Die Welt der Cordula Stratmann

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Dat jetzt onoch. Frau Hülchrath auf allen Sendern. Und das nicht nur als Annemie, sondern auch als Cordula. Doch: Wer ist Cordula?

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Spätestens, als die öffentlich-rechtlichen Fernseh-Oberen sahen, wie sich Goldie Hawn und Dustin Hofmann vor Lachen über diesen blonden Schuss in seinem kurzärmeligen Traum aus dunkelroter Wildseide bogen; wie auch Friede Springer, die feine Herrin des Bildzeitungs-Verlages in der ersten Reihe kicherte – ja, spätestens da dachten die Herren der ARD gewiss: Grande malheur de Kacke! Großer Fehler, dass wir dieser Cordula Stratmann nicht längst eine Show in unserem ERSTEN Programm freigeräumt haben!
Die Komikerin war nämlich gebeten worden, bei der Verleihung der Goldenen Kamera in Berlin "pfiffig und modern" den 40. Geburtstag des "Hör-zu-Preises" zu würdigen. Also erzählt sie im gedeckten Ton von der Ausweitung der Problemzonen im Alter. Von den "Bäckchen hier im Rücken und unterm Arm", die so entstehen, wenn frau die Unterwäsche zu stramm verhakt, damit es vorne prall wirkt. Sie weiß, wovon sie spricht, sie wird in Kürze 42. Und sie warnt: "Die Frauen, die hier alle ärmellos rumsitzen: Bitte bloß nicht vorbeugen!" Der Ton war neu in Berlin.
Doch schon seit sechs Jahren ist Stratmann Kult – in NRW. Kaum, dass sie dreimal mit ihrem "Boah", "nä", "hömma", "weisse eigentlich" erschöpft auf das Sofa eines WDR-Studios gesunken war, wollte man sie nicht mehr missen. Als Obermieterin Annemie Hülchrath kam sie sonntags mit flotter Käsethekenfachverkäuferinnen-Perücke und floralem Dessin in die Sendung 'Zimmer frei'. Und dann bewehte sie den verdatterten Studio-Gast mit Betrachtungen über das Nichts im Seienden. Manchmal blieb ihr der angeschnittene Satz mitten im Laut hängen und wich einem erstaunten Gesichtsausdruck. Cordula Stratmann kann verschwörerisch das Nichts ausflüstern, als wäre es ein Staatsgeheimnis. Und sie nimmt ihr Gegenüber stets als Komplizen im Ringen um das Richtige im Wahren.
Folgerichtig gab ihr der Sender eine Talkshow im Dritten dazu. Da saß sie dann in prilblumenbunter Kostümierung und weißer Deko und gab Klaus Wowereit und Smudo Rätsel auf. Dieser Frau Hülchrath war nichts Zwischenmenschliches genierlich. Das eigene nicht, und nicht das der anderen. So wurde Cordula Stratmann, 41, zum heimlichen Star.
Da klingelte Sat1. Der Rest ist 'Schillerstraße' und bekannt: Die Quote der acht Monate alten Sitcom liegt bei zwei Millionen oder mehr. Die "Impro-Comedy" gilt als eine der erfolgreichsten TV-Neueinführungen des vergangenen Jahres und soll, so ihre Macher, "mindestens die nächsten hundert Jahre laufen". Seit das so ist, sind Annemie Stratmann und Cordula Hülchrath auch in München, Hamburg und Berlin komisch.
Annemie kennen wir jetzt – aber wer ist Cordula? Sie ist die Jüngste der Stratmann-Familie. Über ihr zwei Brüder, ringsum das Rheinland. Wenn Cordula morgens in die Düsseldorfer Altstadt aufs Gymnasium wackelt, belauscht sie die Unterhaltungen der Frauen auf der Straße und an der Supermarktkasse. Sie ist damals eine, die mit der Friedensgruppe an den Niederrhein radelt, um gegen die Pershings zu demonstrieren; sie spielt Straßentheater und improvisiert auf der Querflöte vor Publikum.
Schließlich zieht sie zum Sozialarbeits-Studium in die Kleinkunst-Hochburg Köln. Cordula Stratmann entscheidet sich für das Fachgebiet Familientherapie und arbeitet beim Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes, dort, wo alle Fälle stranden: Misshandlung, Missbrauch, Scheidung, Schuleschwänzen. Als Familientherapeutin beim Jugendamt Pulheim, ihrem ersten, festen Job, lernt sie, dass der Mensch viel aushalten kann.
Anfang der 90er kauft sie sich für eine Karnevalssitzung, die Ex-Kommilitonen organisieren, eine blonde Kurzhaarperücke und ist von da an Kabarettistin im Nebenjob. Jürgen Becker entdeckt sie für die Kabarett-Show 'Mitternachtsspitzen', der Frauensender 'tm3' engagiert sie für 'Manngold'. 1996 entschließt sie sich, die Familientherapie zu Gunsten der Lachtherapie zurückzustellen. 1998 beginnt sie beim WDR.
Ihre Themen greift Cordula Stratmann aus dem wirklichen Frauenleben. Sie ist keine Ulknudel. "Mein Humor setzt beim eigenen Scheitern an", sagt sie. Und nicht beim Scheitern der anderen. Frau Stratmann will den kathartischen Lacher, die Entlastung des Publikums auf ihre Kosten. Das ist der klassische Weg und das ist ihre große Kunst. Der schnelle Gag, der Büttenwitz, das ewige Männer-erklären-wie-Frauen-so-sind und umgekehrt, das ist ihre Sache nicht. Sie will Geschichten erzählen.
In der Sendung 'Zimmer frei' trat Frau Hülchrath mit Anregungen vor, die ihre Dialog-Opfer im tatsächlichen Sinne des Wortes vom Hocker warfen: "Im Haushalt seid ihr Schwulen ja tippi-toppi, oder?", fragte sie mal einen. Dem Produzenten Til Schweiger zeigte sie auf der Besetzungscouch ihr Talent für Charakterrollen. Und Dauerthema ist die Erziehung des Pudels Helmut. Ansatzlos erzählt sie von dessen Pubertät, wie der sich "mit ‘ner Clique Schlüsselhunde rumtrieb" und seither mehr für Rüden interessiere: "Dat jetz onoch".
Im Herbst nun startet der WDR im Dritten 'Die kleine Cordula Stratmann Show'. Ihr Traum: Sie will mal auf die Bühne kommen können, sich aufs Sofa schmeißen und sagen: "Also Leute, ich brauch jetzt mal fünf Minuten für mich". Da wird wohl erst mal nix draus, Cordula!
Ulrike Posche, EMMA 3/2005

 

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