Die Frauen am Bauhaus

Eine Aufführung des "Triadischen Balletts" von Schlemmer. Foto: Denver Art Museum, Markus Hawlik
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1919 öffnete das Staatliche Bauhaus in Weimar seine Pforten für männliche und weibliche Studierende. Im ersten Semester gab es mehr weibliche als männliche BewerberInnen. Die neue Kunst schwor dem Dekorativen ab und wollte der Realität "auf den Grund gehen". Die jungen Wilden rüttelten an Prüderie, Konventionen, Bürokratie und Klassenschranken des Kaiserreiches. Die Krawatten wurden aufgeknotet, die Korsette aufgehakt und abgeworfen, und bei Sonnenaufgang wurde in kosmosnahen gymnastischen Übungen jauchzend, besinnlich und sinnlich der Körper neu entdeckt: nackt im Park.

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Alte und neue Künste von Malerei über Musik bis zu Fotografie oder Ausdruckstanz gingen ungewöhnliche Allianzen ein. Zur neuen Zeit gehörte ein neues Zeitgefühl. Maschinen, Automobile, Eisenbahnen steigerten das Lebenstempo in den Metropolen, in Film und Literatur wurden Zeitlupe und Zeitraffer, Verlangsamung und Gleichzeitigkeit zu Gestaltungsmitteln. Frauen entdeckten die Lust an Selbstdarstellung und Selbstinszenierung.

Frauen aus der Druckerei und Töpferei besser fernhalten?

Im 19. Jahrhundert hatten Frauen in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen zu Kunstakademien keinen Zugang; sie konnten lediglich Privatunterricht nehmen und mussten für den Unterricht durchweg mehr Geld bezahlen als Männer. Die Großherzoglich-Sächsische Kunsthochschule in Weimar gehörte zu den wenigen Akademien, an denen schon vor Gründung der Weimarer Republik weibliche Studierende aufgenommen wurden, im Wintersemester 1912/13 waren dort neben 99 Männern 55 Frauen eingeschrieben.

Mit dem Beginn der Weimarer Republik erlangten Frauen das Wahlrecht und die Lehrfreiheit. Als Walter Gropius 1919 in Weimar das Staatliche Bauhaus eröffnete, verkündete er im Programm: "Als Lehrling aufgenommen wird jede unbescholtene Person ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht, deren Begabung und Vorbildung vom Meisterrat als ausreichend erachtet wird."

Die meisten der jungen Frauen, die 1919 ein Studium am Weimarer Bauhaus aufnahmen, brachten bereits eine abgeschlossene Ausbildung in einem pädagogischen oder kunsthandwerklichen Fach mit. Angezogen vom visionären Charakter der Schule und von der Möglichkeit, einen handfesten Beruf zu erlernen, schrieben sich im Sommersemester 1919 exakt 84 weibliche und 79 männliche Studierende am Bauhaus ein. Bei seiner ersten Ansprache proklamierte Gropius: "Keine Unterschiede zwischen dem schönen und starken Geschlecht. Absolute Gleichberechtigung, aber auch absolute gleiche Pflichten in der Arbeit aller Handwerker."

Doch schon bald fürchtete Gropius, dass die große Anzahl von Frauen dem Ansehen der Schule schaden würde, empfahl "keine unnötigen Experimente" mehr zu machen, und forderte eine "scharfe Aussonderung gleich nach der Aufnahme, vor allem bei dem der Zahl nach zu stark vertretenen weiblichen Geschlecht".

Gerhard Marcks, Formmeister der Töpferei, sprach sich klar dafür aus, "möglichst keine Frauen in die Töpferei aufzunehmen, beides ihret- und der Werkstatt wegen." Und Carl Zaubitzer, Leiter der grafischen Druckerei, hielt es desgleichen auf jeden Fall "für die Zukunft (für) besser, das weibliche Geschlecht von der Druckerei fernzuhalten". Als sich die begabte Johanna Hummel für die Metallwerkstatt bewarb, wurde sie erfolgreich vertrieben, indem man ihr untersagte, ihre Arbeiten selbst zu verkaufen, wohl wissend, dass sie den Verdienst zum Leben brauchte.

Fazit: Die Meister fürchteten, weibliche Studierende würden den männlichen die wertvollen Werkstattplätze wegnehmen. Einige Frauen eroberten sich dennoch Plätze in Männerdomänen, so zum Beispiel Dörte Helm und Lou Scheper in der Wandmalerei, obwohl der Werkmeister Carl Schlemmer die Beteiligung von Frauen an Architekturprojekten grundsätzlich ablehnte. Sein berühmter Bruder Oskar prägte in Dessau den Vers: "Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt, und sei es nur zum Zeitvertreib" und traf mit seinem Spott den Kern der Vorurteile, die schon in Weimar dazu geführt hatten, dass die Weberei ab 1920 zur "Frauenklasse" erklärt wurde.

Am Anfang strebten sie noch nach oben, denn sie wähnten sich (fast) gleichberechtigt.
Am Anfang wähnten sie sich noch (fast) gleichberechtigt. Foto: Bauhaus Archiv/Nachlass T. Lux Feininger

Da Handweberei allgemein als Kunstgewerbe eingestuft wurde und in der Hierarchie von Kunst und Handwerk an letzter Stelle stand, erschien es folgerichtig, dass diese Werkstatt als einzige von einer Frau geleitet wurde. Doch der Meisterrat hoffte vergeblich, mit der Frauenklasse sei nun das "Frauenproblem" gelöst. Die Weberei wurde schon bald zu einer der produktivsten Werkstätten. Was die Weberinnen dort an Ideen und Neuerungen entfesselten, war alles andere als traditionell, sondern führte zu einem Entwicklungsschub im Industriedesign und zu einer künstlerischen Neubewertung der Textilkunst. Hinzu kam: Sie hatten auch so großen kommerziellen Erfolg, dass sie repräsentativ für das ganze Bauhaus wurde. Erneut war der "gute Ruf" der Schule in Gefahr!

Der zweitgrößte Bereich, in dem Frauen am Bauhaus in Erscheinung traten, war die Fotografie. Nicht beschwert von jahrhundertealten patriarchalen Lasten, bot dieses moderne Medium künstlerisch ambitionierten Frauen neben konkreten Erwerbsmöglichkeiten ein Experimentierfeld für die Auseinandersetzung mit sich und ihrer Zeit.

Die Mehrzahl der Bauhausfrauen, auch Ausnahmekünstlerinnen wie Gunta Stölzl, stellten das traditionelle Frauenbild nicht in Frage, doch sie widersprachen ihm wie Dörte Helm mit ihrem konkreten Handeln. Marianne Brandt und Florence Henri setzten sich in ihren fotografischen Werken mit der "Neuen Frau" und den Frauenbildern ihrer Zeit auseinander, und Grete Stern und Ellen Auerbach erprobten als Fotografinnenpaar "ringl + pit" eine neue gleichwertige künstlerische Beziehungsordnung.

Schreibt über die Frauen des Bauhauses, über die Meister ist zu viel geschrieben worden!

Lucia Moholy kritisierte in ihrem biografischen Fragment "Frau des 20. Jahrhunderts" rückwirkend den "Meisterkult" und die daraus resultierende Minderbewertung von weiblichen Leistungen am Bauhaus, insbesondere der Meisterfrauen: "Es wäre nicht abwegig, wenn jemand sich entschlösse, etwas über die Rolle der Meisterfrauen zu schreiben, der Frauen der Bauhausmeister nämlich, die keinen offiziellen Status hatten und doch maßgeblich an der Geschichte und Nachgeschichte des Bauhauses beteiligt gewesen sind. Über die Meister selbst ist zu viel geschrieben worden, als dass hier von ihnen die Rede sein müsste."

Von den Künstlern, die Gropius als Lehrer für die Schule gewinnen konnte, spielten einige, ungeachtet ihrer durchweg antiquierten Frauenbilder, für die weiblichen Studierenden eine bedeutende Rolle. Die Ideen der Jugend- und Lebensreformbewegung mit der Verbindung von Kunst & Alltag, Gemeinschaftserfahrung & individueller künstlerischer Gestaltungsfreiheit, die am frühen Bauhaus, in seiner "romantischen" Phase, eine zentrale Rolle spielten, begünstigten über alle Vorbehalte hinweg ein freies Miteinander von Lehrenden & Lernenden, Männern & Frauen. Außerdem förderte die katastrophale finanzielle Situation vieler Studierender durch Gemeinschaftseinrichtungen wie Bauhausmensa, hauseigenen Garten zum Gemüseanbau und Verkaufsstände auf dem Weihnachtsmarkt den sozialen Zusammenhalt.

Was Gropius schon in den letzten Weimarer Jahren begonnen hatte, wurde dann ab 1925 in Dessau zum Programm: "Kunst und Technik, eine neue Einheit!" Die Zusammenarbeit mit der Industrie wurde vorangetrieben, die Entwurfstätigkeit für Serienproduktion professionalisiert. Improvisation und Spontaneität wichen systematischerem Unterricht, religiös-utopische Lebensentwürfe der Naturwissenschaft und Technik, ein nüchterner Grundton stellte sich ein. Es gab keine Keramikwerkstatt mehr.

Die Bauhausfrauen hatten den Gemeinschaftsgedanken stärker verinnerlicht, sahen weniger auf das eigene Werk. Besonders bei den Meistergattinnen war das Verschwinden künstlerischer Leistungen im Einsatz für ‚das Große und Ganze‘ zu beobachten. Aber auch hochbegabte Studentinnen erreichten am Bauhaus und in der Zeit danach weniger Leitungspositionen und wurden weniger bekannt.

Die Zahl der weiblichen Studierenden des Bauhauses sank zunehmend. Im Sommersemester 1922 waren es noch 52 Frauen und 95 Männer; im Wintersemester 1924/25 34 Frauen, 68 Männer; im Wintersemester 1932/33 gab es am Bauhaus in Berlin nur noch 25 Frauen und 90 Männer.

Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt?

1933 erhielten viele BauhäuslerInnen Berufsverbot. Sie wurden von den Nationalsozialisten verfolgt, weil sie jüdischer Herkunft waren, sich politisch engagierten, aus politischem "Feindesland" kamen oder ihre Werke der "entarteten Kunst" zugeordnet wurden. Es gab allerdings auch Studierende, die schon während der Ausbildung mit den Nationalsozialisten paktiert und auch BauhauskollegInnen denunziert hatten. Andere beteiligten sich nach der Machtergreifung im Interesse ihres beruflichen Fortkommens an Prestigeprojekten der Nazis.

Sechs Bauhäuslerinnen wurden in Konzentrationslagern ermordet, darunter Friedl Dicker und Otti Berger. Alma Buscher kam bei einem Bombenangriff ums Leben. Eine ganze Reihe – unter ihnen Marianne Brandt, Gertrud Arndt, Ilse Fehling – überlebte unter schwierigen Bedingungen in Deutschland.

Eine größere Anzahl von Künstlerinnen konnte wie Margarete Heymann-Loebenstein-Marks, Lucia Moholy oder Grete Stern ins Exil flüchten und trug das Bauhaus in die ganze Welt. Gunta Stölzl führte eine Handweberei in der Schweiz, Anni Albers übernahm ab 1933 eine Lehrtätigkeit am "Black Mountain College" in North Carolina, Marli Ehrmann wurde 1939 Leiterin der Textilabteilung an Moholy-Nagys "School of Design" in Chicago, Marguerite Friedlaender gehörte 1942 zu den Gründerinnen des Kunstzentrums "Pond Farm" bei San Francisco.

In Deutschland wurden die Ideen und Methoden des Bauhauses nach dem Krieg unter anderem im Osten an der Hochschule für angewandte Kunst in Berlin-Weißensee und im Westen an der Hochschule für Gestaltung in Ulm fortgeführt.

Die Texte sind Auszüge aus dem von der Autorin herausgegebenen Buch.
Ulrike Müller: Bauhaus-Frauen (Elisabeth Sandmann Verlag, 29.95 €).

 

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Anni Albers, die Weberin

Anni Albers im Jahr 1927. Foto: Bauhaus-Archiv/DACS 2018
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Wenn man von einer Bauhausfrau sagen kann, dass sie Erfolg hatte, dann ist es Anni Albers. Konsequent hat sie das Handwerk der Weberei, die industrielle Textilproduktion und die abstrakte Kunst der Moderne zusammengeführt und als Einheit weiterentwickelt. Sogar das Leben im Exil nahm bei ihr und ihrem Mann Josef eine unerwartet positive Wendung. Beide importierten die Bauhausideen in die USA. In ihrer Textilkunst vollzog die „Philosophin des Fadens“ den Wechsel vom unsterblichen Werk zum lebendigen Wirken, vom Produkt zum Prozess, was sie aus heutiger Perspektive als Anwältin einer anderen, weiblichen Moderne erscheinen lässt.

Anneliese Fleischmann wurde am 12. Juni 1899 in Berlin in eine großbürgerliche Familie hineingeboren und protestantisch getauft. Ihre Mutter, Toni Fleischmann-Ullstein, kam aus der deutsch-jüdischen Verlegerfamilie Ullstein. Für die heranwachsende Anni kam ein Kunstlehrer ins Haus. In Sten Nadolnys „Ullsteinroman“ heißt es: „Anni … war in der Fleischmann-Familie die Schwierigste. Sie war auch die Schönste, eine Femme fatale ersten Ranges … Bohèmienne wollte sie sein, Revolutionärin, Künstlerin.“

Mit 17 Jahren begann Anni eine Ausbildung; ihr Versuch, Unterricht bei Oskar Kokoschka zu nehmen, war gescheitert. Der hatte geraten, sie solle lieber Hausfrau und Mutter werden. Auch am Bauhaus wurde sie erst einmal abgelehnt. Sie blieb trotzdem in Weimar und verliebte sich in einen hageren, halb verhungerten Westfalen: Josef Albers, der seit dem Herbst 1920 am Bauhaus studierte. Er war elf Jahre älter als sie und ausgebildeter Kunstlehrer. Sie überredete ihn, ihr beim zweiten Anlauf zu helfen – und der klappte.

1922 begann Anni Fleischmann mit dem Studium. Im dritten Semester landete sie in der „Frauenabteilung“ der Weberei, und fühlte sich dort erst einmal am falschen Platz. „Weben hielt ich für zu weibisch.“ Auch die Arbeitsbedingungen in der Werkstatt waren alles andere als ideal: „Es gab keinen richtigen Lehrer für Textilarbeit. Zu Beginn lernten wir überhaupt nichts. Wir saßen einfach da und haben es probiert.“ (Interview 1987)

Doch Anni wusste die Freiräume für sich zu nutzen. In ihrem Beitrag über die Weberei schrieb sie 1955: „Dieses Spiel mit dem Material … brachte erstaun­liche Ergebnisse: neuartige Gewebe, verblüffend durch Farbenfülle und Struktur, die eine manchmal geradezu barbarische Schönheit  besaßen.“ In dieser Zeit entstanden die ersten für Anni typischen Arbeiten: großformatige Wandbehänge und Meterstoffe mit abstrak­ten Motiven, streng auf geome­trische Grundformen reduziert.

1924 kritisierte sie in ihrem Aufsatz wohnökonomie: „Die herkömmliche Wohnform ist eine verbrauchte Maschinerie, die die Frau zum Sklaven des Hauses macht.“ Sie warb für die neue Zweckmäßigkeit: „die arbeit muß heute experimentell sein …. wir müssen handwerkliche und technische möglichkeiten neu durchdringen … der weg führt also zum einzelstück und zur massenherstellung.“

Im Frühjahr 1925 zog das Bauhaus nach Dessau um, im Mai ließen Anni und Josef sich in Berlin katholisch trauen. Josef Albers war inzwischen Bauhausmeister und leitete den Vorkurs in der Glaswerkstatt. Anni webte Wandbehänge und wandte sich der Herstellung von Gobelins zu. Mit einander vertikal und horizontal durchwirkenden Fäden erreichte sie eine strenge geometrische Musterung, die eng mit der von Josefs Glasarbeiten korrespondiert. Sie experimentiert mit unterschiedlichen, auch synthetischen Materialien.

Anni Albers wichtigste künstlerische Lehrer am Bauhaus waren Wassily Kandinsky und Paul Klee. Klee war ihr „Gott“. Im Februar 1930 schloss sie ihre Ausbildung am Bauhaus mit einem Diplom ab, dafür entwickelte sie einen schalldichten, lichtreflektierenden Wandbespannungsstoff, der auch als Vorhang dienen konnte. Zur Verstärkung der Lichtreflexion verwendete sie für die Vorderseite Cellophan, auf der Rückseite schalldämpfende Chenille. Im Herbst 1931 übernahm Anni die Leitung der Weberei.

Im April 1933 musste das Bauhaus unter dem Druck der Nationalsozialisten schließen. Anni Albers, in deren Leben ihre jüdische Herkunft bisher faktisch keine Rolle gespielt hatte, geriet durch den wachsenden Antisemitismus in zunehmende Gefahr. Sie ging ins Exil. Am 24. November 1933 kamen die Albers in New York an, wo sie in der Presse als „Vertreter der europäischen Moderne“ gefeiert wurden. 1934 begann Anni am Black Mountain College mit dem Ausbau der Weberei, daneben entwarf sie Stoffe für große Firmen wie Rosenthal und Knoll. Sie sah die Zukunft der Textilarbeit in der industriellen Produktion, verzichtete aber keineswegs auf Materialexperimente in der individuellen handwerklichen Arbeit.

In diesen Jahren tauchten in Anni Albers Werk auch erstmalig Knoten auf, die sie zeichnete, malte, webte und die, wenn man ihren Fäden folgt, eine Verbindung zu alten Kulturen wie der der Kelten herstellen. In Anni Albers Schaffen schwingt eine philosophisch-religiöse Dimension mit, auf die sie auch selbst immer wieder verwies: Manche von Annis Mustern erinnern an die Zeichen in einem Mandala, andere an Schrift, wieder andere an technische Prozesse.

Sie entwickelte eine ganz eigene Auffassung vom Werk, von künstlerischer Existenz und Identität, mit der sie sich der traditionellen patriarchalen Fixierung auf eine ruhmreiche Verewigung in Meisterwerken widersetzt und entzieht. Diese deutlich antipatriarchale Note lässt Anni Albers heute als Vertreterin einer „weiblichen Moderne“ erscheinen, die am Bauhaus vielfältig aufleuchtete, aber in der Rezeption über Jahrzehnte verloren­gegangen ist.

Anni war lange Zeit von der Öffentlichkeit in erster Linie als Gattin des Künstlers und erst in zweiter Linie auch als Künstlerin wahrgenommen worden, doch sie wehrte sich erfolgreich dagegen. Beide bewunderten die Kunst der Maya oder der Azteken: ihre Verbindung von rationaler Ordnung, Einfachheit und Ökonomie. Darin sah Anni Albers Bezüge zur abstrakten Kunst der Moderne. Da wird nicht fortschritts­besessen mit der Vergangenheit „gebrochen“, sondern Altes und Neues werden zu einem Lebensstoff „versponnen“. 

Ihren ersten internationalen Erfolg hatte Anni Albers im Jahr 1949, als das New Yorker Museum of Modern Art ihr als erstem Weber überhaupt eine Einzelausstellung widmete. „Her Weaving becomes a Modern Art“, lautete die Überschrift eines Zeitungsartikels über Anni Albers. 1965 erhielt sie vom Jewish Museum in New York den Auftrag für eine Arbeit zum Gedenken an die Holocaust-Opfer. Das Werk „Six Prayers“ wurde ihre letzte große Textilarbeit.

Im Jahr 1975 waren Anni Albers Arbeiten im Kunstmuseum Düsseldorf und am Bauhaus-Archiv Berlin zu sehen – die erste Retrospektive in Deutschland seit 1933. Am 9. Mai 1994 starb sie im Alter von 94 Jahren in Orange. Kurz zuvor hatte  sie in einem Interview gesagt: „Was mich eben noch heute interessiert: daß dieses Suchen in großer Freiheit fruchtbar war – und nicht dort, wo schon eine Sprache gesprochen wird.“

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