Böhmermann: Der Berufs-Diffamierer

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Eigentlich war anzunehmen, dass Jan Böhmermann den Unterschied zwischen „Satire“ und „Schmähkritik“ endlich verstanden hat. Schließlich hatte das Bundesverfassungsgericht ihm noch im Februar 2022 erläutert, dass es selbst dann nicht erlaubt sei, ein muslimisches Staatsoberhaupt als „Ziegenficker“ zu bezeichnen, wenn man selbst das total lustig findet. Die Richter in der roten Robe hatten dem ZDF-Unterhalter auch darzulegen versucht, dass auch dann, wenn man für seine pubertären Tourette-Ergüsse die „Kunstfreiheit“ in Anspruch nehme, es einer gewissen sachlichen Basis für seine Kritik bedarf. Aber Böhmermann verwechselt einfach zu gerne Kritik in der Sache mit der Diffamation von Personen.

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In seiner Sendung hat Böhmermann Frauen, die in Sachen Trans-Ideologie nicht seiner Meinung sind, als „Turds“, zu Deutsch: „Scheißhaufen“ bezeichnet. Und auch gleich einen entsprechenden Hashtag gestartet, unter dem andere es ihm gleichtun können. Dafür hat er inzwischen viel Kritik eingesteckt, einen Shitstorm und reihenweise Beschwerden beim Rundfunkrat ausgelöst, aber auch Applaus bekommen, zum Beispiel von unserer, tja: Bundesfrauenministerin Lisa Paus und ihrem Staatssekretär, dem Queer-Beauftragten Sven Lehmann (beide: Grüne). 

In der weitgehend faktenfreien Sendung gehen die spärlichen Fakten durcheinander

Aber von vorn. In der Sendung ZDF Magazin Royale vom 2. Dezember hat sich Böhmermann mit dem Thema Transsexualität beschäftigt, genauer gesagt: mit dem sogenannten „Selbstbestimmungsgesetz“, das die Ampelregierung gerade vorbereitet. Was Böhmermann leider nicht so richtig erklärte, ist: Nach diesem Gesetz soll jeder und jede ab 14 Jahren mit einem einfachen Gang zum Standesamt seinen oder ihren Geschlechtseintrag ändern können. Da gibt es viel Diskussionsbedarf, sollte man meinen. Aber Böhmermann diskutiert eben nicht, er diffamiert lieber.

Die "Informationen" aus dieser weitestgehend faktenfreien Sendung, in der noch die spärlichen Fakten reichlich durcheinander gehen, kurz zusammengefasst: Das Transsexuellengesetz sei in weiten Teilen verfassungswidrig und müsse reformiert werden. (Das zumindest ist richtig und kann man vielfach in EMMA nachlesen.) Da "Ärztinnen oder Geburtshelfer einfach so pi mal Daumern ein Geschlecht in die Geburtsurkunde eintragen", müsse von nun an jeder sein/ihr* Geschlecht selbst bestimmen können. Wer dagegen Bedenken anmeldet, ist eine TERF (Trans Exclusionary Radical Feminist) oder eben "Turd", also Scheißhaufen ("Können Sie ruhig verwechseln!"). Wie Alice Schwarzer, die keine Ahnung vom Thema hat, weil... sie gerade 80 geworden ist.   

„Die EMMA hetzt inzwischen regelmäßig gegen Transmenschen“, behauptet Böhmermann und spreche „Transmenschen ihre Existenz ab“. Wie kommt der Mann auf so einen Schwachsinn?  Vielleicht sind die EMMA-Texte und gar unser Buch „Transsexualität“, in denen auch Transmänner und Transfrauen regelmäßig zu Wort kommen, für den Twitter-King Böhmermann einfach zu lang, aber seine 23-köpfige Redaktion hätte sich die Lektüre ja aufteilen können.

Doch vermutlich war es einfacher, die vorgefertigten Textbausteine gewisser Transaktivisten zu übernehmen. Denn auch Böhmermann, der sich in seiner Rolle als Investigativ-Aufdecker der Nation so geil findet, schleimt sich offenbar lieber an seine Woke-Blase, anstatt die Eier zu haben, sich mit profunder Recherche und ernsthaften Argumenten auseinanderzusetzen. Stattdessen plappert der selbsternannte Journalist eins zu eins nach, was ihm zum Beispiel die einschlägig bekannte Transfrau Julia Monro in den politisch korrekten Block diktiert. 

Bundesverfassungsgericht, Wissenschaftler, die britische Regierung: Alles Nazis?

Munter geht’s weiter: Weil Beatrix von Storch mal aus der EMMA zitiert hat („Nazis lesen EMMA!“), ist Alice Schwarzer jetzt quasi auch ein Nazi. Und dann sind da noch die finsteren russischen Oligarchen, die Millionen in Anti-Trans-Propaganda investieren. Und am Ende sind die feministischen „Scheißhaufen“ auch noch schuld an der transfeindlichen Gewalt und am Tod von Malte in Münster. Der wurde zwar von einem jungen Tschetschenen umgebracht, der nicht weiß, wie man Feminismus buchstabiert, aber was soll’s?

Frage: Was heißt das zum Beispiel für das Bundesverfassungsgericht, das die Gutachten, die vor dem Wechsel des Geschlechtseintrags erstellt werden müssen, zweimal für absolut verfassungskonform erklärt hat? Alles Nazis? Oder die Mitglieder der Grünen, die auf dem Bundesparteitag im Oktober eine Debatte über das Gesetz einforderten, weil es „fundamentale Auswirkungen auf nicht transsexuelle Erwachsene und besonders auf Kinder und Jugendliche hat“? Alles Nazis?

Oder die 140 WissenschaftlerInnen aus acht Ländern, die in ihrem „Europäischen Manifest“ die „Frühmedikalisierung“ von Kindern und Jugendlichen mit Geschlechtsdysphorie warnen, die sich durch das „Selbstbestimmungsgesetz“ noch verschärfen würde? Alles Nazis? Und die Elterninitiativen, die dasselbe befürchten? Alles Nazis?

Wie viel Frauenfeindlichkeit darf sich Sven Lehmann eigentlich noch erlauben? 

Die britische Regierung, die das „Selbstbestimmungsgesetz“ ablehnte? Die UN-Sonderberichterstatterin zur Gewalt gegen Frauen und Kinder, Reem Alsalem, die jüngst warnte, das Gesetz sehe „überhaupt keine Sicherheitsmechanismen“ vor, um Frauen und Mädchen vor Männern zu schützen, die das Gesetz missbrauchen könnten? Alles Nazis? Und nicht zuletzt die Transsexuellen, die das Selbstbestimmungsgesetz ebenfalls kritisch sehen, wie die „Vereinigung TransSexueller Menschen“? Alles Nazis?   

Ach, stimmt ja. Die kommen alle gar nicht vor im Beitrag. Macht aber nichts, jedenfalls nicht unserer Frauenministerin und ihrem Parlamentarischen Staatssekretär. „Das neue Selbstbestimmungsgesetz kommt – egal, ob reaktionäre & menschenverachtende Personen (-Gruppen) etwas dagegen haben“, twitterte Ministerin Paus. Im Ernst. Die Ministerin postete die unterbelichtete, diffamatorische Böhmermann-Sendung, die an Menschenverachtung nicht zu überbieten war. Und Staatssekretär Lehmann jubelte über die Sendung: ein „grandioser Beitrag“.

Übrigens: Beide PolitikerInnen, Ministerin wie Staatssekretär, werden von Steuergeldern bezahlt und sind „dem Wohle des Volkes“ verpflichtet. Doch beide nutzen ihre Position, um ihre menschenferne Ideologie zu verbreiten. Ganz wie Böhmermann im ZDF die öffentlich-rechtlichen. Merkt da niemand was?

Die Intitiative "Geschlecht zählt" fordert die Entlassung des Staatssekretärs

Doch, die Initiative „Geschlecht zählt“. Sie fordert von Bundespräsident Steinmeier und Bundeskanzler Scholz die Abberufung des Staatssekretärs. „Mit der Aufforderung, seinem Hashtag ‚turds‘ zu folgen, wirbt Böhmermann in seiner Sendung hasserfüllt geifernd wiederholt für die Verbreitung seines Beitrags zur Entmenschlichung dieser Frauen im Netz“, heißt es in den Brief an Scholz und Steinmeier.

„Ob diese angebliche Satiresendung den Programmgrundsätzen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens entspricht, wird der Rundfunkrat zu beurteilen haben. Die begeisterte Zustimmung von Sven Lehmann zu diesem Beitrag, der in erster Linie aus Verleumdungen, Abwertungen und Beleidigungen von Frauen besteht, obliegt jedoch Ihrer Beurteilung, steht Lehmann als Parlamentarischer Staatssekretär doch in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Bund." So ist es.   

Mit dieser Sendung haben sich Böhmermann, Lehmann & Co. allerdings ins Knie geschossen. Denn jetzt haben außerhalb ihrer Bubble mehr Menschen gesehen, wes antidemokratischen Geistes Kind sie sind.

Das schadet allen, übrigens auch Transmenschen selbst. Davor warnen viele Transfrauen und Transmänner, die sich von dieser Art ideologisiertem Trans-Fanatismus nicht vertreten fühlen, wie zum Beispiel Till Amelung (auch ein Nazi?) in Schwulissimo (Nazis?): „Die Weigerung von Transaktivisten und ihren ‚Allies‘ in der Bundesregierung, einen fairen Diskurs mit seriöser Folgenabschätzung für alle gesellschaftlichen Bereiche und Gruppen zu führen, wird Transpersonen und dem Anliegen einer TSG-Reform schweren Schaden zufügen.“

 

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