Eine heitere Kollwitz in Köln

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Oft höre ich auch von ernstzunehmenden KünstlerInnen den abschätzigen Seufzer: "Ach, Kollwitz, furchtbar, dieses gestrige Pathos, dieses Schwerblütige, diese ewigen Bilder über die Erniedrigten dieser Erde..."

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In Köln geht es diesmal um die heitere, von Paris inspirierte Kollwitz. Doch es stimmt, Partei hat Käthe Kollwitz (1867-1945) ergriffen. Sie hat sich für die Ausgebeuteten und deren Widerstand interessiert. Und für die Frauen. Die ewig ungewollt Schwangeren, die nicht wussten, wie sie ihre Kinder ernähren sollten; die abgearbeiteten, früh Gealterten; die Heimarbeiterinnen, die Arbeitslosen und Verzweifelten, die Vergewaltigten im Krieg. Damit ist sie leider gar nicht gestrig und erschreckend nah an unserer Zeit.

Diese Künstlerin hat ihr stupendes Können und ihre Leidenschaft in die Themen investiert, die sie umgetrieben haben. Man darf nicht vergessen, dass das Berlin der Jahrhundertwende mit seinen drei, vier dusteren Hinterhöfen mit ungesunden, katastrophalen Wohnbedingungen für einen Großteil der Bevölkerung wahrscheinlich die schlimmste industrialisierte Großstadt Europas war.

Reichlich Anschauungsmaterial hatte Kollwitz auch durch die Praxis ihres Mannes, der als Arzt am Prenzlauer Berg arbeitete. Auch hat sie die in ihrer Wohnung lebende Mutter bis zum Tod gepflegt, ebenso wie ihren Bruder. Sie wusste also nur zu gut, was ein Frauenleben bedeuten kann. Und außerdem und vor allem ist sie die beste deutsche ZeichnerIn des 20. Jahrhunderts.

Kollwitz war eine Meisterin der Verdichtung, eine Könnerin in der Druckkunst, in Lithografie und Radierung, später auch im sperrige Holzschnitt. Das Kölner Kollwitz-Museum besitzt zahllose dieser traumhaften Werke.

Und Kollwitz war natürlich auch eine eindrucksvolle Bildhauerin. 1919 wurde sie zur ersten Frau in der "Preußischen Akademie der Künste" und zur Professorin ernannt, eine Dekade später zur Leiterin des Meisterateliers für Graphik.

Nicht zufällig ist Kollwitz auch eine Mitbegründerin und die erste Vorsitzende des Frauenkunstverbandes. Durch ihr ganzes Leben zieht sich die Selbstbefragung einer - andere Künstlerinnen und sich selbst ernst nehmenden - Künstlerin in schonungslosen Selbstbildnissen, die Entschlossenheit und Ernsthaftigkeit in der Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich dokumentieren.

Das einschneidendste Erlebnis war der Tod ihres jüngsten Sohnes direkt nach Kriegsbeginn 1914. Die Mutter hatte dem Jungen beigestanden, als enthusiastischer Freiwilliger gegen den Willen des Vaters in den Krieg zu ziehen. An der Front fiel der Sohn in den ersten Tagen. Was Kollwitz zur flammenden Pazifistin gemacht hat – was sich in zahllosen Plakaten und Zeichnungen niederschlug. Das Mahnmal der trauernden Eltern ist wohl eines ihrer bekanntesten Werke. (Zu sehen auch in der Kriegs-Ruine von St. Alban in Köln).

Seinen Lebensabend muss das Ehepaar Kollwitz, das sogar einmal nach Moskau reist, und bei der letzten freien Wahl zur Einigkeit zwischen SPD und KPD gegen die Nazis aufruft - im Nationalsozialismus beschließen. Der Arzt verliert die Kassenzulassung, die Künstlerin wird mit Berufs- und Ausstellungsverbot belegt. Diese düsteren Schreckenszeiten schlagen sich in dem wuchtigen, schon jenseitigen, fast todes-sehnsüchtigen Spätwerk der Künstlerin nieder.

Die aktuelle Ausstellung in Köln zeigt allerdings eine eher heitere Kollwitz, die mit Anfang 30 zweimal in Paris die Anregungen dieser künstlerisch vibrierenden Weltstadt einsaugte und umsetzte.

"Paris bezauberte mich" - Käthe Kollwitz und die französische Moderne. 29.10.-16.1.2011, Käthe Kollwitz Museum Köln

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