Mein Freund guckt Pornos

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Corona lässt tief blicken. Zum Beispiel auch auf dem Laptop des eigenen Freundes. Weil in vielen Paarbeziehungen oft der Mann den besseren Laptop oder den Rechner mit allem Pipapo hat, haben viele Frauen sich im Homeoffice die Gerätschaften mal ausgeliehen – und problematische Entdeckungen gemacht. Deutschland ist Weltmeister im Pornogucken: 12,4 Prozent aller Pornokonsumenten weltweit kommen aus Deutschland. Und viele Frauen entdecken gerade, dass auch ihre eigenen Männer dazugehören. Alle Namen in diesem Beitrag sind geändert, um die nun ohnehin schon angekratzten Beziehungen nicht noch weiter zu gefährden.

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„Ich hätte nie gedacht, dass mein Freund Pornos guckt“, sagt Anke (29). Als sie den Laptop von ihrem Freund Sebastian für ein Grafikprogramm ausborgt, findet sie im Ordner „Technik-Parkplatz“ mehrere Hardcore-Pornos. „Es sind Pornos der schlimmsten Sorte. Mit dieser extremen Gewalt gegen Frauen komme ich nicht klar. Ich kann das nicht akzeptieren“, sagt sie ernüchtert.

Mit der Gewalt komme ich nicht klar!

Sebastian wollte die Sache runterspielen. „Das machen doch alle Männer. Das hat nichts mit dir zu tun. Das ist doch nur zum Spaß.“ Für Anke ist es kein Spaß. Und sollte Sebastian seinen Pornokonsum nicht beenden – wird sie die Beziehung beenden. „Diese Art Pornos sind ein Schlag ins Gesicht für alle Frauen“, sagt sie. „Ich will keine Zukunft mit einem Menschen haben, der sowas nicht nur toleriert, sondern sich daran aufgeilt.“

Ähnlich sieht es Carmen (42). Ihr Ehemann und Vater ihrer drei Töchter hatte vergessen, den Browser-Verlauf zu löschen. Carmen benutzt eigentlich nie seinen Computer, brauchte ihn aber, weil ihr Laptop kein CD-Laufwerk mehr hat und ihre Firmenunterlagen nicht per Mail verschickt werden durften. „Mein Mann ist scheinbar ständig auf Pornhub unterwegs“, sagt sie. Die ersten drei Filme, in die sie reinschaute, fand sie „einfach nur ekelig“. „Da werden Gegenstände in Frauen reingesteckt. Ich verstehe nicht, wie man sich an sowas aufgeilen kann. Überhaupt ist diese sexualisierte Gewalt einfach nur widerlich. Das hätte ich von Christian nicht erwartet.“

Christian hingegen meint, Carmen solle sich nicht so anstellen. Schließlich wäre sie ja oft auch viel zu müde für Sex, und dann würde er sich eben damit ablenken. Carmen findet Christians „Ablenkung“ besonders abartig, weil sie gemeinsam drei Töchter haben. „Die jungen Frauen in den Pornos sind auch irgendjemandes Töchter.“ Carmen will Christian nicht in die Wüste schicken, bislang hat sie nie an ihrer Ehe gezweifelt. Aber sie wird in nächster Zeit abends sehr oft müde sein, so viel ist sicher.

Solche Männer sind total gestört!

Franziska (26) hingegen versucht zu verstehen, warum ihr Freund Michael (24) Pornos guckt. Sie hat zwar auch erst im Homeoffice einschlägige Dateien auf dem Rechner entdeckt, hat sich das aber schon länger gedacht. „Er verwendet beim Sex manchmal so komische Ausdrücke, die hat er garantiert aus Pornos. Ich muss dann ehrlich gesagt immer ziemlich lachen. Eigentlich ist es doch eher traurig, wenn sich jemand vor dem Computer befriedigen muss.“ Michael ist bisher in keinster Weise frauenfeindlich auffällig geworden. Aber er sei "sexuell jetzt auch nicht so der Wahnsinn", findet Franziska. „Vielleicht lebt er da in seiner Fantasie am Bildschirm was aus, was er in der Realität einfach nicht hinkriegt.“

Für Andrea (34) war der Porno-Fund auf dem Laptop ihres Freundes Sascha das Ende der Beziehung. „Frauen werden in Pornos wie der letzte Dreck behandelt. Es geht nicht um das Ausleben irgendeiner Sexualität, es geht um Gewalt und Macht. Ich habe Pornos gefunden, in denen Frauen Verletzungen haben und bluten. Wen so etwas erregt, der ist für mich total gestört. Mit so jemandem will ich nicht zusammen sein.“

 

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Sponsert Pornhub Filmfest?

Torsten Neumann bei der Eröffnung des Filmfestivals 2019 in Oldenburg. - Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa
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Der „Tatort“ läuft bekanntlich um 20.15 Uhr. Auch, wer Deutschlands Lieblingskrimi in der ARD-Mediathek sehen möchte, kann das erst nach 20 Uhr. Vorher ist der „Tatort“ blockiert. Warum? Weil Kinder unter 13 Jahren „vor negativen Einflüssen geschützt“ werden sollen, erklärt die „Kommission für Jugendmedienschutz“, sprich: vor der Darstellung brutaler Gewalt, die ein Kind verstören kann. Oder die es glauben lassen könnte, dass Gewalt normal ist.

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Derselbe Zwölfjährige, der den „Tatort“ deshalb nicht schauen darf, kann aber problemlos zum Smartphone greifen und dort pornhub.com eingeben. Die weltgrößte Porno-Plattform hat nach eigenen Angaben 42 Milliarden Aufrufe im Jahr. Das macht 115 Millionen Klicks am Tag auf sechs Millionen Clips, die die User selbst hochgeladen haben.

Jeder Zwölfjährige kann problemlos von Kikaninchen auf Pornhub wechseln

Dr. Tobias Schmid
Dr. Tobias Schmid

Dort kann der Zwölfjährige sehr viel verstörende Gewalt gegen Frauen sehen, zum Beispiel in den Kategorien „Teens“, „Gangbang“ oder „Gefangenschaft“. Theoretisch ist das in Deutschland verboten. Praktisch ignoriert Pornhub, die weltgrößte Porno-Plattform mit Sitz im kanadischen Montreal, schlicht das deutsche Gesetz. Eigentlich müsste das Portal Kindern und Jugendlichen den Zugang zu seinen „Angeboten“ unmöglich machen. Zum Beispiel, indem Nutzer sich per Post-Ident-Verfahren oder Kreditkarte als volljährig identifizieren. Porno-Anbieter mit Sitz in Deutschland haben diese Schleuse in der Regel vorgeschaltet. Aber Pornhub mit Sitz und Server im Ausland fühlt sich offenbar nicht ans Gesetz gebunden – und tut nichts dergleichen.

Das will Tobias Schmid nicht länger hinnehmen. „Bei Fernsehsendern kontrollieren wir jede Ausspielung darauf, ob die Musik nicht zu gruselig ist, gleichzeitig kann aber jeder Zwölfjährige von Kikaninchen auf Pornhub wechseln“, klagt der Leiter der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen.

Die Vergewaltigung der entführten
15-Jährigen lief in 58 Clips auf Pornhub

Er droht Pornhub und drei weiteren großen Porno-Portalen jetzt mit einer Sperre. Zwar steht der Server der vier Porno-Anbieter in Zypern, aber NRW hat die zypriotischen Behörden mit ins Boot geholt und den skrupellosen Geschäftemachern eine Unterlassungsverfügung zugestellt. Wenn Pornhub & Co. nicht reagieren (was sie bei Redaktionsschluss noch nicht getan hatten), dann droht der nächste Schritt: Die Telekom oder der jeweilige Internet-Anbieter würden Pornhub in Deutschland sperren. Das wäre eine Sensation!

Dass sich eine deutsche Behörde ernsthaft mit den Porno-Giganten anlegt, ist in Deutschland ein bisher einmaliger Schritt – wenn auch ein längst überfälliger. Einen Schritt weiter geht Laila Mickelwait. Die kalifornische Anti-Porno- und Anti-Prostitutions-Aktivistin fordert: „Schließt Pornhub!“ Denn das Unternehmen hat nicht nur keine Sperre für Jugendliche – es nimmt für seine Millionengewinne auch in Kauf, dass Opfer von Menschenhandel für die Clips vergewaltigt werden.

800.000 Menschen haben die Petition von Laila Mickelwait unterschrieben

Laila Mickelwait
Laila Mickelwait

Wie das 15-jährige Mädchen aus Florida. Ein Jahr lang blieb das Mädchen verschwunden, dann wurde sie entdeckt: auf Pornhub. In 58 Videos wurde ihre Vergewaltigung gezeigt. Die Polizei hat den Täter, der das Mädchen entführt hatte, inzwischen verhaftet. Auch der amerikanische Pornoproduzent Michael Pratt, der die Vergewaltigung mehrerer Kinder filmte und auf Pornhub hochlud, wird gerade per Haftbefehl gesucht.

„Es gibt allerdings zwei weitere Personen, die nicht auf der Strafverfolgungs-Liste stehen“, schreibt Laila Mickelwait. Die Firmenchefs Feras Antoon und David Tassilo. „Pornhub trägt die Mitschuld an dem Menschenhandel mit diesen Frauen und Minderjährigen und wahrscheinlich an noch tausenden ähnlichen Fällen.“ Mickelwaits Petition auf change.org haben schon über 900.000 Menschen unterschrieben, in den USA und Großbritannien berichteten Medien vom Guardian bis zur New York Post über den Skandal. In Deutschland herrscht Schweigen. Umso beachtlicher, dass NRW auch ohne öffentlichen Druck voran geht.

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