Macht das Kopftuch „frei“?

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Am 1. Februar ist der so genannte „World Hijab Day“, der Welttag für den Hidschab. Den hatte die US-Aktivistin Nazma Khan ins Leben gerufen, um „die Millionen Musliminnen auf der Welt sichtbar zu machen, die sich freiwillig für das Kopftuch und ein Leben in Sittsamkeit entschieden haben.“ Kahn, die mit zehn Jahren aus Bangladesch in die New Yorker Bronx zog, sei damals die „einzige mit Kopftuch in der Schule gewesen, heißt es auf der Webseite der Aktion. Das habe sie als eine „schwierige Erfahrung“ empfunden.

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An besagtem World Hijab Day fordern Kahn und ihre Mitstreiterinnen nun seit 2013 auch die nicht „sittsamen“, sprich nicht-muslimische Frauen dazu auf, es auszuprobieren und einen Tag lang auch mal ein Kopftuch zu tragen. In diesem Jahr kam noch ein Extra dazu: Unter dem Hashtag #FreeInHijab sollten Musliminnen darüber schreiben, warum sie sich unter ihrem Kopftuch so „frei“ fühlen. Es meldeten sich sehr rasch sehr viele Musliminnen zu Wort. Aber anders als erwartet.

„Ich wurde in #Saudi dazu gezwungen, ihn zu tragen. Jetzt bin ich in Kanada so frei, ihn abzulegen. So gut wie alle Frauen werden gezwungen, ihn zu tragen“, erklärt eine „Feministin“ und „Atheistin“.

https://twitter.com/ffeminist0/status/1079684426789994496

„Meine Mutter hat mich gezwungen, den Hidschab zu tragen. Sie hat mir mit dem Höllenfeuer gedroht und ihre Hände um meinen Nacken gelegt“, schreibt auch die Userin Kamelliah, die sich selbst als „Genug-von-deinem-Bullshit-Lesbe“ bezeichnet; und als „Ex-Muslimin“, die aus Saudi-Arabien weggerannt ist.

https://twitter.com/pixshii/status/1079464407799943168

Und Ensaf Haidar, die Ehefrau des seit über sechs Jahren in Saudi-Arabien inhaftierten und rituell gefolterten Bloggers Raif Badawi, erklärt in ihrem Tweet: „Wenn ihr unter der Scharia geboren worden wäret, wenn ihr dazu gezwungen worden wäret, den Niqab zu tragen und man euch euer Menschsein geraubt hätte, würdet ihr verstehen, warum ich gegen den Hidschab und den Niqab bin.“

https://twitter.com/miss9afi/status/1079110613475999745

Die Kritik der Musliminnen auf Twitter war so vehement, dass auch die Medien aufmerksam wurden. „Freiheit durch Kopftücher? Twitter-Aktion geht nach hinten los“, schrieb zum Beispiel der Stern. „Aktion Hashtag #FreeInHijab: Aufstand der Frauen gegen den Welt-Kopftuch-Tag“, meldete Bild.

Dass es gerade unter (Ex-)Musliminnen eine sehr kritische, ja empörte Haltung zum islamistischen Kopftuch und der Vollverschleierung gibt, ist nichts Neues. Im Iran ist diesem Unmut vor genau einem Jahr eine ganze Bewegung entwachsen, die „Mädchen der Revolutionsstraße“. Sie haben sich todesmutig ohne Kopftuch auf den Straßen von Teheran gefilmt und fotografiert und diese Bilder und Videos ins Netz gestellt.

Übrigens: Laut einer Studie des Innenministeriums tragen 69 Prozent aller Frauen mit muslimischen Hintergrund in Deutschland kein Kopftuch – und sogar jede zweite sich selbst als „streng gläubig“ Bezeichnende hat noch nie ein Kopftuch getragen. Zeit für einen weltweiten „No Hijab Day“. So sieht das auch der Zentralrat der Ex-Muslime. Am 2. Februar um 14 Uhr ruft die Initiative zu einer Demo gegen den World Hijab Day auf der Kölner Domplatte auf.

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Die Mädchen der Revolutionsstraße

Foto: #MyStealthy Freedom
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Sie riskieren ihr Leben für ihre Freiheit und Menschenwürde. Fast vier Jahrzehnte nach der Machtergreifung von Ayatollah Khomeini im Iran, der das Schah-Regime in einen „Gottesstaat“ verwandelte, wagen Frauen den öffentlichen Protest. Protest gegen die ihnen diktierte und brutal erzwungene Verschleierung – dieser Schleier, der das Symbol und die Flagge aller islamischen Gottesstaatler ist.

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Todesmutig reißen die Frauen sich die Verhüllung vom Kopf, zeigen ihr Gesicht und ihr Haar und schwenken das verhasste Tuch wie eine Fahne; nicht wie eine Fahne der Unterdrückung, sondern wie eine Fahne der Befreiung. Vida Movahed war am 27. Dezember 2017 die Erste, die diese Provokation nicht zufällig mitten auf der „Revolutionsstraße“ in Teheran wagte.

Bis Mitte April sollen seither mindestens 36 weitere Frauen verhaftet worden sein. Staatschef Rohani ließ daraufhin plötzlich eine Studie aus dem Jahr 2014 veröffentlichen, die besagt, dass jedeR zweiteR IranerIn gegen die Zwangsverschleierung ist. Religionschef Ayatollah Khamenei hingegen nannte die Proteste der Frauen „unbedeutend“ und beschuldigte sie, sich von der „Propaganda des Westens verführt“ haben zu lassen.

Der Westen wiederum interessiert sich eigentlich nicht wirklich für die Lage der Iranerinnen, das hat er noch nie getan. Doch immerhin: 45 EU-ParlamentarierInnen haben gefordert, die verhafteten Frauen freizulassen, auf Initiative der Niederländerin Marietje Schaake. – Aber EMMA interessiert sich. Und informiert weiter.

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