Amina Lawal ist frei!

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... was relativ ist für eine mittellose, "ehrlose" Bäuerin in Nigeria. Die frohe Kunde der Zeit, Lawal müsse nun nicht länger über ihr "erotisches Privatleben" verhandeln lassen, ist wohl eher ein Missverständnis aus privilegierter amnzipierter Hamburger Sicht: In Nigeria ist jede zweite Frau genitalverstümmelt.
Für die islamischen Fundamentalisten im Norden Nigerias ist ihr Überleben eine Niederlage, für die MenschenrechtlerInnen auf der ganzen Welt ein Sieg: Das Scharia-Berufungsgericht im nördlichen Bundesstaat Katsina hat Amina Lawal "aus formalen Gründen" vom Vorwurf des Ehebruchs freigesprochen. Darauf steht in Katsina der "Tod durch Steinigung". Kein Zweifel: Der internationale Druck auf Nigeria hat Amina Lawal das Leben gerettet.
"Der 32-jährigen Lawal geht es jetzt gut", berichtet Ndidi Ekekwe von der Frauenmenschenrechtsorganisation Baobab in Lagos, Nigeria. Die Baobab-Frauen hatten Amina während des Prozesses juristisch betreut und unterstützen sie weiter: Die dem Tod entronnene und weltweit bekannte Bäuerin muss sich eine neue eigene Existenz aufbauen. "Sie wird vermutlich mit Lebensmitteln handeln", erklärt Ekekwe. "Und dann will sie bald wieder heiraten."
Ein neuer Ehemann ist für Lawal überlebensnotwendig, ohne ihn wäre sie schutzlos allen anderen Männern ausgeliefert: Sie hatte sich Ende 2000 von ihrem damaligen Ehemann scheiden lassen. Wenig später ging sie eine Beziehung mit Yahaya Mohammed ein, der in ihrem Dorf Kurami lebte. Er habe versprochen, sie zu heiraten, sagte sie später vor Gericht aus. Sie wurde schwanger, im Januar 2002 kam ihre Tochter Wasila zur Welt. Zwei Monate später wurde das Paar verhaftet und einem islamischen Richter vorgeführt.
Die Anklage: Ehebruch. Yahaya Mohammed leugnete die Beziehung, Amina war geständig. Sie wurde daraufhin zum Tode verurteilt. Das war nicht rechtens, befanden die Scharia-Richter jetzt unter dem Druck des internationalen Protests: Der Angeklagten sei "nicht richtig erklärt worden, was sie getan haben soll", und auch nicht, "welche Konsequenzen ihre Aussagen haben könnten".
Amina Lawals Sieg ist von hoher Symbolkraft: Denn sie war ein Opfer des Machtkampfes zwischen der nigerianischen Zentralregierung um den christlichen Staatschef Olusegun Obasanjo einerseits und den fundamentalistischen Muslimen im Norden des Landes andererseits. Aminas Heimatland ist schon lange in einen islamistischen Norden und einen christlichen Süden gespalten. Seit dem Ende der Militärdiktatur im Jahr 1999 hat sich daraus ein blutiger Konflikt entwickelt, der bereits tausende von Menschen das Leben gekostet hat. In den zwölf nördlichen der insgesamt 36 Bundessstaaten Nigerias haben die Islamisten das "Gottesgesetz", die Scharia, eingeführt.
Und im vergangene Jahr mehrten sich die Berichte über Versuche, die Sharia auch für die muslimische Minderheit im Süden des Landes zum Gesetz zu machen. Im Bundesstaat Katsina, in dem Amina Lawal lebt, werden täglich Prostituierte ausgepeitscht oder Muslime, die Alkohol getrunken haben.
Besonders Frauen sind, wie überall, vom islamistischen Terror betroffen. Der Fall von Amina Lawal wurde im März 2002 publik, als die ebenfalls wegen "Ehebruchs" zum Tode verurteilte Safiya Husseini frei gesprochen wurde. Die aktuelle Kampagne von amnesty international gegen den Versuch, die Scharia in Nigeria einzuführen, konzentriert sich ebenfalls auf einen Fall von "Ehebruch"?: Die Menschenrechtsorganisation unterstützt das Berufungsverfahren von Fatima Usman und ihres Freundes Ahmadu Ibrahim, die im Mai 2002 im Bundesstaat Niger wegen einer außerehelichen Beziehung verurteilt worden waren – zum Tod durch Steinigung. Der Freispruch von Amina Lawal macht ihnen aber neuen Mut.
EMMA November/Dezember 2003
In EMMA u.a. zum Thema: Entblößung oder Verhüllung, Januar/Februar 2003

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