Schauspielerin Hamann

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Die Komikerin ist privat ernst und schüchtern und schwärmt für "Muddi" und Patricia.

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"Ich habe nichts gegen Männer", sagt die als "eingefleischte Junggesellin" Bekannte und: "Ich bin keine Frauenrechtlerin". Dabei verkörpert Evelyn Hamann als Schauspielerin oft Frauenfiguren, die das Emanzentum schon mit der Muttermilch eingesogen haben. Die gewitzte Adelheid Möbius zum Beispiel, die - von männlichen Dumpfbacken umgeben - als "Tippse" auf einem Hamburger Polizeikommissariat arbeitet und alle Mordfälle löst.
Auf dem Bildschirm und auf der Bühne ist die Hamann oft gnadenlos komisch, privat wirkt sie eher verhalten, fast schüchtern, und das, obwohl sie ganz Deutschland zum Lachen bringt. Sie gilt als interviewscheu, verrät nicht gern Persönliches, will sich "ein Stück Normalität" bewahren. Aber für EMMA nimmt sie sich dann doch zwei Stunden Zeit. Grund: der Brief vom "Evelyn-Hamann-Fan-Club in der EMMA-Redaktion". Den fand sie "schräg".
Dass Evelyn Hamann nur selten Interviews gibt, liegt wohl auch an ihrer Bescheidenheit. Sie möchte "nicht im Vordergrund stehen", und wenn sie über sich selber spricht, "dann am liebsten über die Arbeit". Sie ist "diszipliniert", einer der raren TV-Stars, die jeden Text auswendig können. "Halbe Sachen liegen mir nicht", sagt sie: "Früher wollte ich sogar immer alles 150prozentig machen." In dieser Hinsicht hat sie was Preußisches, obwohl sie "´ne echte Hamburger Deern" ist.
Die "nach dem Krieg" Geborene stammt aus einer Musikerfamilie. Großvater und Vater waren Konzertmeister, die Mutter Konzertsängerin, die Schwester Geigerin und der Bruder Cellist. Evelyn spielt Klavier und hat früher als Jazzpianistin ihr "Taschengeld aufgebessert". Sie erzählt: "Meine Eltern haben sich bemüht, die Kinder zu verstehen und ihnen viel Freiraum zu geben." Von "Muddi", die sich nach der Scheidung allein um die drei Rangen kümmerte, spricht sie besonders liebevoll. Die Tochter bewundert die Mutter dafür, dass sie - die ihren Beruf "wegen der Kinder aufgeben musste" - noch im Alter Gesangslehrerin wurde.
"Muddi" hatte nichts dagegen, dass Evelyn aus der Art schlug und sich für die Schauspielerei entschied. Nach dem Abitur absolvierte sie die Hamburger Hochschule für Musik und Darstellende Künste als Beste ihrer Klasse. Trotzdem fand die frischgebackene Schauspielerin kein Theater-Engagement. Mit ihrem "ausgesprochenen Charaktergesicht" passte sie nicht ins Klischee der "jungen Liebhaberin". Für die Rolle des Gretchens war Evelyn Hamann "nicht hübsch genug". Blieb das Charakterfach.
In Heidelberg war die Endzwanzigerin "die jüngste Elisabeth" in Schillers "Maria Stuart" und in Bremen eine "sehr junge Marthe Schwerdtlein" in Goethes "Faust". Heute ist die Hamann froh darüber: "Ich hatte nie den Altersschock wie die anderen, für die es plötzlich keine Rollen mehr gibt, weil sie aus der jungen Liebhaberin herausgewachsen sind."
Ihr komisches Talent hat Vicco von Bülow alias Loriot entdeckt, der sich über Frauen wie Männer ganz gleichberechtigt lustig macht. Dem lief sie 1975 bei Radio Bremen über die Füße. Fremdbestimmen ließ sie sich nicht von dem "Genie", das sie zwar "auf eine einsame Insel mitnehmen" würde - "aber nur mit einem Hubschrauber dazu, um ab und zu wieder abhauen zu können". Die Verwandlungsfähige bestimmte auch selbst, in welche Kostüme und Masken sie schlüpfte und welche Perücken sie trug.
Schlagartig wurde Evelyn Hamann an Loriots Seite ein Star: als lispelnde Fernsehansagerin, die sich am "tiätsch" fast die Zunge abbricht; als frustrierte Hausfrau, die sich mit einem Staubsaugervertreter betrink; als verklemmte Sekretärin, die von einem Unterhosenfabrikanten "auf der Auslegware" verführt wird; als aufmüpfige Gattin, die ihr "Jodel-Diplom" macht, weil "eine Frau was eigenes braucht"; und als spätes Mädchen, das in dem legendären Sketch "Die Nudel" einen Annährungsversuch mit den sechs berühmt gewordenen Worten zurückweist: "Sie haben da was am Mund."
Heute ist Evelyn Hamann die TV-Akteurin mit den meisten "Specials", jene kleinen Episoden-Filme, die vom Spiel mit den Rollen leben und - in ihrem Fall - vom weiblichen Rollenbruch. "Ich nehme meine Frauenfiguren ganz ernst", schwört die preußische Hamburgerin, und ihre kichernden Zuschauerinnen fühlen sich gleich mit ernstgenommen.
Wenig bekannt sind Evelyn Hamanns Hörkassetten und CDs. Sie hat die komplette "Rebecca" von Daphne du Maurier auf Band gesprochen, die "fromme Helene" von Wilhelm Busch und die Katzengeschichten von Patricia Highsmith. Eine davon las Evelyn Hamann eines Tages am Rande der Wagner-Festspiele in einem kleinen Bayreuther Theater vor. In der ersten Reihe saß die Highsmith: "Da war ich furchtbar aufgeregt." Als die beiden sich anschließend hinter der Bühne trafen, war Patricia "sehr begeistert" von Evelyn, die so wunderbar miauen, knurren und schnurren kann. "You like cats", freute sich die strenge Katzenliebhaberin über die Schauspielerin, die ihre Wohnung mit einem Kater teilt.
In einer der früheren Folge von "Adelheid und ihre Mörder" sagt ihr Filmsohn zu ihr: "Euch Frauen kann man´s einfach nicht recht machen." Und Adelheid alias Evelyn kontert: "Ihr sollt es uns nicht recht machen, ihr sollt uns als gleichwertige Partner akzeptieren."
EMMA, 5/1996

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