Frauen fördern!

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"Heute morgen auf meinem Weg zur Arbeit traf es mich wie ein Schlag: Alice Schwarzer und Verona Feldbusch in trauter Eintracht auf einem Plakat für die Initiative 'Teamarbeit für Deutschland'", schreibt Ute von der Aa. Und sie ist nicht die einzige, die sich wundert. Wir alle erinnern uns an die spektakuläre TV-Begegnung im Juni 2001 (EMMA September/Oktober 2001). Danach lag es nicht unbedingt nahe, dass die beiden nochmal Seite an Seite zu sehen sein würden. Zustande gekommen ist das Ganze jetzt auf Bitte des Arbeitsministeriums, für die Initiative "Teamarbeit für Deutschland". Werbeclou: Zwei möglichst gegensätzliche Menschen mit dem Motto "Da sind wir uns einig": nämlich im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Schwarzer und Feldbusch trennen bekanntermaßen Welten. Aber selbstverständlich stellten beide sich für diese Werbekampagne unentgeltlich zur Verfügung - schließlich geht es um eine Sache, die uns alle bewegt. Alice Schwarzer hat im Zuge der Kampagne die Schirmherrschaft für ein Frauenprojekt in Dortmund übernommen: die Qualifikation arbeitsloser junger Frauen ausländischer Herkunft. Und Minister Clement hat versprochen, sie dabei zu unterstützen.
Sie war 14, als ihre Eltern sie aus der Türkei mit nach Deutschland brachten und schaffte nur knapp den Hauptschulabschluss. Heute ist sie 18 – und arbeitslos. Ihre Banknachbarin, ebenfalls Türkin, hat problemlos ihre Fachoberschulreife gemacht. Sie will Bauzeichnerin werden. Aber beim Vorstellungsgespräch hat sie keinen Ton rausgekriegt. Auch sie ist arbeitslos. Wie die Afrikanerin, die aus ihrer Heimat Ruanda zuerst nach Kenia fliehen musste und seit drei Jahren in Deutschland lebt. Und die polnische Justizfachangestellte neben ihr hat ebenfalls keinen blassen Schimmer, wie sie auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen soll.
Die 17 Frauen, die im Schatten des ausrangierten Förderturms der ehemaligen Zeche „Minister Stein“ vor ihren Computern sitzen, haben viele Dinge gemeinsam: Sie sind zwischen 18 und 24 Jahre alt und haben alle das, was man auf gut Bürokratisch einen „Migrationshintergrund“ nennt: Sie oder ihre Eltern kommen aus der Türkei, aus Bosnien, Marokko oder dem Iran. Und sie haben alle keinen Job und/oder keine Ausbildung – aber wollen, dass sich das ändert.
Deshalb büffeln die jungen Frauen in dem ehemaligen Dortmunder Zechengebäude zehn Monate lang „berufsbezogenes Deutsch“, lernen „kaufmännisches Rechnen“ und machen den „Europäischen Computerführerschein“. Sie lernen Berufsfelder kennen und üben Bewerbungsgespräche. Und, ganz wichtig: „Sie kriegen hier mit, dass sie gut sind.“ Projektleiterin Helga Steinmaier weiß nach drei Durchläufen, dass das größte Manko ihrer Teilnehmerinnen nicht so sehr mangelnde Sprachkenntnisse oder schlechte Schulabschlüsse sind. Ihr Hauptproblem ist, dass „sie sehr wenig Selbstbewusstsein haben“. Und so gehört zum Projekt „Junge Migrantinnen“ ein Unterrichtsfach, das nicht auf dem Lehrplan steht: „Stärkung des Selbstwertgefühls!“
„Wir reden mit den Frauen individuell über alles, was sie von einer Arbeitsaufnahme abhält“. Depressionen oder Schulden zum Beispiel. Oder Ärger mit Eltern oder Ehemännern. Sechs der 17 Teilnehmerinnen sind schon Mütter. Diejenigen, die nicht verheiratet sind, wohnen noch zu Hause. Als zum Beispiel eine junge Türkin ihre Schwangerschaft vor ihren Eltern verheimlichen musste, „war das ein Drama sondergleichen.“ Mit vereinten Kräften haben sie es im Kurs gemanagt.
Dass junge Migrantinnen, deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt gegen Null tendieren, hier in den Zug Richtung selbstständiges Leben gesetzt werden können, ist dem „Verein zur Förderung von Frauenerwerbstätigkeit im Revier“ (VFFR) zu verdanken. Der Verein, der heute mit einem runden Dutzend Projekte über 200 Frauen einen (Neu)Start in den Beruf ermöglicht, hat 1984 als kleines, aber feines Selbsthilfeprojekt begonnen. Gegründet wurde er von den ersten Absolventinnen der „Frauenstudien“ an der Uni Dortmund. Dieser Studiengang, der speziell Frauen nach der „Familienphase“ Hirn und Herz mit feministischem Gedankengut anfüllte, entließ seine Absolventinnen mit der bangen Frage: „Was machen wir jetzt?“ Die einen eröffneten einen Partyservice, die anderen ein Frauen-Reisebüro. Und eine Handvoll Wildentschlossener beschloss, nun ihrerseits Familienfrauen den Weg (zurück) in den Beruf zu ebnen.
Ein Jahr später startete der erste EDV-Kurs: mit einem Computer und zwei Teilnehmerinnen. Exakt 20 Jahre später beschäftigt der Verein über 20 Dozentinnen und bietet „IT-Qualifizierungen für Berufsrückkehrerinnen“ ebenso an wie „Trainingsmaßnahmen für Existenzgründerinnen“ oder ein Projekt für junge Mütter (EMMA 1/04).
Der Wermutstropfen: Ausgerechnet im Jubiläumsjahr droht das professionalisierte Basisprojekt im arbeitslosen Ruhrpott an den neuen Richtlinien aus Nürnberg zu scheitern. Die Bundesagentur für Arbeit wünscht keine „Zielgruppenförderung“ mehr. Das heißt: Maßnahmen speziell für Frauen werden nicht mehr finanziert.
Auch das Migrantinnen-Projekt steht vor dem Aus. Sollte Nürnberg bei seiner Weisung bleiben, wird diese vierte Qualifizierung für junge Migrantinnen, die im Juni ausläuft und von der Agentur für Arbeit finanziert wird, die letzte ihrer Art sein. Und das, obwohl drei Viertel der Teilnehmerinnen bisher einen Job oder einen Ausbildungsplatz gefunden haben.
Die 17 Teilnehmerinnen, die noch bis zum Sommer im Schatten des Förderturms büffeln dürfen, hatten Glück. Aber sie wären die letzten, falls die neuen Richtlinien nicht geändert werden. Was schade wäre. Denn die stille Afrikanerin macht gerade ein Praktikum als Fachinformatikerin, die qualifizierte Polin eins beim Amtgericht. Und die schüchterne Türkin hat gerade ihren Ausbildungsvertrag als Bauzeichnerin unterschrieben.
www.teamarbeit.de
EMMA März/April 2004

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