1. August 2011: Happy Birthday, Homo-Ehe!

Artikel teilen

10. November 2000
Der Bundestag beschließt mit den Stimmen der rot-grünen Regierungskoalition das „Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften“, kurz Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG).
Die FDP, die einen eigenen eingeschränkten Entwurf vorgelegt hatte, stimmt da­gegen. Die Union, die sich offensiv gegen die Homo-Ehe ausspricht, ebenfalls.
Das Gesetz muss noch durch den CDU/ CSU-dominierten Bundesrat, wo ihm die Gegner der Homo-Ehe erwartungsgemäß die Zustimmung verweigern. Heraus kommt ein Kompromiss: Das Recht des Paares, einen gemeinsamen Namen zu führen; das Recht auf Zuzug des/der ausländischen LebenspartnerIn, ein Mini-Pflichtanteil bei der Erbschaft. Dafür sind sich die PartnerInnen bei Arbeitslosigkeit oder Scheidung gegenseitig zu Unterhalt verpflichtet.

Anzeige

16. Februar 2001
Das Lebenspartnerschaftsgesetz, das in dem Stadium mehr Pflichten als Rechte enthält, wird verabschiedet. Die Länder Bayern, Sachsen  und Thüringen reichen eine so genannte Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht ein. Ziel: Karlsruhe soll die Homo-Ehe für verfassungswidrig erklären.

1. August 2001
Das „Lebenspartnerschaftsgesetz“ tritt in Kraft. In ganz Deutschland schließen die ersten Frauen- und Männerpaare auf den Standesämtern eine „Eingetragene Lebenspartnerschaft“ fürs Leben. In ganz Deutschland? Nein. Acht Bundesländer möchten die offizielle Anerkennung homosexueller Paare durch das standesamtliche Ritual vermeiden und schicken sie stattdessen zum Notar. Edmund Stoiber erklärt den 1. August zum „schwarzen Tag für die Familien“.

17. Juli 2002
Das Bundesverfassungsgericht erklärt die Homo-Ehe für verfassungskonform. Während Bayern & Co. den laut Artikel 6 der Verfassung garantierten „Schutz von Ehe und Familie“ in Gefahr sehen, urteilt Karlsruhe: „Die Ehe wird durch das Gesetz weder geschädigt noch sonst beeinträchtigt.“ Und: „Das Förderungsgebot des Artikel 6 kann nicht als Benachteiligungsgebot für andere ­Lebensformen als die Ehe verstanden werden.“

4. März 2004
Das Bundesverwaltungsgericht gibt der Klage eines verpartnerten Berufssoldaten statt, der beantragt hatte, in der Personalakte nicht als „ledig“ geführt zu werden. Der Soldat hatte geklagt, weil er als „Lediger“ keinen Anspruch  auf Familienzuschlag gehabt hätte.

15. Dezember 2004
Der Bundestag verabschiedet mit den Stimmen von Rot-Grün das „Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts“. Die Homo-Ehe wird jetzt in entscheidenden Punkten der Hetero-Ehe angeglichen. Zum Beispiel in der Rentenversicherung: Beim Tod ihrer PartnerIn erhalten die Hinterbliebenen jetzt 70 Prozent der Rente, genau wie Eheleute. Homopaare können bei der Trauung eine Zugewinngemeinschaft werden und sie dürfen sich jetzt verloben. Und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) wagt sich auch an das heißeste Eisen: die Kinderfrage. Das Gesetz erlaubt nun auch gleichgeschlechtlichen Paaren die sogenannte Stiefkindadoption. Das heißt: EinE PartnerIn kann die leiblichen Kinder der/des anderen adoptieren. Damit trägt Rot-Grün der Tatsache Rechnung, dass rund 35000 Kinder in gleichgeschlechtlichen Haushalten leben. Sie stammen aus früheren Partnerschaften oder sind unter Mitwirkung einer (holländischen) Samenbank oder eines Freundes entstanden.

1. Januar 2005
Bayern reicht gegen die Stiefkindadoption ­Normenkontroll­klage beim Bundesverfassungsgericht ein.

1. Januar 2007
Das Elterngeld-Gesetz tritt in Kraft. Es gilt auch für Regenbogenfamilien: Kommt ein Kind in einer gleichgeschlechtlichen PartnerInnenschaft zur Welt, kann nun auch die Co-Mutter, sofern sie für die Betreuung des Kindes ihre Berufstätigkeit unterbricht, Elterngeld beziehen.

Mai 2009
Das Bamberger Staatsinstitut für Familienforschung veröffentlicht eine von Justizministerin Zypries in Auftrag gegebene Studie über die Situation von Kindern, die bei zwei Müttern bzw. zwei Vätern aufwachsen. Ergebnis: Kinder aus so genannten Regenbogenfamilien haben keinerlei Defizite. Die Justizministerin folgert, dass auch das Adoptionsrecht geändert werden solle: „Es gibt für den Gesetzgeber keinen Grund, homosexuelle Lebenspartner und heterosexuelle Beziehungen unterschiedlich zu behandeln.“ Bayern zieht seine Normenkontrollklage zurück.

15. September 2009
Das Bundesarbeitsgericht entscheidet, dass LebenspartnerInnen den gleichen Anspruch auf betriebliche Hinterbliebenenversorgung haben wie Eheleute.

Oktober 2009
Das Bundesverfassungsgericht erklärt die Ungleichbehandlung homosexueller Partnerschaften in der Hinterbliebenenversorgung des ­öffent­lichen Dienstes für verfassungswidrig. Verpartnerte Frauen bzw. Männer erhalten nun auch die Betriebsrente ihrer verstorbenen Partnerin oder ihres verstorbenen Partners.

21. Juli 2010
Das Bundesverfassungsgericht kippt die Ungleichbehandlung homosexueller Partnerschaften beim Erbrecht. Während heterosexuelle Ehepaare im Todesfall einen Freibetrag von 307000 Euro geltend machen können, bleiben für homosexuelle PartnerInnen nur 5200 Euro steuerfrei. Das erklärt Karlsruhe für verfassungswidrig.

9. November 2010
Das Finanzgericht Niedersachsen erklärt die Ungleichbehandlung eingetragener PartnerInnen im Steuerrecht, sprich: beim Ehegattensplitting, für verfassungswidrig. Die niedersächsischen Richter berufen sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010, das von einer grundsätzlichen Gleichbehandlung homosexueller Partnerschaften ausgehe.

10. Mai 2011
Der Europäische Gerichtshof befindet, dass gleichgeschlechtliche Paare bei der betrieblichen Altersversorgung steuerlich gleichgestellt werden müssen.

Sommer 2011
Zehn Jahre nachdem die ersten Frauen- und Männerpaare sich trauten, gibt es nur noch zwei wesentliche Unterschiede zwischen der Homo- und der Hetero-Ehe: 1. Die gemeinsame steuerliche Veranlagung, sprich: das Ehegattensplitting, ist weiterhin nur Verheirateten vorbehalten. Gegen diese steuerliche Ungleichbehandlung sind bereits Klagen anhängig. – Allerdings findet EMMA es kaum wünschenswert, diese milliardenschwere staatliche Subventionierung des heterosexuellen Hausfrauenmodells (die zur Hälfte kinderlosen Paaren zugute kommt) noch weiter auszudehnen. Sinnvoll wäre ein neues Steuermodell, das Familien mit Kindern fördert – egal, in welcher Konstellation. 2. Das Adoptionsrecht sowie das Recht auf Insemination und Familiengründung, will heißen: Bekommt ein verpartnertes Frauenpaar per Samenspende ein Kind, gelten nicht automatisch beide Partnerinnen als Mütter des Kindes (wie in einer Hetero-Ehe der Ehemann automatisch als Vater gilt). Zwar kann die Co-Mutter das Kind per Stiefkindadoption adoptieren, das kann sich aber über Jahre ziehen und ist abhängig vom Goodwill der Behörde. – Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) fordert daher: Das Recht auf Familiengründung auch für Homo-Paare.

Das Einfachste aber wäre: Die traditionelle Ehe einfach für homosexuelle Paare zu öffnen, wie es Holland, Belgien und Spanien bereits getan haben. Aber das bleibt wohl eine letzte Bastion.
 

Artikel teilen
 
Zur Startseite