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Ask Alice: Wie schweinischen Kollegen angehen?

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Hallo Frau Schwarzer,

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ich bin 40 Jahre alt, wohne in München und arbeite in einem mittelständischen Unternehmen, wo ich mich rundum wohl fühle. Unser Betriebsleiter - ein eigentlich netter Typ, Mitte 40, verheiratet, zwei Kinder, ziemlich dick, ziemlich lustig und ziemlich beliebt - versteht es hervorragend, Geschichten zum Besten zu geben. Dabei sind auch immer wieder „schweinische“ dabei (von „Arschficken“ etc.). Und da fängt mein Problem an. Innerlich erstarre ich dann und Scham überflutet mich. Am liebsten würde ich weggehen oder etwas zu ihm sagen. Aber alle anderen Kolleginnen und Kollegen lachen immer ganz besonders herzhaft über solche Storys. Bei einer Kollegin habe ich mal angesprochen, dass ich so was nicht auf der Arbeit hören möchte. Die meinte, dass ich doch unseren Betriebsleiter kenne und ganz genau wisse, dass er es nur lustig meint. Und ich solle mich nicht so anstellen, schließlich träte er mir ja körperlich nicht zu Nahe. Ich weiß einfach nicht, ob ich etwas sagen soll. Als verklemmte Spaßbremse will ich ja auch nicht unbedingt gelten. Auch lacht mein Chef immer sehr bei den Schweinkram-Storys vom Betriebsleiter. Vielleicht haben Sie einen guten Ratschlag für mich?

Barbara, 40, München

 

Liebe Barbara,

das ist ein echt kniffliges Problem. Denn einerseits ist es ja genau dieser alltägliche, krude Sexismus – andererseits lachen alle mit und wollen Sie „keine Spaßbremse“ sein. Das verstehe ich sehr gut. Und eines ist klar: Sie werden sich auf jeden Fall unbeliebt machen, wenn Sie gegenhalten. Denn damit stören Sie nicht nur die Männer in ihrem Herrenrecht, Sie beschämen auch die Frauen, die das hinnehmen. Auch wenn so manche und so mancher erleichtert sein wird, wenn endlich mal eine gegen hält.

Aber dennoch: Sie müssen gegenhalten! Nur: Wie? Ich meine, Sie sollten es schaffen, mit Humor zu reagieren, die Lacher auf Ihre Seite zu ziehen. Also eine „lustige“ Geschichte erzählen, die einen Typen wie Ihren Betriebsleiter in Verlegenheit bringt. Nette, dicke Familienväter, Mitte 40. Fällt Ihnen da was ein?

So was entwickelt man ja am besten aus der Situation heraus. Wenn ich Ihnen jetzt da einen Tipp gebe, ist es arg konstruiert. Ich versuch’s trotzdem mal:

„Also, ich habe ja neulich im Internet eine echt witzige Kontaktanzeige gelesen: Mann, Mitte 40, für sexy Bondage-Spiele gesucht. Gerne Familienvater. Voraussetzung: mindestens 100 Kilo auf der Waage. - Wäre das nicht was für dich? Höhöhö.“

Hört sich vielleicht plump an – aber wäre mit den gleichen Waffen zurückgeschlagen. Und so eine Umkehrung kann ja ein Augenöffner sein.

Und wenn Sie gar nicht dagegen ankommen, gehen Sie einfach auf Distanz. Und: Lachen Sie auf keinen Fall mit. Lassen Sie Ihre Missbilligung spüren. Das ermutigt vielleicht auch andere. Denn sicher sind Sie nicht die einzige, die sich unwohl fühlt bei solchen "Scherzen". Aber die anderen machen eben immer noch das Gesetz. Und genau das gilt es zu brechen.

Ich wünsche bestes Gelingen!

Herzlich,
Alice Schwarzer

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