Junge Frauen wählten Merkel

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Der Gender-Gap, das unterschied­liche Wahlverhalten der Geschlechter, hat wieder einmal eine entscheidende Rolle bei den Bundestagswahlen gespielt. Diesmal haben die Frauen öfter ihr Kreuz bei der CDU/CSU und den Grünen gemacht – und die Männer eher bei der Linken und der FDP. Der SPD sind beide Geschlechter weggelaufen, die Frauen noch stärker als die Männer.

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Das hat Gründe. Und die Analyse dieser Gründe wäre eigentlich für alle interessant. Doch in den Medien wird über Wählerwanderungen unter den Generationen, den ­Bevölkerungsschichten oder auch der Stadt- und Landbevölkerung spekuliert. Aber über Frauen und Männer redet niemand. Bis auf einen: Eckart Lohse in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Er stellte fest, es sei "eine kleine Sensation passiert: Erstmals hat es unter den weiblichen Wählern aller Altersgruppen eine relative Mehrheit für die Union gegeben".

In der Tat: Die Konservativen werden zwar von immer mehr Frauen gewählt. Das hat mit dem Rolemodel Kanzlerin und der Familienpolitik von Ministerin von der Leyen zu tun. Aber noch nie hat die Union so wenige Frauen ins Parlament geschickt! Nur jeder fünfte CDU/CSU-Abgeordnete ist weiblich. Von 2002 auf 2009 stieg der Anteil der weiblichen Abgeordneten in der in dieser Beziehung traditionell unterbelichteten CDU/CSU nicht etwa, sondern er sank: von 23 im Jahr 2002 auf 19,7% 2009. Lässt sich die Frauenlosigkeit der CDU/CSU-Fraktion etwa im Glanz der Kanzlerin besonders gut verbergen?

Doch schauen wir uns die Ergebnisse der Analyse der Forschungsgruppe Wahlen vom 27. September zunächst einmal ­genauer an: Die Merkel-Partei hat bei den Frauen in Relation zur Wahl 2005 nur 0,5% eingebüßt, bei den Männern hingegen 3,8%. Allerdings: Die jungen Männer haben der Merkel-Partei nur zu 1,3% den Rücken gekehrt. Stärker als je zuvor wurde Merkel 2009 von den jungen Frauen ­gewählt: Fast jede dritte CDU/CSU-Wählerin war diesmal unter 30 (29%). Mehr noch: Von der Gesamtheit der Jungwählerinnen haben erstmals die meisten die Kanzlerinnenpartei gewählt.

Genau umgekehrt ist die Entwicklung bei der SPD. Die Genossen haben auch bei den Männern viel, nämlich 9,8% verloren, bei den Frauen aber noch mehr: 13,5%. Und regelrecht geflüchtet sind die Jungen: Jede und jeder zweite wandte sich ab von den Sozialdemokraten. Erstmals seit 1972, als die so genannten "emanzipierten Frauen" im Elan des Aufbruchs der Frauenbewegung der SPD in den Sattel halfen, verlor die SPD ihren Frauenvorsprung.

Die drei kleineren Parteien hingegen legten bei Frauen wie Männern zu, die FDP jedoch um 2,3% mehr bei den Männern – und die Grünen um 2,6% mehr bei den Frauen. Gesamt gesehen ist der Anteil der jeweiligen Wählerschaft eher weiblich bei den Grünen (57%) und der CDU/CSU (53%) – und eher männlich bei der FDP (56%) und der Linken (54%). Nur bei der SPD beträgt er 50/50.

Frauen haben also signifikant häufiger die Grünen gewählt (13% Frauen/9% Männer) und die CDU/CSU (36/31) – Männer hingegen häufiger die FDP (17/13) und Die Linke (13/11). Die SPD liegt mit 23% pari pari. Am häufigsten jedoch wählten die Frauen über 60 die Konservativen (45%); und die Männer die SPD (29%).

Bei den kleineren drei Parteien ist es, ­unabhängig vom Geschlecht, genau umgekehrt: Je jünger die WählerInnenschaft, umso häufiger werden FDP, Linke und Grüne gewählt. Mit zwei Ausreißern: Die Linke wird am stärksten von Männern zwischen 45 und 59 Jahren gewählt (15% der Linken-WählerInnen), die Grünen von Männern aller Altersgruppen bis auf die über 60-Jährigen (11%).

Wir dürfen gespannt sein, welche Lehren die Parteien aus dieser Wahl ziehen.

Wird die Linke, deren Frauenanteil bei ihren WählerInnen bei 46% lag (Abgeordnete zu 53% weiblich) neben Guru Gysi eine Frau an die Spitze stellen (Petra Pau zum Beispiel)?

Werden die Frauen der weiblichsten aller Parteien, der Grünen, deren WählerInnenanteil bei 57% liegt (Abgeordnete 54% – 2002: 58,2%) es schaffen, auch im Kaminzimmer angemessen vertreten zu sein?

Wird die FDP, die mit einem Wähle­rinnenanteil von nur 44% (Abgeordnete 25%), die männlichste aller Parteien ist, neben der als Justizministerin favorisierten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger noch eine zweite Frau ins Kabinett hieven?

Wird die SPD, die als einzige Partei mit 50/50% pari-pari von beiden Geschlechtern gewählt wurde (Abgeordnete 39%) ihren hartleibigen Genossenverein endlich umwandeln in eine moderne Partei, in der Frauen selbstverständlich mitreden?

Und die CDU? Da hat Margaret ­Heckel nachfolgend jede Menge Tipps und Vermutungen. Sie hofft auf eine heimlich ­frauenbewegte Kanzlerin. Verdient hätten die Frauen es. Denn schließlich hat die Kanzlerin ihnen viel zu verdanken.

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