Eine Bundespräsidentin in Wien?

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Obwohl Außenministerin Benita Ferrero-Waldner bisher nicht in Sachen Emanzipation aufgefallen ist, will sie jetzt als Frau gewählt werden.

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Sie ist nicht die erste Kandidatin bei einer Bundespräsidentschaftswahl in Österreich, aber Benita Ferrero-Waldner ist die erste Frau mit echten Chancen auf das erste Amt im Staat.
Die 55-jährige amtierende Außenministerin von der ÖVP tritt bei der Wahl am 25. April gegen den um zehn Jahre älteren Sozialdemokraten und Zweiten Nationalratspräsidenten Heinz Fischer an, der in Umfragen deutlich vor Ferrero-Waldner liegt. Doch das ist noch nicht die Entscheidung. Diese Kandidatin will gewinnen und sie hat das Zeug dazu. Sie ist eine der wenigen Frauen in der österreichischen Politik, die zu ihrem Ehrgeiz und zu ihren Zielen steht. Und sie ist entschlossen, aus der Wahl ein "Frau gegen Mann" zu machen.
Auf die Frage, warum man sie wählen sollte, lautete Ferrero-Waldners erste Antwort: "Weil ich die erste Frau in diesem Amt wäre." Noch nie hat man in einer ÖVP-Wahlkampagne so stark auf den "Faktor Frau" gesetzt, im Gegenteil: Stets wurde die Frage, ob eine Frau oder ein Mann kandidiert, als nachrangig bewertet. Diesmal ist das anders. Ferrero-UnterstützerInnen, die sich in reinen Männerzirkeln bisher pudelwohl gefühlt haben, überschlagen sich plötzlich in öffentlicher Begeisterung darüber, dass sie nun endlich eine Frau wählen dürfen.
Über sich selbst sagt Ferrero-Waldner: "Ich bin eine berufstätige, emanzipierte Frau. Ich bin keine Feministin, wollte aber immer berufstätig sein, auch wenn ich Kinder gehabt hätte. Ich wäre nie zu Hause geblieben, mit Hilfen kann man das organisieren." Solche Aussagen hat man bisher von der konservativen Ministerin noch nicht gehört. Nie zuvor ist sie mit frauenpolitischen Statements oder Frauenförderung im Außenamt aufgefallen. Sie hat sich auch jeden Kommentar zu Auswirkungen von Regierungs-Maßnahmen auf Frauen (etwa bei der einschneidenden Pensionsreform im letzten Jahr) versagt. Sie plauderte höchstens darüber, dass sie samstags einkaufe und für ihren Mann, den Leiter des spanischen Kulturinstitutes in Wien, Francisco Ferrero-Campos, vorkoche: "Damit er versorgt ist, wenn ich im Ausland bin."
Die frisch gebackene Juristin war 1971 zunächst in die Privatwirtschaft gegangen. Als die erste Ehe scheiterte, nahm sie einen zweiten beruflichen Anlauf und trat 1984 in den "Höheren Auswärtigen Dienst" ein. Es folgten Stationen in Dakar und Paris. 1994 wurde sie Protokollchefin der Vereinten Nationen in New York. Dort wurde der damalige Außenminister Wolfgang Schüssel auf sie aufmerksam und holte sie als Staatssekretärin nach Wien.
Ab nun war Ferrero-Waldner stets dort, wo Schüssel nicht sein konnte oder nicht sein wollte. Als Schüssel Anfang 2000 die damals heftig umstrittene Koalition mit Jörg Haiders FPÖ einging und Bundeskanzler wurde, machte er die treue Kollegin zur ersten Außenministerin Österreichs. Als die EU-14 ihre Sanktionen gegen die österreichische Regierung ausriefen, zeigte Ferrero-Waldner ihre Stärke: Sie bewahrte eiserne Haltung. Auch wenn sie von ihren Amtskollegen geschnitten wurde, auch wenn sie stets in Verteidigungsposition war: Ferrero-Waldner behielt ihr inzwischen berühmt gewordenes "Kampflächeln" – was ihr Höhenflüge in der Gunst der gekränkten Österreicher bescherte.
An diese Zeiten und ihren "mutigen, ja leidenschaftlichen Einsatz" erinnern ihre WahlkämpferInnen heute gerne. Kein Wunder. Denn sonst geriet Ferrero-Waldner eher mit Schwächen statt Stärken in die Schlagzeilen. Lang ist die Liste ihrer Tritte in Fettnäpfchen: Als sie etwa im Kampf gegen die Sanktionen ausgerechnet bei Tory-Lady und Blair-Gegnerin Maggie Thatcher Unterstützung suchte. Als sie im Juli 2001 eine Gruppe österreichischer Globabilisierungsgegner, die beim G-8-Gipfel in Genua verhaftet wurden, öffentlich als "ohnehin vorgemerkt und auffällig" belastete, statt sich für sie einzusetzen. Zu guter Letzt distanzierte sie sich unmittelbar nach ihrer Nominierung als Präsidentschaftskandidatin Ende Jänner auch noch von einer Position, die sie vor zwei Jahren selbst in einem Buch bezogen hatte: Damals war sie für den Nato-Beitritt Österreichs. Nun, im Wahlkampf, schwenkte sie auf die in Österreich immer noch mehrheitsfähige Position um: auf Beibehaltung der Neutralität. Die Kehrtwendung begründet sie heute mit der Entwicklung in Richtung einer eigenen europäischen Sicherheits- und Verteidigungsstruktur. Klar ist: Ohne Neutralitätsposition hätte sie bei der Präsidentschaftswahl einen äußerst schwierigen Stand.
Zuletzt machte Benita kurz vor Weihnachten 2003 mit einem privaten Schritt Schlagzeilen: Dank der kirchlichen Annullierung ihrer ersten Ehe konnte sie, rechtzeitig vor Beginn des Wahlkampfes, ihren zweiten Mann auch vor Gott ehelichen – was ihr in Österreich reichlich Häme und den Vorwurf einbrachte, manche könnten es "sich eben richten".
Die Amtsführung des ersten weiblichen Außenministers wird in österreichischen Medien sehr kritisch beurteilt. Sie wird als "heillos überfordert und desorientiert" (vom Kurier-Herausgeber), als "eben keine Politikerin" (vom Presse-Chefredakteur) oder als "Vorleserin" (im profil-Nachrichtenmagazin) weil sie heikle Statements meist vom Blatt lesen muss) beschrieben. So würde kein männlicher Kandidat beurteilt, sagen ihre UnterstützerInnen. Das stimmt.
Das Bild der allzu loyalen Schüssel-Favoritin versuchte Benita Ferrero-Waldner erst in den letzten Wochen zu korrigieren. Der Schritt kommt spät – aber vielleicht ja nicht zu spät für die Wahlen. Denn auch die Österreicherinnen träumen schon lange von einer Bundespräsidentin. Nur: Wie hoch darf der allgemeinpolitische Preis sein für den geschlechterpolitischen Sieg?
Tessa Prager, EMMA 2/2004
Die Autorin ist Redakteurin bei dem Magazin News.

 

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