Not so happy Birthday, Bikini!

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Der Sommer ist da. Und damit auch: Die Bikini-Saison! Die Laune steigt? Von wegen! Es gibt nicht viel, was einer in Sachen Mode derzeit die Stimmung so verhageln kann, wie ein Besuch in der Abteilung Bademode. Ich war vor ein paar Tagen gleich in mehreren Abteilungen. Zu allem Überfluss auch noch in Läden, die mit einem coolen, sportlichen Lifestyle werben: Surfen, Skaten, Mountainbiken.

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Und was sollen mollige Frauen tragen? Ein Zelt?

Kurz zu meinen Eckdaten: Ich habe eine völlig normale Figur und für meine Größe von 1,68 Metern ein völlig normales Gewicht. T-Shirts kaufe ich mal in Small, mal in Medium. Doch in der Umkleide-Kabine der Bademode-Abteilung habe ich nun gelernt: In Sachen Bikinis ist meine Körperwahrnehmung leider Wunschdenken. Ich bin keine Medium und schon mal gar keine Small, ich bin eine Large! Und auch Large sitzt schon spack. Was, teure Bikini-Hersteller, sollen eurer Meinung nach dann Frauen am Strand tragen, die nicht dünn sind, sondern mollig oder - Gott bewahre - vielleicht sogar ein bisschen dick? Ein Zelt?!

An Sport ist in den superknappen Dingern auf der Stange nicht zu denken. Die Käuferin sollte überhaupt möglichst auf ihrem Handtuch liegen bleiben und unter keinen Umständen ins Meer gehen. Denn schon bei Kontakt mit sanften Wellen droht Bikini-Verrutschung oder vollständiger Verlust des Oberteils. Insbesondere, weil dieses Jahr trägerlose Bikini-Oberteile schwer in Mode sind. Sollten Sie auch nur den Ansatz eines Busens haben, sei Ihnen in solchen Bikinis nicht nur dringend vom Schwimmen im Meer, sondern auch von schnellem Gehen, Beachtennis oder Beachvolleyball abgeraten.

Apropos Busen: Sie können mit der Größe Ihre Brüste so zufrieden sein, wie Sie wollen – Sie werden trotzdem zum Push-Up-Bikini greifen müssen. Weil es quasi gar keine Bikini-Oberteile ohne Polster mehr gibt.

Im ersten Geschäft wagte ich noch aus reiner Ahnungslosigkeit ob der deprimierenden Gesamtsituation eine kleine Beschwerde: Sagt mal, könnt ihr nicht auch mal coole und tragbare Bikinis für Frauen verkaufen?! Der Verkäufer - Typ: lässiger Skater in bequemer Baggy-Hose - lachte nur und nickte. Jaja, die Bikinis, er hätte jetzt aber gleich auch Feierabend. Die Verkäuferin - Typ: Surferin - teilte meinen Missmut ohne Zögern. Sie hätte sich ja schon vor Tagen beschwert beim Einkauf. Nur gebracht habe es bisher nichts. Im Internet, empfahl die surfende Verkäuferin, gebe es tragbare Modelle.

Nach der Einkaufstour fahre ich ohne Bikini und mit schlechter Laune nach Hause. Dabei wäre es doch so einfach, den Frauen nicht automatisch ein beschissenes Körpergefühl in die Einkaufstüte zu packen. Hayat Rachi in London zeigt  zum Beispiel, wie das geht. Die Designerin mit marokkanischen Wurzeln hat die als „feministisch“ deklarierte Unterwäschefirma Neon Moon gegründet. Statt S, M und L heißen die Kleidergrößen bei ihr „Lovely“, „Gorgeous“ und „Beautiful“. Werbeslogan: Damit das „Selbstwertgefühl nicht nur von einer Nummer auf dem Maßband abhängt. Du bist schön, egal welche Kleidergröße du trägst!“ Auf der Webseite von Neon Moon werben keine Models für die Unterwäsche, sondern Frauen mit Bauchröllchen, Dehnungsstreifen und Tätowierungen. Dünne wie mollige. Alleine das erregte in Großbritannien Aufsehen.

Beautiful - das klingt doch viel besser als Large

In Amerika wie in Deutschland machte übrigens kürzlich die Hashtag-Kampagne #WomenNotObjects und #Istandup die Runde. Gegen die Objektifizierung und Sexualisierung von Frauen in Werbekampagnen. Und auch in Deutschland wird ein Gesetz gegen sexistische Werbung diskutiert (mehr dazu in der Juli/August EMMA 2016). Denn auch beim deutschen Werberat gehen die meisten Beschwerden wegen sexistischer Werbung ein.

In der Abteilung für Bademode lernen wir: Der versteckte Sexismus ist genau so omnipräsent und genau so ätzend wie der offene. Er kommt in Form von hübschen Bikinis daher, die Frauen keine Wahl lassen: Dürr oder gar nicht. Und Push-Up-Brüste für alle. Und Bewegungsfreiheit für keine.

Alexandra Eul - Aktualisierte Fassung vom 4. Juli 2016

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