Der Krieg

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8. April, 20. Kriegstag. Auf der Seite der Angegriffenen werden hundertfach mehr Tote gezählt als auf der der Angreifer (dank US-Rüstungsbudget). Von den Verletzten, Verstümmelten und Traumatisierten nicht zu reden. Neueste Nachrichten: Eine US-Rakete zielte auf den arabischen TV-Sender Al Djasira, eine zweite auf das Journalisten-Hotel Palestine. Präsident Bush will zwar den totalen Sieg (Originalzitat), aber offensichtlich keine Zeugen mehr beim Gemetzel. Den High-Tech-GIs kommen entkräftete Soldaten entgegen. Und heilige Krieger, eingeschleust über die Grenzen und kenntlich an ihren Bärten plus Märtyrer-Stirnband. Oder Selbstmordattentäterinnen, kenntlich an ihrer Entrücktheit plus Kopftuch. Beides ist neu. Beides ist das Resultat der amerikanischen Hegemonialpolitik. Ironie der Geschichte: Die Befreier, die behaupten, sie seien im Irak auf der Jagd nach Bin Laden, die bringen die Gotteskrieger überhaupt erst ins Land. Denn der Irak war vieles geknechtete Kolonie, sozialistische Militärdiktatur und tyrannisches Ein-Mann-Regime aber eines war er nie: ein Gottesstaat. Im Gegenteil. Der Irak hat die höchste Alfabetisierungsrate der Region, und an der jetzt zerstörten Uni von Basra studierten mehr Frauen (54%) als Männer. Das wird sich ändern. Der Appell des in die Knie gezwungenen Saddam Husseins an den Djihad verhallt nicht ungehört. Alle Muslime und Araber fühlen sich, egal wie sie zu Allah oder Saddam stehen, gedemütigt und bedroht durch den Überfall auf den Irak, die mythologische und kulturelle Wiege der Menschheit. Und nicht nur sie. Was in den 80er Jahren als islamistischer Kreuzzug der Ayatollahs so bedrohlich begann, wird längst übertroffen vom christlichen Kreuzzug der Ölmanager. Nur 71 Jahre nach dem Ende der Kolonialherrschaft kehren die alten englischen Kolonialherren zurück im Schlepptau den neuen Kolonialherren. Die demonstrieren uns mit diesem Krieg: Wir können alles und wir tun auch alles. Zu Beginn des dritten Jahrtausends hat Amerika uns damit in eine neue Welt(un)ordnung gebombt.

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Alice Schwarzer, EMMA Mai/Juni 2003 

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