Meine Geschichte

Auf dem Weg in die Unabhängigkeit

Franzi auf dem Hügel des Saraswati Tempels bei Pushkar.
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Ich habe mich vor einigen Monaten von meinen Job und meiner WG in Frankfurt verabschiedet und bereise nun mit meinem Partner Indien und Südostasien. Wir werden etwa ein Jahr unterwegs sein. Unsere Reise begann im Oktober in Delhi. Seitdem haben wir Uttarakhand, Rajasthan und Goa bereist und befinden uns aktuell in Hampi.

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Warum habe ich mich dazu entschieden in Deutschland nur ein paar Kisten und meinen Kater zurück zu lassen? Ich habe seit meinem 18. Lebensjahr immer wieder an verschiedenen Orten gelebt und gearbeitet. Ich reise gerne. Jedes Land und jede Begegnung erweitern meinen Horizont. Ich denke, um vom Urlauber zum Reisenden zu werden, sollte man sich mit seinem Reiseland auseinander setzen. Ich reise auf Backpackerniveau und möchte bald durch Workaway und Couchsurfing noch näher bei den Menschen sein. Mich interessiert, wie sie leben, was ich von ihnen lernen und mit nach Deutschland nehmen kann.

Es interessiert mich, wie die Menschen leben und was ich von ihnen lernen kann.

Indien bringt mich täglich zum Nachdenken. Über Männer und Frauen, Arm und Reich, Kindererziehung. Am Straßenrand trifft man hin und wieder auf Gruppen von Frauen, die ein Tuch vor sich ausgebreitet haben, auf dem sie Dekorationsartikel und Accessoires anbieten. Sprechen die Frauen wenig Englisch, steht auch mal ein Schild hinter ihnen mit der Information, dass es sich hierbei um eine Vereinigung von Frauen handelt, die in Heimarbeit selbst hergestellte Waren verkauft. Weil nicht jede Einzelne die Möglichkeit hat, in die Stadt zu kommen, um ihr Handwerk an die Frau oder den Mann zu bringen, organisieren sie sich. Diese Art der selbstbestimmten Frauenarbeit breitet sich in Indien aus.

Prabhu Handicraft organisiert und vereint Frauen, die im ländlichen Gebiet von Rajasthan Patchworkarbeiten herstellen. Ich habe mit Bobby gesprochen, der Leitern dieses Shops in Jaisalmer, in dem Kissenbezüge, Vorhänge und Wanddekorationen verkauft werden. Sie hat mich besonders beeindruckt. Bobby ist eine der Frauen, die ihr eigenes Geld verdienen. Sie ist etwa Mitte dreißig, verheiratet und absolviert ein Psychologie-Fernstudium. Ihre Augen sind durchdringend. Sie ist eine starke Frau mit haushohen Zielen. Sie erzählt uns, dass Mädchen in Rajasthan bereits ab 12 Jahren verheiratet werden. Laut der Organisation „Educate Girls“ werden 68 Prozent der Mädchen unter 18 Jahren verheiratet. Nur 50 Prozent der Frauen können lesen oder schreiben (Männer liegen hier schon bei 81 Prozent).

Bobbys Vater ist Rechtsanwalt. Er ist liberal eingestellt und unterstützt die Ausbildung seiner Tochter auch finanziell. Ohne gebildete, liberale und freigiebige Ehemänner und Väter hat eine Frau in Rajasthan kaum eine Möglichkeit, sich beruflich zu entwickeln und eigenständig zu leben. Doch selbst wenn die Handwerkerinnen und Schneiderinnen selbstbestimmt arbeiten, garantiert das nicht, dass ihre Einnahmen auch bei ihnen bleiben.

Einen eigenen Job, eigenes Geld, eine Meinung haben. Westliche Frauen sind da ein Vorbild.

Für Bobby sind westliche Frauen ein Vorbild. Im Gespräch mit ihr erfahre ich, was westliche Frauen für sie ausmachen: einen eigenen Job haben, eigenes Geld verdienen und eine eigene Meinung haben. Wir bestimmen über unseren Körper und unsere Ausbildung. Dass auch wir Frauen in Deutschland viele Jahrzehnte für unsere Rechte kämpfen mussten und dass nicht jede Frau in Deutschland selbstbestimmt lebt – darüber diskutieren wir eine Weile. 

Die Begegnung mit Bobby hat mir gezeigt, wie Frauen in Indien ihre eigenen Wege gehen, um das patriarchalische System zu überwinden. Für uns geht die Reise jetzt weiter ins indische Mysore, ab Januar werden wir in Myanmar unterwegs sein. Ich bin gespannt, was dort auf uns wartet!

 

Franziska Weber, 27, ist zurzeit unterwegs in Indien und Südostasien. Sie bloggt über ihre Reise auf http://unddasisterstderanfang.blogspot.de

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