bestellvater seinen Samen dazu gibt und die Leihmutter nicht verheiratet ist. Dann erhält das Baby als Kind des Käufers auf jeden Fall einen Pass seiner Nationalität.

Die Methoden der Schwängerung sind unterschiedlich. Es kann der Leihmutter ein befruchtetes Ei der Kaufeltern eingepflanzt werden, dann ist sie „nur“ die Austrägerin. Es kann ein Ei der Leihmutter mit dem Samen eines Kaufvaters befruchtet werden, dann ist sie auch die biologische Mutter. Es kann aber auch irgendein irgendwie befruchtetes Ei von der Leihmutter ausgetragen werden. In dem Fall wären die Kindseltern nicht biologisch mit dem Kind verwandt.

In Amerika scheint das Thema Leihmütter mit kapitalistischer Unbefangenheit behandelt zu werden, Motto: Alles ist Ware. Und wo ein Käufer ist, sind auch Verkäufer. In Old Europe ist man da bisher noch zögerlicher. Doch in Frankreich ist die Debatte schon voll entbrannt, ausgelöst von Hollandes „Ehe für alle“. Prominenteste Kritikerinnen bzw. Befürworterinnen der auch in Frankreich bisher verbotenen Leihmutterschaft sind die beiden feministischen ­Philosophinnen Elisabeth Badinter und Sylviane Agacinski. Badinter ist der Auffassung, dass eine jede mit ihrem Körper machen können soll, was sie will. Sie möchte nur die Bedingungen der Leihmutterschaft geregelt wissen: Der Lohn für die Leihmütter soll nach Badinter „Aufwandsentschädigung“ genannt werden, die Leihmutter soll auch nach der Geburt noch von dem Vertrag zurück­treten können etc.

In Amerika:
kapitalistische 
Unbefangenheit

Für Agacinski hingegen (übrigens die Ehefrau des früheren sozialistischen Präsidenten Jospin) ist die Leihmutterschaft „würdelos“ und „unmoralisch“. Der Körper der Frau sei keine Ware, argumentiert sie, sondern untrennbarer Teil eines Menschen. In der Frage der Leihmutterschaft habe der Staat die Pflicht, die Menschen vor sich selber zu schützen. So wie zum Beispiel beim Organhandel. Es gibt, sagt sie, für Menschen auch kein „Recht auf ein Kind“. Sie fordert also ein striktes Verbot der Leihmutterschaft.

Auffallend ist, dass die Argumente für und gegen die Leihmutterschaft fast identisch sind mit denen für und gegen die Prostitution. Und in der Tat befürwortet Badinter ein „Recht der Frauen auf Prostitution“ – und fordert Agacinski das Verbot der Prostitution. Es gibt, sagt sie, auch für Männer kein „Recht auf Sex“. Aber es gibt die Pflicht des Staates, die Frauen zu schützen.

Und EMMA? EMMA ist auf der Position von Agacinski: Wir sind für ein striktes Verbot der Leihmutterschaft.

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In Amerika sind Leihmütter kein Problem. Die Avantgarde beim Kinderkauf waren Gays. Den Bericht von EMMA-Korrespondentin Christiane Heil in der aktuellen Ausgabe lesen. Jetzt am Kiosk - oder Ausgabe bestellen 

 

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