Alice Schwarzer schreibt

Wagenknecht hat recht!

Foto: Patrick Pleul/dpa
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Ich verstehe seit langem nicht, warum die etablierten Parteien das Unbehagen, das ihre eigenen WählerInnen in die Arme der AfD treibt, nicht ernst nehmen. Statt sich zu fragen, warum das so ist, brüsten sie sich überheblich mit der Verteufelung ihrer Ex-WählerInnen als „rechts“ oder „rassistisch“.

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Die Menschen ernst nehmen, statt sie zu belehren

Nur Sahra Wagenknecht in der Linken hatte es gewagt, gegenzuhalten - sie wurde dafür aus der Partei gemobbt. Die ist nun um fast die Hälfte eingebrochen. Und Wagenknecht erinnert an das, was sie schon lange sagt: Nämlich, dass die Linke „eine Partei für hippe Großstädter“ geworden sei, aber „die Menschen, die um ihr bisschen Wohlstand immer härter kämpfen müssen“, vergessen habe. Dabei sollte sie deren „Sicht der Dinge ernstnehmen, statt sie zu belehren, wie sie zu reden und zu denken haben“. Wohl wahr. Das gilt auch für die SPD.

Stattdessen wurde munter skandalisiert. Von allen Seiten. Dabei hätte man zwar Rechtsextreme wie Björn Höcke oder Andreas Kalbitz von Anbeginn an klar ins Visier nehmen müssen (doch einer wie Höcke wurde zunächst einmal als Talkshow-Schreck aufgebaut), aber gleichzeitig die Probleme, die den Wut-WählerInnen stinken – Flüchtlinge, Islamisten oder soziale Missstände - wahrnehmen müssen. Auch Parteien wie die CDU, SPD, Linke oder die Grünen hätten diese Probleme sehen müssen - und zeigen, dass auch sie Lösungen vorschlagen, nur eben andere. Das heißt, falls sie diese Lösungen überhaupt haben...

Nach Jahren der Versäumnisse wählt inzwischen zirka jeder dritte Mann und jede fünfte Frau die AfD, wie jetzt in Sachsen und Brandenburg. Relativ abstinent gegen die Rechtspopulisten sind nur noch zwei Menschengruppen: die Frauen über 60 und die Frauen unter 30. Von ihnen wählte im Schnitt nur jede Sechste die Rechtspopulisten.

Wer ist noch abstinent gegen Rechtspopulisten?

Was allerdings für die einstigen Volksparteien kein Grund zur Beruhigung sein kann. Denn die jungen Frauen haben in Sachsen ebensowenig die CDU und in Brandenburg auch nicht die SPD gewählt. Etwa jede Vierte machte bei den Grünen ihr Kreuz und fast ebenso viele bei „Sonstige“ (mal genauer hinsehen!). Bei den jungen Männern wählt jeder Vierte die AfD – und bei den Midlifecrisern sogar mehr als jeder Dritte.

Und die AfD? Die lacht sich ins Fäustchen. Denn sie profitiert sowohl von der verärgerten Abwendung der ehemaligen WählerInnen der anderen, als auch von der Verfemung ihrer Partei. Die liebgewordene Einteilung der Anderen in hie Gut und da Böse macht es der AfD leicht zu sagen: Da seht ihr, so sind die. Und sie beschleunigt die Radikalisierung innerhalb der AfD, bestärkt die rechtsradikalen Kräfte.

Wie wäre es denn, wenn die Verlust-Parteien statt zu jammern einfach mal ihre Ex-WählerInnen fragen würden: Warum wählt ihr eigentlich die AfD – und nicht mehr uns? Vielleicht sind die Antworten ja nicht nur doof – zumindest aber lehrreich.

Alice Schwarzer

 

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Frauen retten die Demokratie

Jubel in Sachsen: Die CDU hat es geschafft, ist stärkste Partei geworden. Foto: Imago Images
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In beiden doch recht unterschiedlichen Bundesländern zeigt sich der gleiche Trend. Frauen wählten mehrheitlich die bisherigen Volksparteien: in Sachsen zu 35% die CDU (Männer 29%) und in Brandenburg zu 28% die SPD (Männer 24%).

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Männer wählten in beiden Bundesländern allen voran die AfD: in Sachsen 33% (Frauen 22%) und in Brandenburg 29% (Frauen 18%). Damit setzt sich der seit Jahrzehnten zu beobachtende Trend fort, dass Männer stärker rechts wählen als Frauen. Bei diesen Wahlen allerdings ist die Schere breiter geworden. In beiden Ländern haben 11% mehr Männer als Frauen die AfD gewählt. Das ist mehr als ein Gender Gap. Das ist ein Geschlechter-Abgrund!

Männer mittleren Alters wählten rechts

Interessant ist, dass bei den Männern vor allem die 30-59-Jährigen rechts gewählt haben: in Sachsen 39% der 45-59-Jährigen, in Brandenburg 37% der 30-44-Jährigen.

Bei den Frauen haben die Jüngeren unter 30 und die Älteren über 60 am wenigsten rechts gewählt: mit 17 bzw. 18% in Sachsen und 17 bzw. 12% in Brandenburg. Bei den Frauen über 60 hat vor allem die CDU in Sachsen mit 46% gepunktet (Frauen unter 30: nur 17%) und die SPD in Brandenburg mit 41% (Frauen unter 30: nur 14%).

Und die übrigen Parteien? Bei der Linken liegen die Geschlechter mit je 10% in Sachsen gleich und unterschieden sich nur leicht in Brandenburg mit 10% bei den Männern und 11% bei den Frauen.

Ohne die Wählerinnen wäre jetzt Katzenjammer

Die Grünen haben in Sachsen mit 10% etwas mehr bei den Frauen gepunktet (Männer 8%), dito in Brandenburg mit 12% (Männer 10 %). Die FDP lag bei round about 4% bei den Geschlechtern gleich.

Das heißt: Nach einer Periode der Annäherung im Gender Gap war das Geschlecht bei diesen Wahlen entscheidend wie lange nicht mehr. Ohne die Wählerinnen wäre heute der ganz große Katzenjammer. Wir dürfen gespannt sein, ob die geretteten Parteien es den Frauen danken. Es ist höchste Zeit! Denn auch denen sterben die jungen Frauen gerade aus.

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