„Wir wollen Europameister werden!“

Dzenifer Marozsan und Trainerin Steffi Jones. - © Imago Sportfoto
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Ja, man könnte behaupten, die deutschen Kickerinnen hätten ohnehin ein Abo auf den Titel, den sie schon achtmal gewonnen haben: Zum ersten Mal 1989 (Siegprämie: das berühmt-berüchtigte Kaffeeservice), das nächste Mal 1995 und ab da alle vier Jahre wieder in Serie.

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Aber nein, langweilig wird die Europameisterschaft deshalb noch lange nicht, was man und frau gleich im ersten Spiel des deutschen Nationalteams sehen konnte. Die Fußballerinnen aus dem Emanzipations-Paradies Schweden haben eine lange Frauenfußball-Tradition und sind folgerichtig sehr stark. Hinzu kommt: Sie haben dennoch eine Art Fußball-Trauma mit den deutschen Kickerinnen: Alle drei Spiele der letzten großen Turniere haben sie gegen Deutschland verloren, zuletzt das Olympia-Finale im Sommer 2016. Die Spielerinnen unter Trainerinnen-Legende Pia Sundhage, die mit dieser EM ihr Abschluss-Turnier gibt, brannten also auf Revanche - und holten immerhin ein 0:0.

Der EM-Titel sei "alternativlos", sagt Steffi Jones

Spannend außerdem: Bei dieser EM, die am 6. August mit dem Finale und womöglich dem deutschen EM-Titel Nr. 9 endet, gibt es Premieren in Serie. Premiere Nr. 1: Zum ersten Mal treten bei einer Frauenfußball-EM 16 Teams an (statt zwölf). Premiere Nr. 2: Zum ersten Mal werden zwei deutsche Schiedsrichterinnen bei einem internationalen Frauenturnier pfeifen. Bibiana Steinhaus, von Haus aus Kriminalkommissarin, die ab der kommenden Saison als erste Schiedsrichterin der deutschen Geschichte auch in der Männer-Bundesliga die Jungs nach ihrer Pfeife tanzen lassen wird. Und ihre palästinensisch-stämmige Kollegin Riem Hussein, hauptberuflich Apothekerin.

Premiere Nr. 3: Erstmalig bekommen die deutschen Fußball-Frauen für den Titel 37.500 Euro – mehr als doppelt so viel wie bei der letzten EM. (Gut, die Männer hätten für den EM-Titel, den sie 2016 nicht gewannen, knapp zehnmal so viel bekommen, nämlich 300.000 Euro. Aber vom Kaffeeservice bis heute ist es eben ein weiter Weg.) Und schließlich Premiere Nr. 4: Die neue Bundestrainerin Steffi Jones tritt zu ihrem ersten internationalen Turnier an.

Jones hat nach dem Olympia-Titel 2016 den Staffelstab von Vorgängerin Silvia Neid übernommen. Steffi Jones habe, so heißt es in den Medien, das Ziel EM-Titel für „alternativlos“ erklärt. Das klingt doch ganz wie die Bundeskanzlerin – und die hat bisher auch jedes Mal gewonnen.

Die nächsten deutschen Spiele der Gruppenrunde: 21.7., 20.45 Uhr, Deutschland -Italien, 25.7., 20.45 Uhr, Deutschland Russland.

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Bibi Steinhaus: Nie mehr zweite Liga!

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Es ist wieder soweit. Fußball-EM der Männer. Ganz Europa ist im Fußballfieber. Aber während Jogi und seine Jungs in Frankreich um den Titel kämpfen, läuft in Deutschland gerade ein anderes, aus Frauensicht noch viel spannenderes Match: Frankfurt gegen Hannover. Es treten gegeneinander an: Die Schiedsrichter-Kommission des Deutschen Fußballbundes, beheimatet in der hessischen Metropole, und Bibiana Steinhaus aus der niedersächsischen Hauptstadt, Deutschlands bekannteste Schiedsrichterin und die einzige, die es in die 2. Bundesliga der Männer geschafft hat. Jetzt kämpft sie um ihren Aufstieg in die 1. Liga. Aber es scheint, als hätte sie das Match schon verloren. Und das, so behauptet jedenfalls der saure Fanblock von Steinhaus, weil ihre Gegner womöglich nicht mit fairen Mitteln spielen.

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„Busen-Wischer“ bei „Deutsch-
lands schönster Schiedsrichterin“?

Von „offensichtlicher Benachteiligung“ (Bild) ist die Rede, sogar von „Manipulation“ (Welt). Um im Fußball-Bild zu bleiben: Bibiana Steinhaus wurde bei ihrem Lauf aufs eigentlich schon sichere Tor offenbar per Foulspiel gestoppt. Und natürlich liegt in diesem Fall die Frage nahe, ob das etwas mit ihrem Geschlecht zu tun hat. Also damit, dass es für einige Mitglieder des Männerbundes immer noch ­gewöhnungs­bedürftig ist, dass eine Frau Männern Ansagen macht. Und dann auch noch diese blonde Hünin, die mit ihren 1,81 Metern Körpergröße den Spielern buchstäblich auf Augenhöhe begegnet und die im Hauptberuf Polizeikommissarin ist.

Eins steht fest: Bibiana Steinhaus ist die „beste Schiedsrichterin der Welt“. Das sagt nicht nur Herbert Fandel, der Chef der DFB-Schiedsrichter-Kommission selbst, sondern auch all jene KollegInnen, die die 37-Jährige in den Jahren 2013 und 2014 zur Welt-Schiedsrichterin wählten. Da hatte Steinhaus schon alles Mögliche auf Weltniveau gepfiffen, zum Beispiel das nervenzehrende Endspiel USA gegen Japan bei der Frauen-WM 2011 oder die gleiche Konstellation ein Jahr später bei Olympia in London. Sie tat das als erste Frau in der Fußballgeschichte, denn bevor die Ära Steinhaus ­begann, wurden auch Frauenspiele von Männern „geleitet“.

Die bis dato beispiellose Karriere der Bibiana Steinhaus begann in einem Städtchen im Harz. Sonntags fanden sich 50, manchmal auch 100 Zuschauer auf dem Ascheplatz des SV Bad Lauterberg ein. Dort kickte Mitte der 1980er Jahre die 14-jährige Bibi als Linksverteidigerin. Allerdings „nahezu talentfrei“, wie sie heute lachend zugibt. Doch Fußball musste sein, denn es gab ein Vorbild: Papa. Horst-Dieter Steinhaus hatte sich ebenfalls nicht als begnadeter Kicker erwiesen und war daraufhin in die Schiedsrichterei gewechselt. Diesen Weg ging nun auch seine Tochter, der ihre Mutter „schon im Kindergarten ein absolutes Gerechtigkeitsempfinden attestiert hat“. Mit 16 pfiff Bibiana ihr erstes Spiel und das wohl so überzeugend, dass es ab da Schlag auf Schlag ging. Bezirksliga, Regionalliga und ab 2007 als erste und einzige Frau die Männerspiele der 2. Bundesliga. Ab 2008 DFB-Pokalspiele. In der 1. Bundesliga wird Steinhaus als vierte Unparteiische eingesetzt, wo sie zum Beispiel für die Befriedung tobender Trainer am Spielfeldrand zuständig ist.   

Parallel machte die Sportlerin eine Ausbildung zur Kriminalkommissarin. Stichwort Gerechtigkeitsempfinden. Und: Mit 47 Jahren ist für Bundesliga-SchiedsrichterInnen, die auf dem Platz sportliche Höchstleistungen bringen müssen, Schluss. In Deutschland sind die „Schiris“ keine Profis. Auch wenn der DFB ihnen seit 2012 ein Grundgehalt zahlt: Für die Zweitligisten 15.000 Euro pro Saison plus 2.000 Euro pro Spiel. 

Zwischen ihren zwei Berufen sieht Bibiana Steinhaus durchaus Parallelen: In beiden habe man die Aufgabe, „die Einhaltung von Regeln und Gesetzen zu überwachen, die man nicht selbst gemacht hat.“ Daraus spricht ein gewisser Humor, den sie bisweilen gut gebrauchen kann. Zum Beispiel, als bei der Antritts-Pressekonferenz ein Reporter allen Ernstes wissen wollte: „Werden Sie gemeinsam mit Ihren männlichen Kollegen duschen?“ Oder als Hertha BSC-Spieler Peter Niermeyer der Schiedsrichterin im Vorbeigehen auf die Schulter klopfen wollte und – eindeutig versehentlich – ihre Brust erwischte. Die Zeitungen berichteten geifernd über den „Busen-Wischer“ bei „Deutschlands schönster Schiedsrichterin“. Die nahm es gelassen.

Schluss mit lustig war aber beim Ausfall von Kerem Demirbay von Fortuna Düsseldorf. Er war Ende 2015 wegen „Rudelbildung“ (heißt wirklich so!) vom Platz geflogen. Daraufhin pöbelte er Schiedsrichterin Steinhaus an: „Frauen haben im Männerfußball nichts zu suchen!“ Demirbay musste 10.000 Euro Strafe zahlen und wurde dazu verdonnert, ein Mädchen-Spiel zu pfeifen. 

Solche Sprüche nimmt die toughe Bibiana ganz gelassen

Ob Frauen als Schiedsrichter in der 1. Bundesliga was zu suchen haben, da scheinen allerdings auch die Herren vom DFB ihre Zweifel zu haben. SchiedsrichterInnen müssen sich bei jedem Spiel beurteilen lassen. Die besten Beurteilungen dieser Saison hat: Bibiana Steinhaus. Dennoch hat Schiedsrichter-Chef Fandel den Daumen gesenkt. Steinhaus sei zwar diesmal die beste, habe aber in den letzten Spielzeiten „eine schwache Leistung gezeigt“. Der ehemalige Schiedsrichter Babak Rafati sieht den Grund für Steinhaus’ Nicht-Beförderung woanders: „Sie hat ihre eigene Meinung, ist eine dominante Persönlichkeit und lässt sich nicht alles gefallen.“ Die Betroffene schweigt zur Debatte. Wohl auch deshalb, weil der DFB Interview-Anfragen an sie derzeit abschlägig beantwortet. Bibiana Steinhaus hat die Frage, ob sie sich einen Aufstieg in die 1. ­Bundes­liga wünscht, immer durch die Blume beantwortet: „Als Sportler möchte man immer den größtmöglichen Erfolg erreichen.“

Der Aufstiegskampf dürfte für die Saison 2016/2017 verloren sein. Aber nach dem Spiel ist ja bekanntlich vor dem Spiel.

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